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Kommentar: Wie die FDP an der Ampel sägt

Wohin zieht die FDP die Ampelparteien? Demonstranten für mehr Klimaschutz tragen Masken von Annalena Baerbock (Grüne), Christian Lindner (FDP) und Olaf Scholz (SPD) (Bild: REUTERS/Annegret Hilse)
Wohin zieht die FDP die Ampelparteien? Demonstranten für mehr Klimaschutz tragen Masken von Annalena Baerbock (Grüne), Christian Lindner (FDP) und Olaf Scholz (SPD) (Bild: REUTERS/Annegret Hilse)

Die Sozialdemokraten geben sich tiefenentspannt, die Grünen voller Sorgen – und die FDP kann vor Kraft kaum laufen. Doch wohin mit all dem Mut? Schon jetzt outen sich die Liberalen als alte, konzeptlose Verhinderer.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Der erste Jubelnebel scheint sich rund um die entstehende Ampelkoalition zu legen. Die am Anfang zelebrierte Einigkeit? Verheddert sich in einem Wald aus lauter Fragezeichen.

Wie wird die neue Bundesregierung aussehen, die wahrscheinlich aus SPD, Grünen und FDP gezimmert wird? Was durchdringt, lässt auf wenig Gutes schließen.

Die SPD scheint sich auf die Rolle eines neutralen Moderatoren zurückzuziehen, ganz nach Art Angela Merkels. Und die FDP verkündet mit stolzer Brust, was sie gerade alles verhindert, an grünen und roten Träumen, sozusagen als Stimme der Vernunft. Wenn dies die selbst gewählte Aufgabe der Liberalen für die kommenden vier Jahre sein soll, dann gute Nacht.

Bisher ist von der FDP bekannt, was sie in der Ampel alles nicht machen will. Was sie dagegen machen will, schimmert unscharf am Horizont. Ein tragfähiges Konzept für eine Koalition, eine Vision, zeichnet sich jedenfalls nicht ab. Vielmehr dafür, was die FDP will: nämlich das Amt des Finanzministers. Geht es ihr mehr um Macht als um Gestaltung?

Gelber Beton

Dass die FDP ein Tempolimit auf Autobahnen mit Regierungsveto belegt hat, ist zwar peinlich, aber noch einer der weniger bedeutsamen Fehler. Allerdings ist schon zu fragen, was es mit Liberalität zu tun hat, den Bürgern ein Recht auf Rasen zuzumuten – es hat ja eine Menge Konsequenzen für andere, für Mitfahrer, für Anwohner durch die Luft, für den vermehrten CO2-Ausstoß; im Gegenzug gibt es kein einziges Argument dafür, dass Deutschland in der Welt immer noch diese Sondernummer drehen darf, wie gesagt: peinlich.

Schwerwiegender, weil struktureller, ist aber das Nein der FDP bei der Steuer- und bei der Klimapolitik. Die soziale Schere klafft in Deutschland immer weiter auseinander – die Reichen werden immer reicher, und das ohne ein MEHR an Leistung oder Arbeit oder eingebildetem Genie. Ihre Steuern müssen wieder auf das Niveau der Neunziger Jahre gebracht werden – wie es Jahrzehnte in Deutschland normal war. Es ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine der Finanzierung von dringend gewordenen Zukunftsaufgaben.

Ehrlichkeit schadet nicht

Zuvorderst ist der Kampf gegen den Klimawandel und die Anpassung an ihn zu nennen. Um wirklich all die Verschmutzungen zu reduzieren, muss Geld in die Hand genommen werden. Nur meinen die Liberalen, und anscheinend notgedrungen auch einige Grüne, dass dieses vom Himmel fällt. Irgendwie. Durch Ankurbelung von Wirtschaftsbereichen, durch Outsourcing; doch all dies sind Taschenspielertricks. Der Umbau kostet. Er wird schmerzhaft werden. Und dies muss verbuchbar sein. Diesen reinen Wein sollten die Ampelpolitiker endlich entkorken. Doch stattdessen kidnappt die FPD die anderen beiden Parteien in ein Wolkenkuckucksheim, das sich als Pragmatismus tarnt und Freiheit ohne Verantwortung denkt. Ein Fehler, wie als solcher sich auch die Ampelkoalition erweisen könnte.

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