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Kommentar: Was spricht für Ampel – und was für Jamaika?

Alle vier in einer Reihe: Die Spitzenkandidaten von SPD, FDP, Grünen und Union werden nun ausloten, wer mit wem am besten kann (Bild: REUTERS/Fabian Bimmer)
Alle vier in einer Reihe: Die Spitzenkandidaten von SPD, FDP, Grünen und Union werden nun ausloten, wer mit wem am besten kann (Bild: REUTERS/Fabian Bimmer)

FDP und Grüne haben die Wahl. Sie können mit der SPD eine Bundesregierung bilden – oder mit der Union. Seit gestern Abend wird schon hektisch abgetastet und sondiert. Worauf läuft es hinaus? Hier das Pro und Kontra der zwei realistischsten Koalitionen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Der Wahlsieger heißt Olaf Scholz, aber den Schlüssel zum Kanzleramt schickt ihm der Bundeswahlleiter damit nicht gleich zu. Den muss sich der Sozialdemokrat nun erhandeln. Die SPD hat zwar ein Momentum. Aber zwei Regierungsbündnisse sind am ehesten wahrscheinlich. Da wäre zum einen eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP – wegen der Parteifarben Ampel genannt. Und zum anderen eine Regierung aus Union, Grünen und FDP, auch hier wegen der Farbgleichheit mit der Staatsfahne als Jamaika bezeichnet. Zwar wäre auch eine erneute Große Koalition aus SPD und Union möglich. Aber bevor diese dritte Option ernsthaft erwogen würde, müssten diese beiden anderen scheitern.

Ampel

Pro

Eine Ampel-Koalition wäre das Bündnis mit den meisten Stimmen im Parlament. Und bei der Frage, ob eher Scholz von der SPD oder Armin Laschet von der Union Bundeskanzler werden sollte, zeigt sich ersterer eindeutig präsentabler: Er hat gewonnen, ist ein Mann der Mitte. Und seine Trockenheit ist ein gutes Schmiermittel zum Schmieden von Kompromissen.

In erster Linie einigen aber müssten sich Grüne und FDP. Liberalen-Chef Christian Lindner will unbedingt Bundesfinanzminister werden, während Grünen-Co-Chef Robert Habeck auch damit liebäugelt, aber nicht so heftig. Die Grünen könnten dieses Amt der FDP anbieten, damit sie andere inhaltliche Kröten schluckt.

Bei Themen der innen Sicherheit, der Menschenrechte und der Außenpolitik funken Gelb und Grün auf einer Wellenlänge – und die SPD ist bei diesen Kapiteln näher an FDP und Grünen dran als die Union. Auch spricht einiges dafür, dass die schwächste Partei in diesem Bündnis, die FDP, am wenigsten ideologisch fokussiert ist. Heißt: Nimmt man sie ernst und zeigt den von Scholz viel zitierten Respekt, wird sie es schon mit sich machen lassen.

Kontra

Unklar ist, wie stark Scholz seine eigene Partei kontrolliert, deren Vorsitzender er nicht einmal ist. Die Parteilinke ist stark, vor allem in den mittleren Strukturen, und sie könnte erpicht darauf sein, ambitionierte Forderungen aufzustellen: Damit könnten die Grünen leben, aber die FDP weniger. Denn die Kernkompetenz der Liberalen ist deren Mantra, die Partei der Wirtschaft zu sein, sozusagen als wandelnde Wirtschaftsweise. Das mag übertrieben sein, aber als Gralshüter einer recht freien Marktwirtschaft sehen sie sich schon. Wenn also aus der SPD Pläne kommen, welche mehr Regeln für Unternehmen anmahnen, könnte die FDP die Ampel eher auf rot sehen: Erhöhter Mindestlohn, höhere Steuern, stärkere Dokumentationspflichten sind ein bitterer Keks für Liberale. Auch die schwarze Null ist ihnen wichtig. Höhere Staatsverschuldungen als Mittel linker Stützungspolitik lehnen sie ab. Die Frage ist, ob SPD und Grüne darauf bestehen.

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Jamaika

Pro

Ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP wäre nicht nur Laschets letzte Chance auf das Kanzleramt – der Rheinländer ist in der CDU auch durchaus für seine Kompromissfähigkeiten und Kommunikation bekannt. Er wäre in der Lage, diese Parteien an einen Tisch zu bringen. Schon am Wahlabend meinte er, eine Regierung müsse auch Spaß machen; insgeheim dachte er wohl an seine Entertainerqualitäten, die zweifellos höher liegen als bei Scholz. Für Union und FDP wäre Jamaika das Lieblingsbündnis. Die Grünen könnten geködert werden, wenn beide Parteien über ihren Schatten springen und endlich das machen, was sie bisher vermieden: Derart ambitionierte und vor allem verbindliche Ziele zum Klimaschutz anbieten, hinter denen die Pläne der SPD erblassen. Möglich wäre es. Kommunizierbar auch, es geht ja letztlich um Menschenverstand. Und wenn Laschet ein Bekenntnis ablegt, die Merzens seiner Partei in Ketten zu legen und die CDU weiter auf Modernisierungskurs zu bringen – dann sind CDU, CSU, FDP und Grüne vier Parteien, die mehr oder weniger auf demselben Acker der politischen Mitte pflügen.

Kontra

Die Vorstellungen einer Finanz- und Haushaltspolitik sind zwischen Grünen und FDP sehr unterschiedlich – und die Union steht bei diesen Themen recht eng bei der FDP. Die Grünen müssten schon eine echte Notwendigkeit sehen, um diese Differenzen zu überbrücken. Auch bleibt es ein Stück weit eine Stilfrage. Zwar sind die alten Reflexe längst nicht mehr so ausgestaltet: Aber die Grünen sehen sich in dieser Tradition als die gelassenen Guten, in den Liberalen die Uncoolen ohne Skrupel und in Christdemokraten eben Rechte – während bei FDP und Union das Bild von Grünen als Luftikusse und Chaoten spukt. Klar, all dies ist arg verblasst. Aber das Klima zwischen diesen Parteien müsste sich schon verbessern, um zu einem Regierungsbündnis zu kommen.

Im Video: Wahl-Poker: Scholz und Laschet wollen Kanzler werden