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Kommentar: Was wollen die "Friedensdemonstranten"?

Bei Demos am Montag kamen in Ostdeutschland über 11.000 Menschen auf die Straße. Ein heißer Herbst ist das noch nicht – aber was waren die Forderungen? Und was wäre, würde man sie umsetzen?

Das ist eine wahre Friedensdemo: Polizisten führen einen Mann ab, der in Moskau gegen die Teilmobilisierung  protestiert (Bild: REUTERS/REUTERS PHOTOGRAPHER)
Das ist eine wahre Friedensdemo: Polizisten führen einen Mann ab, der in Moskau gegen die Teilmobilisierung protestiert. (Bild: REUTERS/REUTERS PHOTOGRAPHER)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Schon interessant, wie wenig über die Demos vom vergangenen Montagabend berichtet worden ist. Ein System vermag ich dahinter nicht entdecken, eher eine Gedankenlosigkeit. Denn natürlich gab es Berichte über die x-te Version der so genannten "Montagsdemo", aber kaum darüber, was die Leute eigentlich wollen.

Okay, es ging ein wenig drunter und drüber. Die Proteste richteten sich gegen die verteuerten Preise, gegen die Energiekrise, gegen den Krieg in der Ukraine und, nun ja, gegen die Corona-Schutzregeln.

"Für Frieden, Freiheit und Wohlstand"

Um die Forderungen genauer zu erfahren, musste ich eine Google-Bildersuche starten, so dürr waren die vielen, aber kaum aussagekräftigen Berichte darüber.

"Für Frieden, Freiheit und Wohlstand" stand auf einem Banner vorneweg geschrieben. Das würden die Ukrainer gewiss auch unterschreiben. Alle würden dem zustimmen. Also, und was heißt das konkret? Ich würde sagen: Der Frieden wird gerade von den Ukrainern erstritten, und sie tun es auch für uns.

Denn würden sie von Russland "ausgelöscht" als Nation, wäre dies kein Frieden, sondern eine Friedhofsruhe. Schließlich wollen sie ihre Freiheit, wie es auch auf dem Banner steht. Und natürlich, Krieg ist der Feind jeden Wohlstands. Aber sollte er mit einem Sieg der russischen Regierung enden, dann gute Nacht. Wollen wir auch nicht. Denn zu sagen: "Das ist nicht mein Krieg" – das funktioniert nur in Gedanken. Er ist ja da. An unseren Grenzen.

Die Realität überholt den Mythos

Auf einem anderen Plakat stand: "Stoppt den Krieg mit Russland" und "Nord-Stream 2 öffnen!" Also, das mit der Öffnung dieser Pipeline, das wird ein wenig schwieriger. Da sind jetzt ein paar Löcher drin. An dieser Stelle macht es keinen Sinn zu spekulieren, wer hinter den Sabotageakten steht – aber es wird herauskommen. Nun wurden aber Fakten geschaffen. Vergessen wir das Gas aus Russland, es würde ohnehin nur die Kriegskasse des Lügenverbrechers Wladimir Putin füllen. Und wenn wir diesen Krieg nicht wollen ("Stoppt den Krieg", "Für Frieden"), dann sollten wir ihn auch nicht mitfinanzieren. Ob das die Demonstranten mitbedacht haben?

Dann stand da noch auf einem anderen Plakat: "Wir frieren nicht für eure Politik". Okay, soll demnach das Aufdrehen der Heizung ein revolutionärer Akt sein, also kuschelige Wärme ein Widerstand? Das erscheint mir ein wenig wohlfeil. Der Satz sagt aus, man mache bei etwas nicht mit, nach dem in den Sozialen Medien immer wieder umherziehenden Motto: "Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin"; als wäre dann der Krieg beendet.

Hübsches Wunschdenken, aber im Realitätstest ein Frontalcrash. Denn die russischen Soldaten sind ja schon da, und von allein gehen die nicht weg. Die würden nicht enttäuscht die Helme abziehen, würden die Ukrainer oder wer auch immer ihnen zurufen, sie sollten ihrem Kriege doch alleine frönen. Der Satz tut so, als habe es eine Eskalationsspirale gegeben. Doch in Wirklichkeit gab es schlicht einen Überfall des einen Landes auf ein anderes, und das aus allein niedrigen, unprovozierten Motiven heraus.

Dieser Eierkuchen macht nicht satt

Auch das Demo-Motto "Frieden schaffen am Verhandlungstisch" ist nur leere Luft. Immer wieder wird mit Putin telefoniert, nur kommt dabei noch nichts herum. Hinter den Kulissen wird kommuniziert. Doch zu welchem Frieden ist Putin bereit? Sollte er für seine Aggression irgendwie belohnt werden, er mit einer Beute heimziehen? Es ist ja nicht so, dass irgendjemand etwas von Russland will, etwas entfernt Böses. Der soll nur Ruhe geben. Wenn man das am Verhandlungstisch hinkriegte: bitteschön. Aber bisher sieht es nicht so aus, als würde bei Putin ein Jota Würde einkehren.

Zur dazu wirklich abseits stehenden Kritik am Impfen oder an den Corona-Schutzmaßnahmen ist nun nicht viel zu sagen. Sich in dieser Hinsicht als unfrei zu empfinden ist auf negative Art das gleiche Wunschdenken wie "Nicht mein Krieg" oder "Verhandlungstisch". Und falls es nochmal mit dem Virus hart werden sollte, dann möchten die Demonstranten, die keinen Krieg und damit folgerichtig auch keine Kriegsopfer haben wollen, ganz bestimmt auch keine Corona-Opfer, also keine überforderten Kliniken und Toten. Oder habe ich da was falsch verstanden? Mein Fazit: Die sehen manche Dinge genau umgekehrt, wie sie sind.

Im Video: Demonstration gegen Teilmobilmachung - Warnschüsse in russischem Dagestan