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Kommentar: Wie man mit AfD-Politikern (besser nicht) redet

(GERMANY OUT)   Björn Höcke (Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag, AfD) in der ARD-Talkshow GÜNTHER JAUCH am 18.10.2015 in Berlin  Thema der Sendung: Pöbeln, hetzen, drohen - Wird der Hass gesellschaftsfähig?   (Photo by Müller-Stauffenberg\ullstein bild via Getty Images)
AfD-Spitzenpolitiker Björn Höcke beim einer TV-Talkshow (Bild: Getty Images)

Ein Interview mit AfD-Frontmann Björn Höcke schlägt Wellen. Der fabuliert von “massiven Konsequenzen” für die Zusammenarbeit von Journalisten und Politikern. Dabei ist sowas eigentlich ganz leicht zu lösen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die “Jüdische Allgemeine” zeigt eine klare Haltung. Bei der Zeitung stehen AfD-Politiker Schlange und würden gern Interviews geben – sie wollen zeigen, dass sie keine Antisemiten seien, erhoffen sich eine Reinwaschung, welche die Redakteure ihnen verweigern, denn: “Ihre judenfeindliche Weltsicht hat die AfD in öffentlichen Reden bereits hinreichend kundgetan”, wie der Kulturchef Philipp Peyman Engel schreibt.

Diesen Knacks hat die AfD tatsächlich zwischen “Vogelschiss” und “Denkmal der Schande” mehr als hinreichend belegt. Die “Jüdische Allgemeine” folgert daraus, sie wolle Interviews mit AfD-Politikern “als jüdische Zeitung, mit vielen Lesern und Autoren, deren Familienangehörige in der Schoa ermordet wurden, nicht führen. Es gibt schlicht Sachen, die gehören sich nicht. Wir wollen Rechtsradikalen keine Plattform geben und sie somit noch weiter hoffähig machen.”

Jedes Medium muss sich solche Fragen selbst stellen und beantworten. Klar, jedes Gespräch dient der Bekanntheit des Interviewten. Es deshalb nicht tun? Würden sich alle Medien einem Gespräch mit Vertretern einer nicht verbotenen Partei verweigern, helfe dies der Demokratie kaum. Ich denke, es gibt auch gute Gründe, sich auf Interviews mit Rechtspopulisten einzulassen. Es gibt dafür nur ein paar Regeln.

Wichtigstes Ziel ist eine gleiche Augenhöhe. Man will ja was vom anderen. Auf gleicher Gesprächsebene kriegt man voneinander am meisten mit. Journalisten sollten nicht bewundernd von unten oder belehrend von oben mit Politikern reden. Bei jenen vom rechten Rand schaden Höflichkeit und Offenheit nicht. Und es nützt viel nachfragen. Es kommen ja mitunter verstörende Aussagen, die erstmal leicht rausgehauen sind, aber umso schwieriger genau zu begründen sind. Argumente müssen rausgepult werden, und zwar durch ein stetes “Warum?”. Das gibt dem Interviewten die Chance, sich zu erklären und dem Interviewer die Möglichkeiten, gerade kritische Inhalte umfassender zu durchleuchten.

Was journalistische Aufgabe ist

Interviews mit der Perspektive von unten gab es in letzter Zeit durchaus. Da biederten sich Journalisten der AfD nach den für sie erfolgreichen Landtagswahlen in Brandenburg und in Sachsen an, bezeichneten die Partei als “bürgerlich” – was bei dem völkischen Grundton der AfD abenteuerlich daherkommt, denn beides verhält sich zueinander wie Hund und Katze, oder: wie Wolf und Schaf.

In der Mehrheit sind aber Interviews von oben herab, und oft verlaufen sie unglücklich. Ein aktuelles Beispiel dafür ist ein abgebrochenes Gespräch zwischen Thüringens AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke und einem ZDF-Journalisten. Der konzentrierte sich in den ersten zehn Minuten (viel mehr sollten es laut Planung gar nicht werden) auf die Nähe von Höckes Sprache zum Duktus aus dem Nationalsozialismus. Dass Höcke Reden hält, die sich von Adolf Hitlers Art Reden zu halten, inspirieren ließen, ist anzunehmen. Der Journalist aber hielt Höcke, dem Frontrunner des rechten AfD-Flügels, ein Tablet hin mit Aussagen von AfD-Politikern, die erklären sollten: Sind gewisse Passagen aus einem Buch Höckes von ihm oder von Hitler?

Ich fand das komisch. Die AfD-Politiker wussten nicht viel dazu zu sagen, ich selbst hätte auch mit den Achseln gezuckt. Es waren Fangfragen. Da wurde ein Stöckchen hingehalten, beharrlich, und die Rechtspopulisten sollten rüberspringen. Taten sie aber nicht.

Höcke zeigte sich genervt, auch eine gewisse Menschenscheu schwurbelte herum. Doch der Reporter blieb beim Thema “Ähnlichkeiten zur NS-Sprache”, bis der Pressesprecher eingriff; aus der sich anschließenden Kontroverse heraus wurde das Interview abgebrochen.

Besser das Mikro als die Lupe

Ich war irgendwann auch genervt, aber aus anderen Motiven heraus als Höcke. Das Stilmittel mit dem Tablet als Einstieg: okay. Aber ausschließlich? Mir kam der Argwohn auf, der Reporter wolle Höcke entlarven, enttarnen, damit er aufspringt, sich den Anzug runterreißt und das Braunhemd stolz zeigt: Ja, ich kann nicht mehr anders, ich bin wieder da…

So einfach ist das nicht. Diese richterliche Vogelperspektive ging daneben. Da war kein stetes “Warum?”, kein Abfragen von Argumenten, sondern ein detektivischer Überführungsversuch. Wir Journalisten sind aber kein Sherlock Holmes. Wir sind Chronisten. Und mein Eindruck war bisher immer, dass Rechtspopulisten sich irgendwann selbst “enttarnen”, im Sinne von “entblättern”, und ihre Argumentation offen dasteht. Dann kann der Leser selbst entscheiden, ob er dem zustimmt oder nicht. Wir Journalisten haben insofern eine Wächteraufgabe, dass eine interviewte Person möglichst ausgeleuchtet wird, dass möglichst wenig inszeniert wird. Ein Vorführen aber ist eine Inszenierung.

Dass Höcke dann das Interview abbrach, spricht auch wieder Bände, vor allem über seine fehlende Souveränität. Unangenehme Fragen? Werden nicht beantwortet. Stattdessen träumte er ein wenig verhuscht davon, in der Zukunft zu einer “interessanten politischen Person” im Land aufzusteigen und sah “massive Konsequenzen” für die Zusammenarbeit zwischen Politikern und Journalisten ebenfalls aufsteigen - sollte das Interview nicht nochmal von vorn begonnen werden, mit ihm genehmeren Fragen; was alles keine Drohung gegenüber dem Reporter war, sondern sich selbst zu wichtig nehmender Quatsch.

Höcke maßte sich an, die Choreographie des Interviews selbst zu bestimmen – und als der Reporter sich zu Recht dagegen weigerte, hatten beide Seiten ihren “Skandal”: Höcke steht als Opfer da, und der Reporter als Verteidiger der Pressefreiheit. Ein Gewinn aber für die politische Meinungsbildung war dieses Interview nicht.