Kommentar: Wie die AfD den 1. Mai verulkt - und sich gleich mit

Björn Höcke versucht sich im Gewerkschafter-Mimikri (Bild: AP Photo/Jens Meyer)
Björn Höcke versucht sich im Gewerkschafter-Mimikri (Bild: AP Photo/Jens Meyer)

Die Rechtspopulisten wollen am Tag der Arbeit demonstrieren. Das ist viel Stress – vor allem für die Partei selbst.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Der Einsatz für die Interessen von Arbeitnehmern ist kein Picknick. Angst um Jobverlust, Angst vor der nächsten Krise, Angst vor den Managern – eigentlich eine tolle Vorlage für die AfD, welche sich aufs Angstmachen versteht. Doch diesmal gerät die Angelegenheit nicht so leicht.

Denn am Tag der Arbeit geht es zwar ums Demonstrieren, aber wofür? Da muss man irgendwie arbeitnehmerfreundlich wirken, und das ist für die AfD recht fremdes Terrain.

Wer im Parteiprogramm blättert, findet dort nur allgemeine Wirtschaftspolitik, und die ist von Leuten geschrieben, die sich für Manager halten; der Arbeitnehmer ist der Partei ein unbekanntes Wesen.

So tun, als ob…

Da hilft nur Mimikri. Tollkühn versuchte sich darin Björn Höcke, der Rechtsschreck aus Thüringen. Mit ein paar Kameraden wollte er sich am vergangenen Dienstag hübsche Bilder bei einer Demonstration in Eisenach abholen, es ging um die unsichere Zukunft des dortigen Opel-Werks. “Wir als AfD kämpfen an der Seite der um ihre Arbeitsplätze bangenden Opel-Mitarbeiter in Eisenach”, heißt es auf seiner Facebook-Seite, garniert mit einem gütig lächelnden Höcke inmitten roter Fahnen.

Was Höcke verschweigt: Bald war Schluss mit lustig, die Betriebsräte schmissen Höcke und seine Leute, als sie ihrer gewahr wurden, sofort hinaus. Man drängte sie ab. Erstaunlich, dass Höcke sich auf seiner Facebookseite darüber nicht empörte, das kann er doch ansonsten ganz gut. Er hätte das Verhalten der Gewerkschafter als undemokratisch oder unsolidarisch brandmarken können – aber Höcke schweigt und vertraut auf die Macht der Bilder, welche eine gänzlich andere Sprache sprechen als die Wirklichkeit.

Interessant, dass eine Partei, die oft von “Lügenpresse” spricht, selbst die dicksten Unwahrheiten verbreitet.

Aber geschenkt, womöglich schwieg Höcke im Wissen, es diesen linken Lumpensammlern eh nicht recht machen zu können. Sonst könnte einer von denen auf die Idee kommen ihn zu fragen, was denn konkret eine “patriotische Wirtschaftspolitik” ist, von der Höcke gern spricht. Versteht er darunter, die Exporte zu drosseln? Ausländische Investoren zu vergraulen? Einen Döner mit Sauerkraut und Senf?

Eiertanz nach Ostern

In der AfD eiert man also herum. Die Partei kennt die “Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer” (AVA), oder die “Arbeitnehmer in der AfD” (AidA); warum es zwei Konkurrenzorganisationen in einer Partei gibt, erschließt sich nicht, glänzen doch beide durch die gleiche Abwesenheit von Arbeit. Und Höcke schließlich hat seinen eigenen Stoßtrupp geangelt, welcher, getreu dem Motto, dass mangelnde Inhalte von poppigen Slogans zu überstrahlen sind, sich “Alarm!” nennt. Das Ausrufezeichen darf wohl nicht fehlen, ansonsten handelt es sich um den “Alternativen Arbeitnehmerverband Mitteldeutschland” – bei so viel Arbeit brummt einem der Kopf.

Höckes “Alarm!”-Truppe wurde von den Opelianern schnell der Demo verwiesen (AP Photo/Jens Meyer)
Höckes “Alarm!”-Truppe wurde von den Opelianern schnell der Demo verwiesen (AP Photo/Jens Meyer)

Mit “Alarm!” will Höcke also am ersten Mai demonstrieren, in Eisenach. Es wird drollig werden. Höcke möchte den lokalen Zorn nutzen wie heiße Luft für einen Ballon. Er wird sich heftig erregt geben, nicht wie andere AfD-Politiker, die an diesem Tag der Arbeit zu Familienbrunchs laden, oder zu Kinderschminken und Modeschau. Und vielleicht wird es ihm gelingen, zumindest für einen kurzen Moment, dass die AfD wie eine Arbeitnehmerpartei wirkt. Doch diese Illusion wird von kurzer Dauer sein. Rechte sehen Wirtschaftspolitik, das ist völlig wertfrei formuliert, mit den Augen jener, die Arbeitsplätze schaffen. Sie vertreten, völlig legitimerweise, Arbeitgeberinteressen. Diese stehen Arbeitnehmerinteressen zuweilen entgegen.

Alles andere ist historisch bekannter Etikettenschwindel. Dass sich die Nazis unter Adolf Hitler National-SOZIALISTEN nannten, war reines Marketing; Sozialismus erschien ihnen als eine Art Dienst am Volk, als eine Beugung des Einzelnen vor dem angeblichen Wohl der angeblichen Gesamtheit. Klassenkampf war das nicht. Den Wahlkampf der NSDAP, als es noch einen gab, finanzierten nicht die Gewerkschaften und Betriebsräte, sondern Parteimitglieder und Industrielle.