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Kommentar: Warum Gabriel nicht Außenminister bleiben kann

Sigmar Gabriels jüngste Schachzüge sind auch in der SPD hochumstritten (Bild: AFP Photo/Odd Andersen)
Sigmar Gabriels jüngste Schachzüge sind auch in der SPD hochumstritten (Bild: AFP Photo/Odd Andersen)

Der SPD-Grande will im Amt bleiben – doch dagegen spricht einfach zu viel.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Sigmar Gabriel ist ein Tausendsassa, der fühlt sich überall wohl. Als ihn seine Partei vor vielen Jahren einmal verhöhnte und ihn, sozusagen sein Tiefpunkt in der Karriere, zum Pop-Beauftragten machte, absolvierte er auch diese Aufgabe ernst- und gewissenhaft. Keine Frage, dass das Amt des Außenministers für einen wie ihn auf den Leib geschneidert ist – und dieses Kleid gäbe Gabriel in diesen Tagen nur ungern her.

Im Schatten der Volten eines Martin Schulz, der mal Minister sein will und dann wieder nicht, wirkt Gabriel wie eine Hausratsversicherung, auf ihn ist halt Verlass. Und doch wird er wahrscheinlich sein Amt bald verlieren. Dabei spielen Vorwürfe eine Rolle, die streng genommen nicht gegen Gabriel sprechen.

Da wird der Niedersachse dafür kritisiert, sich mit seiner Wortwahl unmöglich gegenüber Schulz verhalten zu haben. Hätte er, heißt es, nicht der Funke-Mediengruppe in seiner Enttäuschung darüber, dass Schulz ihm den Ressortposten ausspannen wollte, jene verhängnisvolle Stellungnahme zugeschickt, in der er den Noch-Parteichef über seine Tochter als „Mann mit Haaren im Gesicht“ bezeichnet, ja dann hätte er Chancen, im Amt zu bleiben. Hätte, hätte Fahrradkette.

Gabriels Wortwahl war unmöglich, aber keine verbale rote Karte. In der Politik wird mit harten Bandagen gespielt, und über den Tochterspruch wird Schulz, der über genügend innere Größe verfügt, nur geschmunzelt haben. Und dennoch werden nun in der SPD Krokodilstränen vergossen, ob der angeblich schlimmen Beleidigung. Dieses Gejammer indes soll nur von wahren Motiven ablenken, nämlich, dass die gesamte Führungsspitze der SPD unleidliche Erfahrungen in der Arbeit mit Gabriel gesammelt hat: Der frühere Parteichef teilt gern aus, schlägt selbst Volten und lässt andere dann dafür schwitzen, wenn sie seine Scherben auflesen müssen. Gabriel ist kein Teamplayer.

Das Mimimi der SPD

Aber, Hand aufs Herz: Wäre auch dies tatsächlich ein Grund, einen wie ihn aus dem Kabinett zu kegeln? Ja, er torpedierte den Wahlkampf von Schulz mit nervenden internen Vorschlägen und äußeren Auftritten, die ihm die Schau stehlen sollten. Ja, Gabriel sieht nur wenige, die ihm das Wasser reichen können, und er sollte deswegen einen Augenarzt konsultieren. Aber Gabriel ist halt ein Instinktpolitiker, ein Mensch, der auch mit Gefühlen Politik betreibt. Wären alle so wie er, hieße das die Hölle. Wäre keiner so wie er, nannte man dies eine Wüste.

Den Machtkampf mit Martin Schulz hat Gabriel für sich entschieden, die Rechnung zahlt die SPD (Bild: REUTERS/Thilo Schmuelgen)
Den Machtkampf mit Martin Schulz hat Gabriel für sich entschieden, die Rechnung zahlt die SPD (Bild: REUTERS/Thilo Schmuelgen)

Jemand wie Gabriel wird gebraucht, so komisch maskulin selbstbewusst er auch ist. Nur Außenminister sollte er nicht sein.

Gabriel saß einem großen Irrtum auf, als er in seinem Wutbrief an die Funke-Mediengruppe schrieb: „Ich habe das Amt des Außenministers gern und in den Augen der Bevölkerung offenbar auch ganz gut und erfolgreich gemacht. Und da ist es ja klar, dass ich bedauere, dass diese öffentliche Wertschätzung meiner Arbeit der neuen SPD-Führung herzlich egal war.“

Nun, die Beliebtheitswerte Gabriels waren in seinem einen Jahr als Außenminister in Höhe gestiegen. Die Gründe dafür aber schmeicheln wenig. Zum einen waren diese Werte bei ihm im Keller, bevor er das Amt übernahm; Umfragen sind eine weiche Währung, wenn es darum geht Politik wirklich zu beurteilen. Zum anderen ist es verdammt schwer, in diesem Amt keine gute Figur zu machen. Der Anspruch der in den Umfragen Angesprochenen an diesen Ministerjob beschränkt sich darauf, kluge Reden zu halten, wichtig dreinzublicken und Autorität auszustrahlen, man vertritt ja ein Land. All das kann Gabriel bestens. Aber bei der wirklichen Qualifikation sieht es anders aus.

Eine Frage der Haltung

Gabriel scheinen im Zweifel die Werte davongaloppiert zu sein. Als Umweltminister kämpfte er noch für Rettung und Wahrung von Natur, als Wirtschaftsminister vergaß er dies komplett. Und als Außenminister verlor er sich in strategischem Denken. Seine ministerielle Bilanz bei der Reduzierung von Rüstungsexporten: lächerlich. Sein Umgang mit den Diktatoren dieser Welt: blamabel. Noch als Wirtschaftsminister umsäuselte er im April 2016 Ägyptens Präsidenten al-Sisi als „beeindruckend“ und meinte tatsächlich, das Land sei dabei, sich „Schritt für Schritt“ zu demokratisieren.

Schon damals war klar, dass Gabriel es mit der Diplomatie besser lassen sollte. Schon damals rannte Ägypten im Sprint in die Festigung einer Militärdiktatur, welche die zarten Pflanzen der Demokratisierung nach dem Arabischen Frühling 2011 ausriss und sich dafür von Gabriel Lob abholte. Auch andere nahöstliche Potentaten werden von Gabriel mit einer Nachsicht behandelt, die mit einem guten Gewissen nicht zu vereinen ist.

Sigmar Gabriel inszeniert seine Beziehung zum türkischen Amtskollegen Mevlut Cavusoglu als Männerfreundschaft – die nötige Kritik kommt für viele dabei zu kurz (Bild: AP Photo/Burhan Ozbilici)
Sigmar Gabriel inszeniert seine Beziehung zum türkischen Amtskollegen Mevlut Cavusoglu als Männerfreundschaft – die nötige Kritik kommt für viele dabei zu kurz (Bild: AP Photo/Burhan Ozbilici)

Da wäre Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu nennen, der angesichts des Unrechts, welches seine Bevölkerung wegen der israelischen Regierungspolitik zu erleiden hat, schalten und walten kann, wie er will: Da verliert Gabriel kein kritisches Wort ob des undemokratischen Gebarens; man braucht Abbas halt, um überhaupt einen Ansprechpartner zu haben. Oder Recep Tayyip Erdogan: Zuerst reagierte Gabriel auf die persönlichen Beleidigungen durch den türkischen Präsidenten selbst persönlich, zeigte sich dünnhäutig – nur um dann auf Männerebene Teetrinken mit seinem türkischen Amtskollegen im heimischen Goslar zu zelebrieren, während in Ankara die Regierung ihre Kriegspläne in Nordsyrien entrollte.

Denkt Gabriel, er könnte auf hormoneller Ebene bei solchen Typen mehr bewegen? Und was ist mit den Scheichs in Bahrain, in Katar und in den Vereinigten Arabischen Emiraten? Oder was entgegnet er dem saudischen Königshaus? Gabriel wagte einen Schritt nach vorn, indem er Riad „Abenteurertum“ bescheinigte, ohne die Machthaber beim Namen zu nennen, nur um zwei Schritte wieder zurück zu tänzeln. Was unternimmt Gabriel angesichts der unglaublichen Katastrophe im Jemen, maßgeblich herbeigeführt durch den „strategischen Partner“ des Auswärtigen Amts, eben Saudi-Arabien?

Nein, Gabriel eignet sich nicht als Außenminister. Er sollte zuerst seinen inneren ethischen Kompass wiederfinden. Dann würde man ihn sicher wieder brauchen, wo auch immer.

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