Kommentar: Warum der 70. Unabhängigkeitstag Israels ein starker Tag ist

Israelis feiern am Vorabend des Unabhängigkeitstages (Bild: Reuters)
Israelis feiern am Vorabend des Unabhängigkeitstages (Bild: Reuters)

Israel wird 70 – Zeit, innezuhalten und dafür zu danken.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Vor genau einer Woche war ich im polnischen Krakau, da wurde mir wieder einmal vorgeführt, was die Welt an Israel hat. Ich aß in einem Restaurant, da drang Lärm aus dem hinteren Saal. Neugierig schaute ich mir das an – und traf auf 50 Argentinier, die klatschten und sangen.

Es waren Juden aus Buenos Aires, an diesem Tag in Krakau gelandet, gleich mit dem Bus nach Auschwitz gefahren waren und dort den “Marsch der Lebenden” nach Birkenau mitgemacht hatten; alles Menschen aus zweiter und dritter Generation von Holocaust-Überlebenden. “Wir sind hier um nicht zu vergessen und um nicht zu vergeben”, sagte mir einer. Damit brachte er es auf den Punkt.

Er erzählte dann noch, wie stolz er sich gefühlt habe, weil auch Israels Staatspräsident bei der Veranstaltung in Auschwitz dabei gewesen war, “all diese Polizisten aus Israel, die ihn bewachten, die sahen stark aus”. Er selbst wuchs in einer kleinen Familie auf, weil sein Großvater sich mit 16 Jahren allein in den Dreißigern des vorigen Jahrhunderts auf den Weg nach Südamerika gemacht hatte und all seine Verwandten im Völkermord an den Juden verlor.

Ein Feiertag

Israel ist Vieles, aber auch ein Antworte der Stärke, der Ruhe und der Stabilität auf Jahrhunderte währende Diskriminierung und Verfolgung. Weil Juden in ihren Gesellschaften eine Minderheit bildeten, waren sie Sündenböcke für Generationen und Generationen. Israel war eine Reaktion darauf, eine Notwendigkeit und eine Frage der Emanzipation aus der Unterdrückung heraus.

Israelische Soldaten bei der Mittagspause am Mahane-Yehuda-Markt in Jerusalem (Bild: AP Photo/Oded Balilty)
Israelische Soldaten bei der Mittagspause am Mahane-Yehuda-Markt in Jerusalem (Bild: AP Photo/Oded Balilty)

Daher ist dieser Tag ein Feiertag. War Israel anfangs ein Experiment, ein Projekt, steht das Land heute als ein Staat und als eine faszinierend kulturreiche Gesellschaft da, als eine Nation mit all ihren Alltagssorgen und Glücksmomenten. Wer durch die Straßen einer israelischen Stadt geht, und es muss nicht immer Tel Aviv oder Jerusalem sein, sieht nichts Konstruiertes, nichts Künstliches, sondern gewachsene Strukturen und natürlichen Zusammenhalt.

Dies mag auf den ersten Blick eine schlechte Nachricht für die Palästinenser sein, auf deren Kosten dieser Staat gegründet wurde. Sie wurden verfolgt, ihnen wurde Land genommen, sie leben nicht als mit Juden gleichberechtigte Menschen in der Region. Auf den zweiten Blick ist aber nur zu wünschen, dass die positiven Kräfte, die dieser 70 Jahre alte Staat entfaltet hat, sich auf alle, jüdische Israelis, arabische Israelis und die Palästinenser in Westbank und Gaza überträgt.

Israel ist zu wünschen, dass bald die Suche nach Verständigung beginnt. Dass die Ängste auf beiden Seiten abnehmen, die Überheblichkeit und die Missgunst. Gemeinsam könnte dies ein noch großartigeres Land sein. Es ist ungerecht und lohnt im Übrigen auch nicht, Kontrolle über Menschen auszuüben und ihnen Rechte zu verwehren – denn eine Lösung ist hierbei langfristig nicht zu erkennen. Israelis und Palästinenser können sich vielmehr gegenseitig bereichern.

Es ging auch immer um eine Vision

Doch die Frage von Freiheit und Gerechtigkeit für jüdische Israelis und Palästinenser ist keine, die heute das Feiern des 70. Unabhängigkeitstag bedrückt. Die damalige Gründung Israels war kein koloniales Abenteuer mit Lineal und Stempel, sondern ein natürlicher Prozess in Reaktion auf die Verletzung von Werten. Aber längst nicht nur: Es ging auch um die Vision FÜR etwas, nicht nur um eine Antwort GEGEN etwas. Es ging um ein friedliches und solidarisches Miteinander, um das Ausprobieren moderner Lebensformen.

Israelische Araberinnen feiern Eid al-Adha in Jaffa (Bild: AP Photo/Oded Balilty)
Israelische Araberinnen feiern Eid al-Adha in Jaffa (Bild: AP Photo/Oded Balilty)

Diese Werte stehen immer wieder zur Diskussion. Wie das Experiment eines arabischen Israelis vor kurzem in Berlin zeigte, werden Juden auch heute diskriminiert: Er hatte, aus Neugierde, eine jüdische Kippa aufgesetzt und war dann im Prenzlauer Berg von mutmaßlichen Arabern beschimpft und angegriffen worden. Antisemitismus in seinen vielfältigen Formen ist eine Schattenseite der Menschheit.

Doch allen mit einem Knacks in Bezug auf Juden sei gesagt: Israel ist da, ein stinknormaler Staat, da diskutiert man, wie in Deutschland, über eine Reform der Krankenversicherung, den Ausbau des Internets oder ob die Fußballnationalmannschaft nun in der Krise steckt oder nicht. Fahrt hin und schaut es euch an.