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Kommentar: Wie sich Sebastian Kurz aus der Corona-Krise heuchelt

Weiß sich zu inszenieren: Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (Bild: REUTERS/Leonhard Foeger)
Weiß sich zu inszenieren: Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (Bild: REUTERS/Leonhard Foeger)

Österreichs Bundeskanzler will sich bei der Impfstoffbeschaffung unabhängiger von der EU machen. Damit lenkt er von eigenen Fehlern ab.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Eigentlich ist es keine schlechte Nachricht. Österreich und Dänemark schließen sich mit Israel zusammen, um gemeinsam an Impfstoffen für den langfristigen Kampf gegen das Coronavirus zu arbeiten. Besonders die sich auch für die Zukunft abzeichnenden Mutationen haben sie dabei im Blick. Doch in Wien tut man so, als würde dadurch das Rad neu erfunden. Und Bundeskanzler Sebastian Kurz präsentiert sich als einen entschlossenen Krisenmanager, der er in Wirklichkeit nicht ist.

Grund für die Aktion ist die allgemeine Unzufriedenheit mit der Impfstoffbeschaffung durch die EU. Die hat zu zögerlich verhandelt, zu wenig bestellt und zu sehr auf günstige Einkaufspreise geschaut. Doch für das allzu schleppende Impfen nun Brüssel verantwortlich zu machen, ist nicht einmal die Hälfte der Geschichte. Kurz steckt selbst im Schlamassel.

Zum einen: Israel steht beim Impfen hervorragend da. Das kleine Land ist aber kaum vergleichbar mit dem europäischen Staatenbund, ist zentral organisiert, besonders im Gesundheitswesen. Die Deals, die Tel Aviv mit den Impfherstellern erzielte, könnte auch Österreich allein aus Datenschutzgründen nicht erreichen. Auch fackelten die Israelis nicht lange und zahlten viel mehr für die Dosen.

Brüssel liegt bei Wien

Kurz kann nicht so tun, als habe er mit Brüssel nichts zu tun. Interessanterweise agierte bei der Impfstoffbeschaffung der Kommission ein Österreicher an vorderer Stelle, der auch Sonderbeauftragter im österreichischen Gesundheitsministerium ist. Und bisher ist es der Alpenrepublik, wie Deutschland, auch nicht gelungen, die bisher gelieferten Impfstoffe zu verimpfen: Ein Fünftel der Dosen lagert immer noch in Österreich, während Kurz laut darüber meckert, nicht genügend Impfstoff zur Verfügung zu haben. Es ist das typische Blame Game zum Ablenken von eigenem Versagen.

Nicht zu vergessen ist auch, dass Österreich mit Dänemark zu den so genannten „Sparsamen Vier“ gehörte, die im vergangenen Jahr einen Corona-Aufbaufonds zu verhindern versuchten, indem sie auf die Kosten schauten. Welche Rolle spielte dies bei den Preisverhandlungen mit den Impfstoffherstellern? Diese Frage wird in Zukunft zu beantworten sein.

Aber Kurz ist ein guter Verkäufer. Er stilisiert sich als Macher, handelt sein junges Alter als Wert an sich. Mit Erfolg: So hat zum Beispiel die „Bild“-Zeitung in ihrer Anhimmelei den journalistischen Auftrag abgegeben und vermeldete reißerisch unter der Schlagzeile „Kanzler Kurz bricht mit EU-Versagern“ seine Ankündigung des Mini-Alleingangs. Unausgesprochen stellt die Redaktion ihn als jemanden dar, der natürlich kein Versager sei. Der Artikel ist eine reine Verlautbarung von Kurz, „Bild“ reduziert sich zu seiner Pressestelle. Im Text gibt es keine Einordnung, keinen Zusammenhang. Aber es passt in die ausgegebene Strategie, gegen die EU-Kommission anzuschreiben.

Vorhang auf, Manege frei

Während Kurz also im Ausland von einigen nun als eine Art Zampano wahrgenommen wird, ist die heimische österreichische Presse viel kritischer. Die hat ihren Weihrauch längst aufgebraucht und kommt nicht umhin, hinter die Fassade des Marketingpolitikers zu schauen.

Gegen Corona schaden Zusammenschlüsse nicht. Und die EU wird nicht zusammenbrechen, wenn einige Mitgliedsländer parallel eigene Wege ausprobieren. Alles andere ist Schall und Rauch, wie man ihn von Populisten wie Kurz mittlerweile bestens kennt.

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