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Kommentar: Was haben Dönerbuden mit Testzentren zu tun?

Das ist ein Testzentrum auf das Coronavirus: Ein Mädchen beim United Memorial Medical Center in Houston, Texas (Bild: REUTERS/Callaghan O'Hare)
Das ist ein Testzentrum auf das Coronavirus: Ein Mädchen beim United Memorial Medical Center in Houston, Texas (Bild: REUTERS/Callaghan O'Hare)

Natürlich nichts. Aber eine komische Schlagzeile im „Tagesspiegel“ offenbarte, wie leicht man stigmatisiert.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Nur für wenige Stunden stand im liberalen Berliner „Tagesspiegel“ eine komische Überschrift: „Jede Dönerbude kriegt ein Zertifikat“ hieß es – ein Zitat aus dem Text, von einem Testzentrenbetreiber. Es ging um den wirklich aufregenden Umstand, dass es wohl eine Menge Testzentren auf den Corona-Virus gibt, die nicht genaue Daten darüber übermitteln, wie viel sie tatsächlich getestet haben: dass sie also betrügen. Dass sie abrechnen, was sie gar nicht getan haben. Skandalös ist auch, dass die Behörden nicht genau kontrollieren, bei allem Positiven, dass es so viele Testzentren gibt.

Doch was haben Dönerbuden damit zu tun? Der Journalist Mohamed Amjahid hat sich das näher angeschaut. „Auf der Seite test-to-go.berlin sind alle Testzentren in Berlin aufgelistet“, schreibt er. „Beim Scrollen und Suchen auf der Seite habe ich keine Dönerbuden gefunden, die zertifizierte Corona-Tests anbieten.“

Was bleibt denn bei Euch Lesern hängen, wenn Ihr solch einen Satz mit „Dönerbuden“ und „Zertifikat“ lest? Ich denke: Damit wollte der Zitierte sagen, dass viele Türken in dieser Testerei, auch gern im Betrügen, einen Reibach sehen. Und ich denke ferner: Damit wollte er sagen, dass wenn selbst die Betreiber von Döner-Imbissen es auf die Reihe kriegen, ein Zertifikat vom Staat zu erhalten – dann kann ja etwas nicht stimmen. Es ist nun so, dass nicht viele Deutsche in vierter Generation Döner zubereiten und verkaufen, es ist mehr ein Privileg der Deutschen erster und zweiter Generation und anderer, die noch nicht Deutsche geworden sind. Wer hier also als „dumm“ oder eben „gerissen“ dargestellt wird, ist der „Ausländer“ an und für sich. Darauf einen Döner.

Wie Gedanken ein Echo finden

Es geht hier nicht um Gedankenpolizei. Auch ein „Man wird doch sagen dürfen“ wird hier nicht thematisiert. Wer nun hysterisch „Political Correctness“ schreit und „linke Hygiene“ mutmaßt, will für sich nur das Recht reklamieren, Mieses über andere Menschen zu sagen. Dabei ist es völlig unerheblich, wie viele Dönerbuden in Testzentren umgewandelt worden sind. Der Inhalt wäre richtig transportiert worden, wenn man von „jeder Imbiss“ oder „jede Ecke“ geschrieben hätte.

Aber erstmal werden Menschen in die Schublade gesteckt. Sie werden eingerahmt und von oben herab rassistisch beschrieben. Die Autoren dieses Textes können sich nicht herausreden, sie hätten doch nur das Zitat eines Anderen benutzt, denn: Dies in die Schlagzeile zu heben ist eine Veredelung. Und die Botschaft wird weitergereicht…

…unabhängig davon, ob es sich um eine Falschinformation handelt oder nicht.

Was man tun kann

Gut also, dass der „Tagesspiegel“ die Überschrift rasch änderte. Man kann halt Fehler eingestehen, sich korrigieren. Man muss dafür keine Asche übers Haupt schütten und sich keine Handschellen von einer Gedankenpolizei ausleihen, um sie sich selbst anzulegen.

Ein bisschen schwachbrüstig finde ich die Twitter-Reaktion eines beteiligten Autors aber schon: „Das Zitat ("Dönerbuden") hätte, zumal bei einem Paywall-Text, nicht in der Überschrift stehen sollen. Das war ein Fehler. Wir haben das nach kurzer Zeit wegen der berechtigten Kritik geändert. Es bleibt ein Zitat im Text, das nicht von den Autor:innen stammt. Danke für die Kritik“

Ich korrigiere mich: Ein bisschen Asche wäre schon nicht schlecht, um die Benutzung eigener Vorurteile einzuräumen. „Fehler“: gut. Der Verweis auf die Paywall: überflüssig. Der Seitwärtsschritt wegen der Autorenschaft aber bewegt sich auf schmalem Fuß.

Was ich vergaß, um die von vielen Lesern herbeigesehnte „Keule“ herauszuholen: Der Artikel erschien am Jahrestag des Mordanschlags von Solingen, als 1993 Neonazis eine Terrorbrandtat verübten. Es starben: Gürsün İnce, Hatice Genç, Gülüstan Öztürk, Hülya Genç und Saime Genç.

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