Kommentar: Warum Duda vor der Polen-Wahl antideutsche Töne anschlug

Polens Präsident Andrzej Duda spricht zur Presse. (Bild: REUTERS/Aleksandra Szmigiel)
Polens Präsident Andrzej Duda spricht zur Presse. (Bild: REUTERS/Aleksandra Szmigiel)

Der Präsident wurde im Amt bestätigt. Am Ende setzte er auf billigen Hass von der Grabbeltheke. Was hat das mit seinen Nachbarn zu tun?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Sollte Andrzej Duda heute in deutschen Zeitungen blättern, wird er wieder etwas zum Ärgern haben. Alles nur kritische Anmerkungen zu seinem Wahlsieg, kein gutes Wort. Seht ihr, wird er seinem Beraterstab wohl zuraunen, hab ich doch gewusst.

Der altneue Präsident Polens und seine westlichen Nachbarn, das ist keine offizielle Lovestory. Wir brauchen uns zwar. Aber leider auch zur Pflege unserer Ressentiments.

Über Dudas erneuten Sieg als Vertreter der regierenden Partei PiS lässt sich nun nichts Gutes vermelden. Duda steht nicht einfach für einen Konservatismus voller Traditionen und Frömmigkeit, damit ließe sich leben. Die PiS aber baut den Staat längst um und damit wichtige Elemente der Demokratie ab: Ihre Funktionäre lieben die Macht um der Macht Willen, es geht ihnen nicht um Werte, sondern dass sie tun können, wonach ihnen beliebt. Sie wollen Kontrolle und Manipulation – daher ihre inhaltliche Übernahme wichtiger Medien, das Sägen an der Unabhängigkeit der Gerichte und das Beschneiden von Rechten der oppositionellen Abgeordneten im Parlament. Wer dies kritisiert, wird an den patriotischen Pranger gestellt, wird dann im Staatsfernsehen als „vaterlandsloser Feind des Polentums“ beschimpft: eine herrlich-dumme Phrase, die ihren Nationalismus als pure Hilflosigkeit entlarvt; wenn die Argumente fehlen, wird Höheres wie die Nation bemüht. Aber das kennen wir auch hierzulande, die AfD operiert nicht anders.

Bekanntes Patriotenpuder

Duda wird sich also in seiner Zeitungslektüre bestätigt sehen, aber nichts anderes sucht er. Die EZ bezeichnete er als „imaginäre Gemeinschaft“, und die Kritik der EU-Kommission am Gebaren der Regierung in Warschau die Richter zu schwächen konterte er mit: "Man wird uns nicht in Fremdsprachen belehren, was wir zu tun haben.“

Das ist doppelt tragisch. Denn zum Einen sind Fremdsprachen super. Sie zu beherrschen ist eine Bereicherung, und niemand wird das bestreiten, nicht einmal Nationalisten. Zum Anderen aber ist es tragisch, weil Polen mit den Fremdsprachen, den nahen, viel besser aufgestellt sind als wir Deutsche.

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Wie viele polnische Schulen gibt es, Richtung Grenze, die Deutsch als Unterrichtsfach unterrichten? Und wie viele Schulen in Deutschland haben Polnisch im Angebot? Es offenbart sich ein krasses Missverhältnis – Polen können viel besser Deutsch als Deutsche Polnisch, und das hat nicht nur mit Wirtschaftsmigration zu tun, sondern ist auch eine Frage des Interesses.

Duda hat in seinem Wahlkampf antideutsche Töne gespielt. Er sprach von einem „nächsten deutschen Angriff in diesen Wahlen“, weil ein Boulevardblatt im Teilbesitz des Springer-Verlags eine Regierungspraktik kritisierte. Und den Korrespondenten der „Welt“ nannte er persönlich in einer Rede. Nicht genug des Peinlichen, bestellte das Außenministerium dann den deutschen Botschafter ein und beschwerte sich über eine „Serie von Artikeln in deutschen Medien, die mit Manipulationen und Lügen arbeitet“. Merke: Wenn man sich schon daneben benimmt, dann aber richtig.

Was hat das mit uns zu tun?

Dudas antideutsche Töne sind ungerecht und unfair. Aber sie haben eine Basis, über die wir reden sollten. Und da sind wir wieder bei den Fremdsprachenkenntnissen und beim Interesse. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Polen ist vielschichtig, kennt aber auch Herablassung. In Deutschland meint man auf Polen herabschauen zu können, weil man die härtere Währung in der Tasche hat, als habe man sie persönlich geschmiedet. In Deutschland wird weniger hingeschaut, was in Polen an Kultur gelebt wird – und das liegt nicht daran, dass es dort weniger gäbe. Und schließlich zeigen wir ein demonstratives Desinteresse, weil nicht vergessen gemacht werden kann, wie mies Deutschland seinen östlichen Nachbarn 1939 angriff und das Land einem Terrorregime unterwarf, Millionen Menschen mordete. Polen wehrten sich dagegen, am Ende waren es polnische Soldaten gewesen, die in der Schlacht um Berlin 1945 als einzige Kämpfer außerhalb der Roten Armee die letzten Straßen freikämpften und die Deutschen mit befreiten. Wer erzählt diese Geschichten in deutschen Schulen und in deutschen Kneipen?

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Daher verwundert es nicht, wenn ein Typ wie Duda von einem „nächsten deutschen Angriff“ redet – wir alle wissen, was der erste gewesen war. Es ist viel mehr nachvollziehbar als das irre Gerede gegen Menschen, die homosexuell lieben: Groll gegen Deutsche hat einen realistischen Untergrund, aber Regionen in Polen zu Zonen zu erklären, die „frei“ von homosexueller Liebe seien, ist schon beeindruckend dämliche und bösartige Phantasterei.

Die Wahl Dudas ist erstmal tragisch für Polen. Was seine gegen Deutsche gerichteten Töne angeht, können wir dies auch nicht ändern. Aber an die eigene Nase fassen können wir uns schon.

Im Video: Polnischer Präsident Duda bleibt im Amt