Kommentar: Warum uns Rosa Luxemburg noch heute inspiriert

Nelken zum Gedenken an Rosa Luxemburg. Der Tod der Politikerin jährt sich zum 100. Mal. (Bild: Getty Images)
Nelken zum Gedenken an Rosa Luxemburg. Der Tod der Politikerin jährt sich zum 100. Mal. (Bild: Getty Images)

Vor hundert Jahren wurde die Politikerin in Berlin ermordet. Damals starben viele. Aber sie blieb in Erinnerung: Als eine Frau, die populär war, ohne Populistin zu sein.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Rosa Luxemburg trendet in diesen Tagen massiv. Das liegt nicht nur am geschichtsträchtigen Datum ihres 100. Todestages. Etwas flirrt in der Luft, wenn von ihr die Rede ist. Selbst nach so langer Zeit sind sich die Deutschen nicht einig, wer diese Frau eigentlich war. Aber immer mehr kristallisiert sich heraus: Rosa Luxemburg war ein Vorbild.

Wir lieben gerade Schablonen. Die Debatten sind schärfer geworden, man sucht mehr Abgrenzung. Da verwirrt jemand wie Luxemburg. Denn jede Schublade war bisher für sie zu groß.

Die Politikerin wurde 47 Jahre alt, dann warfen sie Soldaten eines Freikorps, die Vorstufe der Nazis, 1919 in den Berliner Landwehrkanal. Vorher hatte man sie für vogelfrei erklärt, Flugblätter kursierten mit dem Aufruf: Schlagt sie tot. War sie damals eine “Vaterlandsverräterin”, wie damals die Rechte ihr vorwarf?

Großer Trauerzug: Tausende Menschen bei Gedenken an Luxemburg und Liebknecht

Sie konnte mit vielen

Nein, sie wollte die Menschen retten, ihnen Würde angedeihen lassen, und Freiheit. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs verzweifelte Luxemburg über ihre SPD, weil die Partei den Kriegskrediten zugestimmt hatte und somit den Weg für den sinnlosen und grausamen Krieg ebnete, der dem “Vaterland” nicht gerade gut tat. Luxemburg engagierte sich in der abgespalteten USPD – und als der Krieg endlich vorbei war, der Kaiser endlich abgehauen, da stritt sie für möglichst viel Freiheit und Würde der bis dahin immer noch diskriminierten Arbeiter, eben der kleinen Leute.

Und sie tat das auf eine faszinierende Weise. Wo sie auftrat, hörte man ihr zu. Sie konnte ihr Interesse und ihre politische Leidenschaft andere spüren lassen. Man konnte ihr zuhören, weil sie eindringlich sprach. Man verstand sie. Auch in bürgerlichen bis rechten Kreisen überraschte sie. Man musste nicht mit ihr einer Meinung sein, aber dass in ihr das Gute im Menschen stark schimmerte, die Hingabe für humanistische Werte, für Bildung, für Respekt vor anderen – das leuchtete sofort ein.

Ein Blick in die Geschichte: Das geschah am 15. Januar

Daher hatte sie so viele Freunde wie Feinde. Auch bei den Linken eckte sie an, denn Luxemburg agierte undogmatisch. In den Wirren der Novemberrevolution war sie gegen einen Putsch, gegen eine Bewaffnung der Arbeiter. Sie wollte keine Revolution “machen” und misstraute jenem, dass in Russland gerade geschah. Klar ist, dass sie eine Herrschaft wie die Stalins nie überlebt hätte, sie wäre als eine der ersten in den Gulag geschickt worden. Hätte sie in der DDR gelebt, wäre sie in heftige Opposition gegangen. Nur als Tote konnte sie von der SED-Diktatur in den Mittelpunkt vieler Ehrungen gestellt werden.

Politikerin und Vorbild: Rosa Luxemburg starb am 15. Januar 1919. (Bild: Getty Images/Universal History Archive)
Politikerin und Vorbild: Rosa Luxemburg starb am 15. Januar 1919. (Bild: Getty Images/Universal History Archive)

Immun gegen den Nationalismus

Daher reden wir heute so viel von ihr: Sie war populär, ohne populistisch zu reden. Sie hatte politischen Erfolg, ohne den auf Kosten anderer zu bauen. Sie sprach sich unbeirrt gegen jeden Nationalismus aus, eine Krankheit, die bis heute wuchert. Damit ist sie Inspiration bis heute. Man stelle sich vor, wie sie heute mit der SPD-Führung diskutieren würde, was sie einem AfD-Politiker wie Alexander Gauland entgegnete. Lagerdenken war ihr fremd. Sie verband mehr, als sie trennte.

Daher verwundert nicht, dass man heute fast nur über sie spricht, und weniger über Karl Liebknecht, ihren politischen Gefährten, der wie sie für vogelfrei erklärt wurde und wie sie ermordet wurde. Rosa Luxemburg trendet. Das sagt zweierlei: Zum einen drückt es einen Bedarf aus, den die heutigen Politiker nicht stillen. Und zum anderen hat uns Luxemburg ein Ziel formuliert, das nach wie vor erreichbar ist, wenn wir die erste Bedingung erfüllen – und das ist ein Satz, der allein sie berühmt gemacht hätte: Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.

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