Kommentar: Wie man mit der AfD zu Tische sitzt

Und wem trinke ich heute einen Kaffee? AfD-Parteichef Jörg Meuthen (Bild: Getty Images)
Und wem trinke ich heute einen Kaffee? AfD-Parteichef Jörg Meuthen (Bild: Getty Images)

Ein Vertreter staatlicher Filmförderung sitzt mit einem AfD-Politiker zu Tisch. Ein Skandal? Ein Rücktrittsgrund? Warum lassen wir nicht die Kirche im Dorf?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Es sind schon komische Zeiten, in denen das, was man nicht tut, als revolutionärer Akt verkauft wird. Bin ich ein braver Demokrat, wenn ich mich mit jemandem NICHT treffe? Bin ich ein mutiger Antifaschist, wenn ich mit einem Rechten keinen Kaffee trinke?

Gerade kocht eine Debatte hoch, die keine sein sollte: Ende Juli traf sich der Chef der hessischen Filmförderung, Hans Joachim Mendig, mit dem AfD-Parteichef Jörg Meuthen und dem als „PR-Berater“ hausierenden Moritz Hunzinger. Es geschah in einem Lokal, es gab Kaffee und ein Foto der drei, welches Meuthen postete, und zwar mit dem Kommentar, es habe ein „angeregter und konstruktiver politischer Gedankenaustausch“ stattgefunden.

Nun, Monate später, ist mancher aufgeregt. Offene Briefe kursieren, Institutionen missbilligen, Rücktrittsforderungen werden laut. Mit dem Meuthen an einem Tisch sitzen, das gehe nicht, heißt es. Mendig bekleide eine Position „mit hohen Anforderungen an Überparteilichkeit, Offenheit für vielfältige künstlerische Positionen, demokratische Kultur und Transparenz“, schreiben 150 Filmschaffende.

Ein Sturm im Wasserglas

Ich halte diesen Aufschrei für Humbug. Denn die durchaus wichtige Parole „Kein Fußbreit den Faschisten“ bezieht sich auf deren politischen Einfluss, auf die Ausübung von Ämtern und Macht. Sicherlich geht es bei diesem Motto auch darum, den oft menschenfeindlichen Diskursen von Rechten etwas entgegenzusetzen. Tut man das aber, indem man nichts tut?

Solch eine Haltung ist ein Missverständnis. Es ist Westentaschen-Antifa, wenn die Auseinandersetzung nicht stattfindet. Eine Gesprächsverweigerung ist keine Auseinandersetzung, höchstens ein kleiner symbolischer Akt mit zweifelhaften Folgen. Es ist eine hochmütige Klassenattitüde, wenn Formen normaler Höflichkeit verweigert werden, wie zum Beispiel die Einladung zu einer Tasse Kaffee. Es erinnert mich an eine Szene in Dresden, als Kinobesucher den anwesenden AfD-Politiker Jens Maier johlend zum Verlassen des Saales „einluden“ und sich danach nicht wirklich toll und antifaschistisch zu finden hatten.

Ein Einwand wäre: Das tut man schlicht nicht – sich mit Menschen an einen Tisch setzen, die Menschenfeindliches propagieren. Das ist bei Meuthen zweifellos der Fall. Der AfD-Politiker ist meisterlich im Glätten schlimmster rassistischer Flüche. Aber: Eine gemeinsame Tasse Kaffee bedeutet nicht, dass man sich gemein macht.

Mendig, dessen Namen nun das halbe Land erstmals vernommen haben wird, weist auf die Privatheit dieses Koffeinkonsums hin. Und was soll er auf die Forderungen zur Distanzierung antworten? Dass seine Tasse entkoffeiniert gewesen sei? Dass das Gespräch ganz so „angeregt und konstruktiv“ nicht gewesen sei?

Hinter die Fassade aktiv blicken

Die AfD baut derzeit an einer bürgerlichen Fassade. Tatsächlich ist sie völkisch und daher sehr unbürgerlich. Weil dieser Fakt abschreckt, basteln Leute wie Meuthen an einem „Normalo-Image“ der Partei, und da sind solche Fotos über die Sozialen Medien wichtig: Sie strahlen eine Normalität aus, und ein Chef staatlicher Filmförderung ist zwar kein Hugh Grant und kein Paul Breitner, aber auch kein Finanzbeamter. Und sicherlich hilft solch ein Kaffeefoto der Inszenierung von (unschuldiger) Bürgerlichkeit – aber auf der anderen Seite dokumentiert solch ein Foto erst recht „normale“ Gepflogenheiten unter Menschen. Und sowas wiegt mehr. Eine Tasse Kaffee mit Menschen, die menschenfeindlich agieren, ist ein Akt der Souveränität.

Die bürgerliche Fassade der AfD bröckelt auch nicht, wenn sich kein bekannter Bürger mit AfD-Politikern trifft. Diese Fassade bröckelt in der direkten Auseinandersetzung, oder wie es unlängst ein in den Umgangsformen bewanderter britischer Bürger tat, als er den herumtourenden Premierminister Boris Johnson, eine Art britischer AfD-Clown, recht höflich und lächelnd dazu aufforderte seine Stadt zu verlassen.

Übrigen hat Hessens AfD auf diese Kontroverse reagiert. „Menschen, die sich mit AfD-Politikern treffen, noch dazu privat, sind nicht vogelfrei“, erklärte Frank Grobe, kulturpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion. Auf diese Steilvorlage hätte man also verzichten können. Die Selbstbezichtigung als Opfer ist bei der AfD ein Grundpfeiler ihrer Kommunikation. Sie kann sich ganz hübsch diskriminiert fühlen. Da braucht es solcher Vorwände wie einer Kaffeekranzkontroverse nicht.