Kommentar: Warum das Verbot der "Freiheits"-Demo falsch ist

Tja, mit Maske und Mindestabstand hatten es die Demonstranten der "Freiheits"-Demo am 1. August nicht. Sie waren eben sehr freiheitlich. (Bild: AP)
Tja, mit Maske und Mindestabstand hatten es die Demonstranten der "Freiheits"-Demo am 1. August nicht. Sie waren eben sehr freiheitlich. (Bild: AP)

Am Samstag sollte in Berlin eine Demo gegen die Corona-Einschränkungen stattfinden. Nun wurde sie nicht genehmigt. Dies ist Wasser auf die Mühlen Jener, die eine fehlende Freiheit herbei halluzinieren.

Ein Kommentar von Jan Rübel

„Berlin invites Europe“, heißt das offizielle Motto der geplanten Demo gegen Corona-Einschränkungen. Das klingt sehr großzügig. Die Berliner wurden zwar nicht gefragt, und ob ganz Europa kommen will, ist auch eine andere Frage – aber mit den Zahlen haben es die Organisatoren ja nicht so, immerhin dichteten sie die Teilnehmerzahlen der letzten Demo vom 1. August von 20.000 auf 1,3 Millionen hoch.

Der großherzigen Einladung hing das Motto an: „Fest für Freiheit und Frieden“. Nun, wo die Behörden die Demonstration verboten haben, ist im Netz vielfach vom entrüsteten „Sturm auf Berlin“ die Rede. Also, was denn jetzt?

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Die Begründung für das Verbot liest sich erstmal vernünftig. Bei der letzten Demo dieser Veranstalter verhielten sich Organisatoren wie Teilnehmer zu den gängigen Regeln bei Atemschutz und Mindestabstand wie ein Piranha im Goldfischbecken – sie waren ihnen schnurz, bildeten sich darauf gar ein rebellisch zu sein, weil man oben ohne herumlief. Man hat in Deutschland ja das Recht sich gegen diese Einschränkungen auszusprechen – daran halten muss man sich indes schon. Das nennt sich Demokratie und ist die tatsächliche Freiheit. Denn unter Atemmaske und Mindestabstand leidet niemand. Das Verhalten vom 1. August war also schlicht asozial.

Opfer produzieren die Verharmloser schon von allein

Dennoch wäre es besser gewesen, wenn man den selbst ernannten Propheten der Freiheit ihre Freiheit zum Demonstrieren nicht nimmt – aus zwei Gründen:

Zum Einen könnte die Polizei auf das Einhalten der Regeln pochen, sie freundlich bis bestimmt durchsetzen oder eben dann die Demo abbrechen, wenn sich die Leute ähnlich covidiotisch verhalten wie Anfang August.

Und zum Anderen liefert man mit dem Verbot all den Corona-„Kritikern“ nur Futter für ihr Delirium von den eingeschränkten Bürgerrechten.

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Das Grundgesetz hat natürlich immer noch Geltung. Diese war nie weg. Und ob in Berlin 20.000 Leute einmal demonstrieren oder nicht oder irgendwo in Alaska eine Wurst knackt, ist nicht von größter Relevanz. All die „Impf-Skeptiker“, Verschwörungsliebhaber, „Gates-Kritiker“ und „Freiheitlichen“ hatten ja in den vergangenen Monaten jede Freiheit gehabt, ihren Meinungen Ausdruck zu verleihen – ebenso wurde ihnen seit Monaten durch die Fakten eines jeden Tages vorgehalten, wie falsch sie lagen und liegen. Man täte also gut daran, diese Demo als lästige Begleiterscheinung des Pandemienumgangs in die Fußnoten aufzunehmen. Oder um es arroganter zu formulieren: Man hat ein Recht auf Dummheit.

Andere Demonstrationen gab es übrigens auch. Dass „Black-Lives-Matter“-Demonstranten vor einigen Wochen durch Berlin liefen, ohne sich wirklich um die Masken- und Distanzregeln zu scheren, war überhaupt nicht okay, wurde indes nicht geahndet. Vor dem Gesetz aber sind alle gleich.

Und so liegt AfD-Chef Jörg Meuthen vollkommen richtig, wenn er schreibt: „Es kann nicht sein, dass eine Demo abgesagt wird, weil es da zu Rechtsbrüchen kommen könnte. Recht und Gesetz sind auf einer Demonstration durchzusetzen."

Der tollkühne Pseudomut eines Innensenators

Berlins Innensenator Andreas Geisel von der SPD schoss dazu ein veritables Eigentor, indem er meinte heldenhaft auszustoßen, er sei nicht bereit ein zweites Mal hinzunehmen, dass "Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird".

Ach, Berlin musste schon für manche Idiotie den Kopf hinhalten und hat es überlebt. Und es stimmt zwar, dass für diese Demo Rechtsextremisten vermehrt mobilisieren – aber das ist in erster Linie der Verzweiflung der AfD über ihren miserablen Zustand geschuldet. Die Masse der Demonstrierenden kann nicht wirklich als „Reichsbürger“ oder „Rechtsextremisten“ beschrieben werden. Andere Schimpfwörter fielen mir zwar ein, aber lassen wir das.

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Geisel lässt also den Verdacht aufkommen, er messe mit zweierlei Maß. Dies ist einem Rechtsstaat unwürdig.

Sollen die Verharmloser von Corona ruhig nach Berlin kommen. Hauptsache, sie halten sich an Regeln – sonst soll es Bußgelder hageln wie Pollen im Frühling.

Im Video: Corona-Grenze spaltet einen Ort