Kommentar: Was uns der Überfall auf einen AfD-Politiker lehrt

Frank Magnitz wurde am Montagabend von drei Angreifern attackiert. (Bild: Michael Kappeler/dpa)

Rechte verbreiten vermeintliche Sicherheiten. Und Linke reden das Verbrechen klein. Dabei ist doch alles ganz einfach.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Unmittelbar nach dem Angriff auf den AfD-Politiker Frank Magnitz in Bremen waren sich alle einig: im Entsetzen über einen feigen Überfall auf einen Menschen, der im Übrigen gewählter Volksvertreter im Bundestag ist. Ein Angriff, der in seiner Brutalität zumindest in Kauf nahm, dass der Bremer AfD-Landeschef ernste Verletzungen, bleibende Schäden oder gar das Leben riskierte.

Aus der Politik kamen auch, von allen Parteien, die Verurteilungen dieser Tat, ohne wenn und ohne aber. Doch nun, einige Tage später, begibt man sich wieder in den Schützengraben, auf beiden Seiten. Das ist überflüssig.

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Zuerst zeigte sich die AfD uneins darüber, ob Magnitz mit einem Kantholz oder mit einer Dachlatte angegriffen worden sei, wusste aber sofort, dass es sich um ein politisches Motiv handeln müsse, also um „Linksextremisten“. Letztlich ist die Frage möglicher Tatwerkzeuge nicht von Belang, auch wenn es wahrscheinlich keines gegeben hat. Jemanden mit Wucht von hinten so anzuspringen, dass dieser ohne Schutz auf den Boden prallt – das ist ein Angriff jener Kategorie, der zuweilen mit schweren Hirnschäden bis zum Tod endet. Die kursierende Dachlatte war also überflüssiges Dramatisierungsinstrument. Dass ein rein krimineller Hintergrund wie ein Raub von AfD-Politikern gleich ausgeschlossen wurde, zeugt von einer Mischung aus Entsetzen über diesen Angriff und frühere Attacken auf Büros der AfD und ihre Amtsträger sowie aus dem Willen Opfer zu sein; die AfD teilt stets aus, teilt immer in zwei Lager, da dient solch eine Gewalttat durchaus der Selbstvergewisserung eines Weltbildes.

Halbstarkes Zischen im Netz

Dann zeigte sich bei einigen Linken ein Relativierungsdrang. Die wahrscheinlich falschen Geschichten mit der Dachlatte und des Kantholzes wurden betont, als geriete die Tat dadurch weniger schlimm. Auch kam immer öfter der Zusatz, sich von der AfD zu distanzieren, während die Tat verurteilt wurde. Und schließlich, im dritten Akt, wurde aufgezählt, welche politischen Gemeinheiten sich der Politiker Magnitz bisher geleistet hatte. Dabei ist dies in diesem Zusammenhang völlig unerheblich. Bei einem AfD-Politiker, der selbst in der Partei dem rechten Flügel angehört, wäre es auch eine Überraschung, wäre er nicht rüpelhaft unterwegs. In den Sozialen Medien dann machte sich Häme breit, nach dem Motto: Da kriegt einer, was er verdient, oder er solle sich nicht so anstellen, oder es sei ja nur ein Stoß gewesen.

Der Angriff auf einen Politiker stellt einen Angriff auf die Demokratie dar. Da gibt es nichts zu relativieren oder zu belächeln.

Ein überdachter Durchgang führt zu einem Bremer Theater. Unbekannte hatten am 07. Januar 2019 den Bremer AfD-Landeschef Frank Magnitz an dieser Stelle angegriffen. (Bild: Carmen Jaspersen/dpa)
Ein überdachter Durchgang führt zu einem Bremer Theater. Unbekannte hatten am 07. Januar 2019 den Bremer AfD-Landeschef Frank Magnitz an dieser Stelle angegriffen. (Bild: Carmen Jaspersen/dpa)

Andererseits gibt es auch nichts zu dramatisieren. Genau dies versuchen Protagonisten der Rechten. Da ist Martin Sellner von der so genannten Identitären Bewegung, der mit Blick auf linke Häme im Netz zum Sammeln von Beweisen aufruft, für „später“, „wenn der Rechtsstaat wieder zurückkehrt“. Lebt der Wiener Sellner nicht in einem Rechtsstaat? So schlimm ist die österreichische Regierung nun auch nicht. Oder meint er etwa Deutschland? Darüber würde man gern mehr erfahren. Wenn es also „später“ geworden ist, dann sieht Sellners Rechtsstaat derart aus, dass eine Menge Prozesse geführt werden. Ich hoffe, der Junge hat eine Rechtsschutzversicherung.

Und nicht fehlen darf Björn Höcke, der andere Posterboy bei den Rechten, im Gegensatz zum feschen Sellner eher Vertreter der neuen deutschen nachdenklichen Traurigkeit. In einer Stellungnahme zur Attacke auf seinen Parteifreund verkündete er erstmal die frohe Botschaft, „wir werden unseren Kampf nicht aufgeben“, und schob zum Glück rasch ein „unseren politischen“ nach. Puh. Wollte grad in den Keller, Opas Helm suchen. „Denn er ist notwendiger denn je, das sehen wir an dieser Tat“, sagte Thürigens AfD-Chef dann noch. Da sind wir bei der oben erwähnten Selbstvergewisserung. Warum ist dieser „Kampf“ nach der Bremer Tat „notwendiger“ geworden?

Weimarer Wunschträume

Aufschluss darüber bietet ein Facebook-Eintrag Höckes an, in dem er schreibt: „Diejenigen, die die Berliner Republik Weimarer Spätverhältnissen zugeführt haben, sind jetzt schon schuldig vor der Geschichte geworden.“ Das ist starker Tobak. Die Weimarer Republik wurde in ihrer Endphase heftig durchgeschüttelt, vor allem von rechts. Die Strukturen waren noch nicht gefestigt, die demokratischen Erfahrungen gering, es herrschten Armut und Weltwirtschaftskrise, noch dazu schimmerte das Trauma eines verlorenen Weltkriegs mit schwerwiegenden Reparationen.

Das alles haben wir heute nicht. Höcke schreibt einen Zustand herbei, den er sich womöglich wünscht. Um dann ebenfalls „Machtergreifung“ zu rufen wie ehedem ein verschiedener Landsmann Sellners?

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Die AfD behauptet mantrahaft, Linksradikalismus werde in Deutschland relativiert, verhätschelt, geduldet. Diese Strategie ist so nachvollziehbar wie unwahr. Rechtsradikalismus verübt unheimlich viel mehr Straf- und Gewalttaten, daran wird das Bremer Verbrechen nichts ändern. Mit dem Aufbauschen eines „bösen“ Kontrahenten von links versucht die AfD ihre eigene Politik als „gut“ zu präsentieren; im Unschuldsgewand lässt es sich halt am besten herumgrobeln.

Demokraten sollten kein Interesse an einer aufgeschaukelten Stimmung haben. Sollte sich bewahrheiten, dass der Angriff auf Magnitz politische Motive hatte, wäre dies ein Eskalierungsversuch der politischen Auseinandersetzung. Darauf lassen wir uns besser nicht ein. Dann bleibt Weimar auch weit weg.

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