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Kommentar: Was der FC Bayern München mit Moria zu tun hat

Eng beieinander, ohne Abstand: Die Führungsriege des FC Bayern München. (Bild: dpa)
Eng beieinander, ohne Abstand: Die Führungsriege des FC Bayern München. (Bild: dpa)

Die Führungsriege des Fußballklubs kassiert gerade Häme – als würden wir alle es besser machen. Das erinnert an unseren Umgang mit einer griechischen Insel.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Zugegeben, die Bosse des FC Bayern München sahen schon ein bisschen komisch aus, wie kleine Jungs, die nicht wissen, was sie tun: Gerade freuten sie sich über ein Tor nach dem anderen, das ihre Mannschaft schoss – und einen Tag später sind sie die Deppen der Nation. Von wegen Abstand zueinander und Maske eh nicht. Da zürnte zurecht Bayerns Gesundheitsministerin. Es gibt durchaus eine Vorbildrolle.

Kein Wunder also, dass diese Riege eine Portion Spott abbekommt. Dass diese Tüte jedoch nun XXL-Maße annimmt, stimmt nachdenklich.

Die Manager und wer sonst noch bei den Roten oben sitzt, kriegen gerade nicht nur ihr Fett weg, sie sind Ziel von Häme. Jeder erhebt sich über sie.

Da stellt sich mir die Frage, wie wir alle es denn persönlich mit Abstand und Maske halten. Im Fußball ist Befangenheit alles, daher: Ein Bayern-Fan bin ich nicht. Dennoch halte ich die „Kritik“ an ihrem Sitzverhalten mittlerweile für übertrieben.

Der Balken im eigenen Auge

Wie stellen wir uns bei einer roten Ampel auf, wenn wir zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind? Gehen wir im Supermarkt zur Seite oder denken wir: Ach, an dem komme ich schon vorbei, notfalls halte ich die Luft an? Umarmen wir mittlerweile alte Freunde, die wir lange nicht mehr gesehen haben?

Ich finde ja: Das sollten wir alles noch nicht tun. Kann man noch darauf verzichten. Im Gegenteil, ich finde es direkt albern, wenn AfD-Abgeordnete zum Beispiel krampfhaft einem bei der Begrüßung die Hand hinhalten, um dann ein noch bemühteres Erstaunen vorzugaukeln, wenn man ihnen den Elbow-Check anbietet. Und die Fußballentourage ist für ihr Verhalten auf der Bühne zu kritisieren. Aber so?

Irgendwie muss Friedrich Merz ja in die Schlagzeilen kommen. (Bild: Lukas Schulze/Getty Images)
Irgendwie muss Friedrich Merz ja in die Schlagzeilen kommen. (Bild: Lukas Schulze/Getty Images)

Einer marschiert voran, und damit zeigt Friedrich Merz nur seine mit Überheblichkeit gepaarte Verzweiflung: „Mein Gedanke, bei dem, was ich da gesehen habe: Dummheit oder Arroganz“, stellte der Aspirant auf den CDU-Vorsitz fest. Merz will alles, bloß nicht als dumm gelten. Und dass er diese Worte beim „Bild“-Talk aussprach, welcher sich als Logo „Die richtigen Fragen“ gibt, für diese Arroganz der Kollegen kann Merz nichts. Aber auf Fußballmanager draufzuhauen, die an Stammtischen gern rasch als raffgierig und abgehoben abgefertigt werden, ist eine billige Nummer. Die ganz obere Schublade des Populismus. Irgendwie muss Merz ja in die Schlagzeilen kommen. Gut sieht es für seine Kandidatur nicht aus, da kann Kerniges nicht schaden.

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Mir scheint, als wollten viele Oberkritiker der Bayern-Manager selbst eine Art Abstand wahren, als wollten sie nichts mit irgendwelchen ausgemachten „Eliten“ zu tun haben, ohne sich selbst nach ihrer Verantwortung zu fragen. Zu letzterer halten sie nämlich tatsächlich einen Abstand ein. Heißt: Wir machen uns über Hoeneß & Co lustig, versagen aber selbst genauso. Doch darüber soll niemand reden.

Abstand an der falschen Stelle

Damit kommen wir zu einer Insel im Mittelmeer. Lesbos heißt sie, und dort gibt es ein abgebranntes Lager für Geflüchtete, die dort vegetiert hatten, als würde man ihnen den Menschenstatus nicht anerkennen. Sie vegetieren auch jetzt, in dieser Sekunde. Denn zu denen wollen wir ebenfalls Abstand wahren. Die sollen schön bleiben, wo zwar nicht der Pfeffer wächst, aber zumindest die Olive. Auch bei den Geflüchteten von Moria nehmen wir unsere Verantwortung nicht wahr.

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Kein Zufall ist es sicherlich, dass Merz auch in dieser Angelegenheit vorneweg marschiert. In der Diskussion um eine Aufnahme von Menschen aus dieser Misere von Moria warnt er vor einem „Überbietungswettbewerb“, als handele es sich um Waren. Verhält sich irgendjemand in dieser Angelegenheit, als wären wir bei Sotheby’s? Meiner Meinung nach eignet sich „Überbietungswettbewerb“ als Unwort des Jahres 2020. Und Merz wenig für ein hohes Amt.

Währenddessen attestiert er den griechischen Behörden, sie hielten sich „an diese Regeln“. Wie diese aussehen, verrät er nicht. Merz übergeht schlicht den Fakt, dass die griechischen Behörden jahrelang die bei ihnen angelandeten Geflüchteten in überfüllten Lagern isolieren und sie nicht behandeln, wie man einen Menschen behandelt. Aber Merz sieht eine Regelerfüllung. Dass er mal sich nicht überbietet in seinem Wettbewerb ums höchste politische Parteiamt.

Im Video: Geflüchtete auf Lesbos fürchten neues Lager