Kommentar: Warum China ein neuer Gegner wird

Die chinesischen Ballons über Amerika sind eine Mischung aus James Bond und Louis de Funès. Sie zeigen aber: Gegenüber dem Regime in China müssen klare Linien her. Denn die Zukunft, an der Peking arbeitet, macht Angst.

Nein, die chinesischen Spionageballons über Amerika sahen anders aus (Bild: REUTERS/Dado Ruvic/Illustration)
Nein, die chinesischen Spionageballons über Amerika sahen anders aus. (Bild: REUTERS/Dado Ruvic/Illustration)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Angeblich ging es nur ums Wetter. Die Ballons vom Gewicht eines kleinen Linienflugzeugs sollten nur meteorologische Daten auswerten, hieß es aus dem chinesischen Außenministerium. Nun, um Wetterdaten aus den USA oder Costa Rica zu ermitteln, hätte man in Peking auch beim amerikanischen Herrn Kachelmann anrufen können; ein Blick auf Internet-Suchmaschinen hätte ebenfalls geholfen.

Natürlich ging es der Regierung Chinas um Spionage. Okay, diese betreibt im Grunde jedes Land. Sowas ist geheim und aus der Perspektive des Spionierten illegal. Die Frechheit aber, gar mit solchen Ballons zu arbeiten und dies auch noch entsprechend zu verteidigen, spricht Bände. Dass ein US-Flugzeug nun einen Ballon abgeschossen hat, wurde von Peking sogar noch kritisiert.

Das Verhältnis zu China ist extremen Ungleichgewichten ausgeliefert. Die Führung in China verfährt nach dem Motto: Uns das meiste und euch das wenigste. Man stelle sich vor, ein US-Ballon würde über China gesichtet werden – die Machthaber würden öffentlich vor Wut und Drohungen schäumen. Und dieses Prinzip ist durchaus erfolgreich: China baut seine internationale Machtstellung Schritt für Schritt aus, und dies auch durch diese Politik, nach der, der am lautesten schreit, dann mehr kriegt als andere. Das kennen wir noch aus dem Sandkasten.

Ein Stück weit ist dies nachvollziehbar. Da ist zum einen der natürliche Anspruch Chinas, eine Weltmacht zu sein. Es ist ein Land mit einer langen, langen Historie und Zivilisation. Sein Beitrag zur Weltgeschichte ist jedenfalls immenser als der vieler anderer Länder; schon allein, weil in China schon Staatskunst und Wissenschaft betrieben wurde, als wir noch Bären jagten.

Und dann ist da das Erbe des Kolonialismus, denn China wurde übel mitgespielt. Großbritannien, Frankreich und Japan führten Krieg, um Absatzmärkte und Macht auszubauen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte also das Land aufzuholen.

Das Kind beim Namen nennen

Doch all dies rechtfertigt nicht die Grobheit und Selbstvergessenheit der chinesischen Außenpolitik, ihren Egoismus. China spioniert Daten aus, wo es kann. Es baut Einfluss in afrikanischen Ländern aus, indem es Diktatoren mit großzügigen Krediten zum Ausbau zweifelhafter Infrastrukturen verhilft und sie abhängig macht. Chinesische Entwicklungspolitik dient erstmal nur chinesischen Interessen. Diese Strategien sollten Grenzen kennenlernen.

Und die hat Europa zu setzen. Da geht es nicht um Feindschaft, aber um das Bewusstsein einer gewissen Konkurrenz. Ein Gleichgewicht muss her: Alles, was von China deutschen Firmen verboten wird, sollte auch chinesischen hier verboten werden. Wir brauchen eine simple Gleichbehandlung. Nie sollte der Austausch, der Dialog unterbrochen werden. Aber dem Regime sollte schon klargemacht werden, dass man es als Regime wahrnimmt.

Manche vergessen gern, dass in Peking eine Diktatur herrscht. Die Kommunistische Partei hat den Riesenstaat im Griff, und zwar auf grausame Weise. Diese Politik "Made in China" ist Angelegenheit der Chinesen, und als Verkaufsschlager taugt sie nicht, da ist wenig zu befürchten. Aber im Zweifel verfährt chinesische Außenpolitik nicht zimperlich. Daher täte die deutsche Bundesregierung gut daran, diese Gegnerschaft zu China klarer zu benennen. Die Grünen tun dies, die FDP checkt noch – und die SPD steckt mal wieder den Kopf in den Sand.

Aus dem Russland-Desaster lernen

Schon wieder ist die Rede vom Offenhalten von Türen. Die Sozialdemokraten fordern einen Pragmatismus ein, der selbst ideologisch gefärbt ist. Denn es ist pragmatisch, die Aggressionen aus China anzuerkennen. Im Gegensatz erweist sich der SPD-Kuschelkurs, wie er schon jahrelang gegenüber Russland gefahren worden ist, als wenig konstruktiv. Aber die SPD will offenbar aus manchen Fehlern nicht lernen.

China hat schon jetzt in nicht wenigen digitalen Technologien und vor allem bei deren Nutzung alle anderen Länder überholt. Chinesische Vorherrschaft im Netz zeichnet sich ab, die totale Aushorchung des Menschen, sein Mainstreaming im Sinne einer "Partei". Den gläsernen Körper mag niemand wollen. Doch dafür braucht es nicht nur Selbstbewusstsein, sondern Werte.

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