Kommentar: Was Rechtspopulismus mit Drogensexpartys in Brüssel zu tun hat

Ein wichtiger Fidesz-Politiker machte trotz Corona-Einschränkungen Party. Das überrascht kaum: Rechten sind Unterschiede wichtig – auch die, was sie dürfen und andere nicht.

Der Fidesz-Abgeordnete József Szájer bei einer Wahlkampfrede (Bild: REUTERS/Bernadett Szabo)
Der Fidesz-Abgeordnete József Szájer bei einer Wahlkampfrede (Bild: REUTERS/Bernadett Szabo)

Ein Kommentar von Jan Rübel

In nicht wenigen Erzählungen ist Brüssel ein Moloch. Dort herrscht ein Bürokratiemonster, das uns selbst die Bananengrößen und Gurkenformen vorschreibt, so die Klage. In diesem fernen Schloss gab es nun eine Party, trotz Corona und den Einschränkungen bei Kontakten, und zwar von Politikern und Diplomaten. Aber die nehmen es sich ja raus!, ruft nun der Volksmund. Ironischerweise wurde bei dieser Party einer gesehen, der davon lebt, dass auf “die da” geschimpft wird: der EU-Abgeordnete József Szájer von der nationalautoritären Fidesz-Partei Ungarns.

Mit wem der Mann seine Samstagabende vertreibt, ist sein Bier. Nur wird es komisch, wenn er von Montag bis Freitag Wasser predigt. Szájer scheint nach dem Motto vorzugehen, was ihm erlaubt sei, sei längst nicht anderen erlaubt. Damit trifft er einen wichtigen Punkt im Weltbild von Nationalautoritären. Denn die Unterscheidung zwischen mir und dir, zwischen uns und “denen” ist elementar.

Linke wollen die Welt gleichmachen. Rechte wollen sie einteilen, mit Vorteilen für sie selbst. Daher die vielen Grenzen.

Das Leben kennt kein Schwarz-Weiß

Dass dies wenig menschlich ist, dokumentiert wiederum der Fall Szájer. Denn er war auf einer “gang bang clandestin”, wie es die Brüsseler Polizei umschrieb: eine Sexparty von schwulen Männern. Wäre sein gutes Recht, gäbe es nicht Corona. Szájer aber ist bekannt durch seine schwulenfeindliche Politik. Er diskriminiert andere für etwas, das er selbst teilt. Facebook würde sagen: Es ist kompliziert.

Auf Szájers iPad wurde der Text für die neue Verfassung Ungarns entworfen, der gleichgeschlechtlichen Paaren verbieten will, dass sie Kinder zu adoptieren. Nun, Sexparty geht aber, oder? Auch soll in Ungarns Schulen der Aufklärungsunterricht derart beschnitten werden, dass sexuelle Minderheiten nicht mehr vorkommen - das wird jungen Menschen das Leben schwerer machen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Warum arbeitet Szájer gegen etwas, das ihn womöglich selbst ausmacht?

Brüssel: Ungarischer EU-Abgeordneter nach Teilnahme an illegaler Feier zurückgetreten

Er ist kein Hinterbänkler, Mitgründer von Fidesz. Er war Fraktionschef der Partei im ungarischen Parlament, ist Vizevorsitzender der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, dem Zusammenschluss der christdemokratischen Parteien. Fidesz wurde groß, in dem die Partei Feindbilder schürte: gegen “Ausländer”, gegen Juden, gegen alles “Liberale”, gegen Frauen. Immer muss im Regime von Viktor Orbán eine Bedrohung herhalten, um den eigenen Machtausbau irgendwie zu rechtfertigen. Auch hier gilt das gleiche Prinzip wie bei der Brüsseler Sexparty: For me the best, f*** the rest.

Da überrascht es nicht, dass sich Szájersich auf seine Immunität berief, als die Polizei ihn schnappte, nachdem er aus dem Fenster mit einem Rucksack mit Drogen geflohen war, als wäre das politische Mandat eine Art Persilschein zum Absetzen von Pflichten, die für alle gelten.

Ehe als Code

Der Fall Szájer zeigt, dass die Institution Ehe von Rechtspopulisten und Nationalautoritären weniger als Wert an sich angesehen wird, sondern als brauchbare Fassade. Sie benutzen die Ehe als Korsett, damit andere sich daran festhalten können. Dass auf der anderen Seite durch dieses Korsett Menschen auch ferngehalten werden, passt ebenfalls in dieses Konzept. Es geht nicht um die Verteidigung von alten Traditionen, die sich bewährt hätten. Sondern es geht um das Werfen von Nebelkerzen, um in deren Wolkenschatten ungestörter zu agieren. Ein bisschen weniger Scheinheiligkeit wäre schon nicht schlecht.

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