Kommentar: Warum die Grundrente eine gute Sache ist

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat die Grundrente durchgesetzt (Bild: REUTERS/Annegret Hilse)
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat die Grundrente durchgesetzt (Bild: REUTERS/Annegret Hilse)

Die Bundesregierung liefert: Geringverdiener kriegen ihre Rente aufgestockt. Darüber meckern viele – dennoch geht der Schritt in die richtige Richtung.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Im Bundesarbeitsministerium wird man ordentlich gefeiert haben. Nicht anders ist zu verstehen, warum die Behörde eine Anzeigenkampagne viral gehen ließ – mit dem Slogan „Prost Alter“ samt schwingenden Bierkrügen; dass die sowas mit ihren Kollegen vom Gesundheitsministerium abgesprochen haben, glaube ich nicht. Aber das Kabinett hat halt eine Initiative abgesegnet, an der die Leute von der „Arbeit“ monatelang gefeilt haben und über die sie nun jubeln: die Grundrente.

Sie bedeutet, dass Geringverdiener im Alter mehr Geld kriegen. Wer nach 35 Jahren eine Rente von 462 Euro im Monat erzielt hat, soll zusätzlich eine Grundrente von 404 Euro erhalten, zusammen wären dies 866 Euro. Bei einer monatlichen Rente von 600 Euro beträgt die Grundrente noch 284 Euro, ab einem Betrag von 925 Euro gibt es sie nicht mehr.

Das klingt doch nicht schlecht. Und dennoch ist interessant, wie viel an der von Schwarz-Rot beschlossenen Grundrente kritisiert wird.

Da heißt es: Je größer die Lebensleistung, desto niedriger also die Grundrente. Denn wer auf eine Rente von 800 bis 900 Euro kommt, und das ist nicht gerade berauschend viel, der geht leer aus. Ungerecht sei das, wird gewarnt. Und möglicherweise gleich ein Anreiz weniger zu arbeiten.

Hintergrund: So funktioniert die Grundrente

Ferner wird moniert: Ehen würden schlechter gestellt, denn bei Verheirateten wird das Einkommen der Lebenspartner mit eingerechnet und bei Nichtverheirateten nicht. Auch wird bei der Berechnung der Rentenjahre nicht darauf geschaut, ob jemand in Teilzeit oder in Vollzeit gearbeitet hat – ebenfalls ungerecht.

Dann gibt es noch hohe Verwaltungskosten für die Einkommensprüfung, welche die Union in den Verhandlungen durchgesetzt hat. Und schließlich wird gerufen: Ein wirksames Mittel gegen Altersarmut sei die Grundrente nicht, denn die wirklich armen Leute haben nicht 35 Jahre lang, wie auch immer, in die Rente eingezahlt.

Die Einwände stimmen alle. Und trotzdem zielen sie ins Leere. Denn an der Grundrente wird kritisiert, was sie gar nicht leisten will.

Und was wäre, wenn…?

Ein Gesetz muss nicht gerecht sein, um ein gutes Gesetz zu sein. Sie wirkt nicht gegen Altersarmut? Nun, dann kann an anderer Stelle dagegen gekämpft werden. Teilzeit wird gegenüber Vollzeit übervorteilt? Tja, das ist lediglich ein Eingeständnis gegenüber den Berufsrealitäten; es gibt eben immer mehr Teilzeit wie auch befristete Jobs. Überhaupt überzeugen mich diese „Gerechtigkeits“-Argumente kaum: Von dieser Grundrente profitieren Leute, die bisher wenig haben, obwohl sie immer arbeiteten. Wenn nun jemand davon nicht profitiert, kann er anderen Mitbürgern, die schlechter gestellt sind, das doch gönnen. Wessen Rente bei 900 Euro liegt, könnte sich von diesem Geld auch nicht mehr kaufen, wenn sein Nachbar mit niedrigerer Rente diese Grundrente nicht bezöge.

Grundrente: Unionspolitiker spricht sich für gestaffelten Start aus

Und Verwaltungskosten sind tatsächlich beklagenswert, aber lasst uns dankbar sein für eine funktionierende Bürokratie; zig Beispiele weltweit zeigen uns, dass die Menschen in Ländern mit wenig bis gar keiner Bürokratie viel schlechter gestellt sind. Denn Verwaltung garantiert Verlässlichkeit, und diese wiederum schafft Wachstum und Jobs. Dass nun Ehen schlechter gestellt sind, meine Güte. Daran könnte vielleicht noch gearbeitet werden – oder man schafft alle Steuervorteile der Ehe ganz ab. Diese sind ungerecht und fördern übrigens die Schlechterstellung von Frauen, indem sie Nichtarbeit „belohnen“. Und dass Leute denken, in Aussicht einer höheren Grundrente weniger zu arbeiten, glaube ich niemals: Im Alter nimmt man jeden Cent und tut, was man kann.

Die Grundrente will nicht die Welt retten

Daher ist es müßig nun aufzuzählen, was die Grundrente alles nicht leistet. Sie ist nur ein kleiner Baustein. Einer, der in der Zukunft den heute jungen Menschen mehr kosten wird. Und das in einem Umfeld, welches den heute Jungen garantiert eine schlechtere Rente bescheren wird, als man es derzeit bezieht. Aber auch dieses Problem ist nicht erst durch die Grundrente entstanden. Umso wichtiger also, dass die Bemühungen der SPD aufgehen, endlich eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, um die Grundrente zu finanzieren.

Der Beschluss der Bundesregierung zeigt: Während über Politikverdrossenheit und Parteien gejammert wird, arbeitet die Große Koalition ihre Agenda ab. Sie funktioniert.