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Kommentar: Wie Christian Lindner in seine eigene Tempolimit-Falle tappt

FDP-Parteichef und Finanzminister Christian Lindner auf dem Weg zur Kabinettssitzung im Kanzleramt Ende September in Berlin (Bild: REUTERS/Lisi Niesner)
FDP-Parteichef und Finanzminister Christian Lindner auf dem Weg zur Kabinettssitzung im Kanzleramt Ende September in Berlin (Bild: REUTERS/Lisi Niesner)

Der FDP-Chef bietet den Grünen einen zweifelhaften Deal an: Er öffnet sich dem Tempolimit auf Autobahnen, wenn sie einer Fortsetzung der Kernkraft zustimmen. Damit begeht er einen großen strategischen Fehler, den er noch bereuen wird.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Christian Lindner meinte wohl, er sage etwas Cleveres. Der FDP-Parteichef und prominenter Porsche-Liebhaber hat ein rhetorisches Manöver gefahren, seinen grünen Mitkoalitionären einen Apfel verdächtigen Aussehens hingehalten. Im Politik-Podcast „Lage der Nation“ zeigte er sich völlig überraschend offen für ein generelles Tempolimit; bisher galt Lindner als strikter Gegner, selbst im Koalitionsvertrag steht wegen der klaren Haltung der Liberalen davon kein Wort.

Doch nun: „Ich wäre sofort bereit zu sagen, wir machen in Deutschland ein Tempolimit, wenn die Kernkraftwerke länger laufen“, erklärte er.

Lindner weiß, dass die Grünen da nicht mitziehen werden. Der Widerstand gegen Atomkraft ist in der Partei-DNA, unverrückbar. Die Anti-AKW-Bewegung der vorigen Siebziger war Vorläufer und Geburtshelfer der Grünen. Deren Bedenken gegenüber der Nutzung von Atomenergie sind systematischer Natur – unabhängig davon, wie man das als politischer Beobachter findet. Die Grünen werden Atomkraft aber niemals nebenbei zur Verhandlungsmasse erklären, mit ihr ein rhetorisches Manöver probieren. Und auch Lindner wird damit in der Sackgasse landen.

Die Harten und der Weiche

Lindner sagte nämlich, er halte die Diskussion über ein Tempolimit für überschätzt und nebensächlich mit Blick auf den Klimaschutz. Auf Nachfrage meckerte er in Richtung Grüne: „Ich finde es total blödsinnig, es ist total ideologisch“ und zeige, dass es da nur um „irgendwelche komischen Steckenpferde“ gehe.

Lindners Worte sich gegen ihn wenden. Wenn er die Debatte über eine Geschwindigkeitsbegrenzung für überschätzt und nebensächlich hält, signalisiert er: So wichtig ist das mir nicht. Ich werde mich nicht verbeißen. Widerstand jedenfalls sieht anders aus. Denn wenn Lindner in den grünen Forderungen nach einem Tempolimit eine Art Spleen sieht, eben ein komisches Hobby – dann wäre es ihm auch leichter, nachzugeben. Es ist ja nicht seine Leidenschaft, seine „totale Ideologie“.

Aus dieser Falle, die er den Grünen stellen wollte, kommt er nicht mehr raus. Er hat für sich selbst die Büche der Pandora geöffnet, das aus Sicht seiner Partei Unmögliche ausgesprochen und damit möglich gemacht.

Dieser Move wird seine Wirkung entfalten

Dann sagte er im Podcast, er sei bereit ein Tempolimit für die Zeit einzuführen, in der die AKWs weiterlaufen, finde aber, das veralbere die Bürgerinnen und Bürger in der Krise. Denn es gebe keine Ölknappheit und die Ölpreise seien ohnehin bereits hoch, was zum Sparen anrege. Ginge es ihm nur um die Verhinderung von Albernheit, ließe sich bequem erwidern: Die Probleme sind so groß, da schert selbst eine angebliche Albernheit nicht; wobei die Vorteile eines Tempolimits auf der Hand sind und nicht wirklich albern daherkommen.

Den Bock schoss Lindner am Ende ab. Indirekt deutete er an, dass die Tempolimit-Debatte auch in der FDP ihre ideologischen Komponenten habe. Denn er zeigte sich offen, die Position zur Geschwindigkeitsbegrenzung unter Umständen zu überdenken – „falls man einen ideologischen Skalp bräuchte“.

Die FDP jedenfalls wird bald ihren Skalp hergeben müssen. Lindner wird ihn opfern. Das wäre strategisch gesehen unnötig gewesen, hätte er geschwiegen. Aber Lindner ist kein Philosoph.

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