Kommentar: Was Jair Bolsonaro und Uli Hoeneß gemein haben

Der eine ist Politiker, der andere ein Sportmanager. Doch Jair Bolsonaro und Uli Hoeneß eint, dass sie konstant ihre Wirkmächtigkeit überschätzen – und Fakten beiseite schieben, die ihnen nicht passen.

Uli Hoeneß, ehemaliger Präsident des FC Bayern München, bei einem Spiel 2019 (Bild: REUTERS/Andreas Gebert)
Uli Hoeneß, ehemaliger Präsident des FC Bayern München, bei einem Spiel 2019. (Bild: REUTERS/Andreas Gebert)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Neulich platzte Uli Hoeneß der Kragen. Immer wenn das passiert, wird es spannend. Bei einer Fernsehsendung diskutierten sie über die Fußball-WM in Qatar, und die Inhalte passten dem ehemaligen Präsidenten des FC Bayern München nicht. Also rief er in der Sendung an und legte los. "Die WM und das Engagement des FC Bayern und andere Sportaktivitäten in der Golfregion werden dazu führen, dass die Arbeitsbedingungen für die Arbeiter dort besser werden und nicht schlechter", wetterte er. Seit Jahren fährt der Fußballverein in der Winterpause in das Golfland, um dort zu trainieren, eine lange Partnerschaft verbindet das Emirat mit den Bayern.

Die Wirkmächtigkeit des Vereins schätzt Hoeneß also ziemlich hoch ein. Im Grunde heißt das: Die Kicker retten Menschenrechte. Wegen Thomas Müller & Co. geht es den Arbeitern besser!

Welchen Arbeitern?

Jenen, die zu hunderten beim Bau der Stadien für die WM gestorben sind? Welche Verbesserungen gab es?

Hoeneß redet in die heiße Wüstenluft hinein. Nichts hat sich verbessert, und Hoeneß sollte das wissen. Die Ausrichtung von sportlichen Großereignissen in der Golfdiktatur hat kein Jota mehr an Freiheit, Unabhängigkeit, Menschenrechten oder sozialer Standards gebracht. Die qatarische Herrscherclique interessiert sich nur für Sport, weil sie sich damit internationales Ansehen erkaufen und von schlimmen Zuständen daheim ablenken können. Später fragte "Bild" bei Hoeneß noch einmal nach, und als Beleg für seine kühne These fügte der ehemalige Manager und Präsident an: "Ein Beispiel: Die Frauen-Mannschaft des FC Bayern hat vor einigen Jahren als erstes Frauen-Team in Katar mit kurzen Hosen gespielt. Das war eine Sensation und ein Durchbruch für den Frauenfußball."

Ja, eiderdaus. Da hat man es den Qataris aber ordentlich gezeigt. Wenn das eine ernste Antwort auf die Frage sein soll, inwiefern Sport die Menschenrechtslage verbessert, kann man sich über Hoeneß nur anfangen Sorgen zu machen.

Was sind schon Belege?

Es gibt weiter westlich auch jemanden, der seine Wirkmächtigkeit recht hoch bemisst. Jair Bolsonaro, auch ein Präsident, aber von Brasilien, will auf jeden Fall im Amt bleiben – weil die Umfragen eindeutig gegen ihn sprechen, streut er Zweifel über das Wahlsystem – natürlich ohne Belege vorzulegen, so wie es ihm sein Vorbild Donald Trump vorgemacht hat und wie es auch bei Hoeneß an Belegen mangelt. Bolsonaro findet sich derart wirkmächtig, dass er behauptet, er habe die Präsidentschaftswahl von 2018 schon im ersten Wahlgang gewonnen und nicht erst in der Stichwahl – obwohl es dafür auch keine Hinweise gibt. Außerdem lässt er hier und da fallen, dass er das Ergebnis der kommenden Wahl am Sonntag nicht anerkennen könnte; im Grunde, weil es ihm nicht gefallen könnte.

Auch Hoeneß ignoriert den Willen der Basis in seinem Verein. Die Mitglieder des FC Bayern München sind gegen eine Kooperation mit dem regierenden Königshaus in Qatar. Doch das juckt die Führungsriege nicht.

Die Folgen eigenen Tuns

All dies eint Bolsonaro und Hoeneß. Ihre Politik macht traurig.

Direkt komisch wird es, dass Hoeneß sich als ehrliche Haut darstellt und Kritiker, wie in der erwähnten Fernsehsendung, als "König der Scheinheiligen" bezeichnet. Am Ende sagte er noch: "Wenn wir demnächst nirgends mehr etwas kaufen und nicht mit Ländern zusammenarbeiten, wo die Menschenrechte nicht so gehandhabt werden wie bei uns, dann können wir unseren Laden zusperren. Und das sollten all die Schlaumeier sich mal überlegen, die so unglaublich katastrophal argumentieren wie Sie, vielen Dank.“

Hoeneß als Gefangener der Zeitläufte, als kleines Rad der Weltgeschichte – ein einziger Witz. Er tut so, als wäre international bekannter Profifußball mit dem Import und Export von Industrieprodukten vergleichbar. Da stellt er die Wirkmächtigkeit des Sports durch seinen Sogeffekt in der Wahrnehmung kräftig untern Scheffel, weil es ihm passt. Das ist scheinheilig.

Es bleibt dabei: Politiker und Vereinsführer haben sich Voten zu stellen. Und dann entsprechend zu handeln. Hoeneß ist mittlerweile Privatier, seine eigene Meinung ist sein Menschenrecht. Wir leben ja hier nicht in Qatar.

Im Video: STAHLWERK Doppelpass - Was können Spieler tun, um ein Zeichen zu setzen in Katar?