Kommentar: Was die Europawahl-Ergebnisse für die politische Zukunft Deutschlands bedeuten

Die Grünen sind die großen Gewinner der Europawahl 2019. (Bild: Adam Berry/Getty Images)
Die Grünen sind die großen Gewinner der Europawahl 2019. (Bild: Adam Berry/Getty Images)

Die oft als Schicksalswahl bezeichnete Europawahl 2019 ist auch ein Indikator für das, was uns in den kommenden Jahren in Deutschland erwartet. Eine Sache scheint dabei sicher: Nach der nächsten Bundestagswahl wird sich die politische Landschaft entscheidend ändern.

Ein Kommentar von Carlos Corbelle

Man muss es mit aller Deutlichkeit sagen: Für Union und SPD sind die Ergebnisse der Europawahl ein Desaster. CDU/CSU sind mit 28,9 Prozent zwar auch bei dieser bundesweiten Wahl stärkste politische Kraft, die Partei hat aber 6,5 Prozent verloren und damit ein historisch schlechtes Ergebnis erzielt. Das gilt auch für die Sozialdemokraten, die sogar 11,5 Prozent einbüßen mussten und mit gerade mal 15,8 Prozent nur noch an dritter Stelle rangieren - hinter den Grünen.

Sensationelle 20,5 Prozent erreichten die Grünen, die damit ein Plus von 9,8 Prozent verzeichnen und die ganz großen Gewinner dieser Wahl sind. Vor allem bei den jüngeren Wählern sind sie die Partei der Stunde: Bei den Wählern unter 25 Jahren sind sie mit 34 Prozent sogar die klar stärkste Partei. Ein Hauptgrund für das starke Abschneiden ist natürlich die öffentliche Debatte um den Klimawandel, die in den letzten Monaten - nicht zuletzt dank der “Fridays for Future”-Schülerproteste - so dringlich wie nie geführt wurde. Während die ökologische Frage seit jeher die Kernkompetenz der Grünen ist, versuchten andere Parteien notgedrungen auf den Öko-Zug aufzuspringen. Mit wenig Erfolg.

Europawahl 2019 erlaubt Blick in die Zukunft

Doch was heißt das für die politische Zukunft der Parteien in Deutschland? Zum einen zementiert die Europawahl den endgültigen Niedergang der Großen Koalition. Union und SPD werden bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr die erforderliche Mehrheit haben, zumal es sich die Sozialdemokraten ohnehin kein weiteres Mal leisten können, Teil des Auslaufsmodells GroKo zu werden.

Zum anderen zeigt es, dass die Zeit der Grünen gekommen ist, eine Kanzlerkandidatin oder einen Kanzlerkandidaten zu stellen, mit denen zu rechnen wäre - falls sie es bis dahin schaffen, sich gemeinsam mit SPD und Linke als tatsächliche links-ökologische Alternative zu positionieren statt in einer ebenfalls denkbaren Jamaika-Koalition für den Machterhalt der Konservativen zu sorgen. Wozu letzteres auf Dauer führen kann, zeigt sich an der SPD, die an der Seite der Union zunehmend an Profil verloren hat.

Natürlich wäre eine solche Koalition kein einfaches Unterfangen, zumal die Sozialdemokraten eine Erneuerung in der Opposition anstreben könnten, statt sich auf eine erneute Regierungsbeteiligung einzulassen. Grüne, SPD und Linke müssten sich auf Bundesebene auf die Gemeinsamkeiten besinnen, dann wäre eine rot-rot-grüne Regierung unter einer grünen Kanzlerin oder einem grünen Kanzler möglich. Mit einem solchen Bündnis, sofern es vernünftige Antworten auf die sozialen und ökologischen Probleme bietet, könnte Deutschland in Europa ein linkes Gegengewicht zum rechten, nationalistischen Spuk bilden, der den Kontinent durch Parteien wie die AfD, den französischen Rassemblement National und die italienische Lega wohl leider auch in den nächsten Jahren noch heimsuchen wird.