Kommentar: Wie wir uns mit dem Qatar-Gasdeal die Hände schmutzig machen

Qatars Energieminister Saad al-Kaabi auf einer Pressekonferenz am vergangenen Dienstag, als er den Gasdeal mit Deutschland bekanntgibt (Bild: REUTERS/Imad Creidi)
Qatars Energieminister Saad al-Kaabi auf einer Pressekonferenz am vergangenen Dienstag, als er den Gasdeal mit Deutschland bekanntgibt (Bild: REUTERS/Imad Creidi)

Überraschend gibt es mit Qatar doch einen Liefervertrag über Gas – das macht das Kritisieren dieses Emirats ein wenig schwieriger. Dabei hatten wir es uns so gemütlich gemacht! Aber Doppelmoral ist halt keine Moral. Und dann geht es noch um etwas ganz anderes.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen hat einen harten Job. Zuerst wurde er bespöttelt, dass er im März bei einer Reise nach Qatar einen rückenkrümmenden Gruß hinlegte – er wollte Verhandlungen zum Kauf von Flüssiggas anschieben. Habeck wurde noch mehr belacht, als es hieß: Die Qatarer liefern nichts. Dann kam die Fußball-WM, und der Grüne fand die Ausrichtung des Turniers dort „bekloppt“ und empfahl Nationalmannschaftskapitän Manuel Neuer die Regenbogen-Armbinde. Und nun, zu guter Letzt, doch ein Vertrag über die Lieferung von Gas aus Qatar. Das findet Habeck jetzt gut.

Kann man Qatar als politisches System kritisieren, ihm nicht die Ausrichtung großer Sportwettbewerbe gönnen und dann mit ihm Geschäfte machen? Das ist schwer verdaulich, oder wie es Bert Brecht sagte: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“

Worum geht es? Ab dem Jahr 2026 soll Gas über eine kanadische Mittelsfirma geliefert werden, 15 Jahre lang. Dies entspricht in etwa drei Prozent unseres Verbrauchs an Gas. Viel ist es also nicht, wird die sofortige Krisenlage nicht beeinflussen und ist auch von kürzerer Lieferzeit als ursprünglich von den Qataris avisiert.

Dennoch bringt es eine Versorgungssicherheit. Damit stellt Deutschland seine Energieimporte auf breitere Beine. Aber ist es das wert?

Sportswashing und Business sind nicht das gleiche

Da ist zum einen das Wohlfeile an dieser Aktion. Mit den Gaserlösen finanziert sich die qatarische Regierung genau die Politik, die wir kritisieren: Zwar würden auch ohne Öl und Gas die Menschenrechte nicht genügend realisiert werden – aber mit dem Geld hat das Regime mächtigere Mittel in der Hand, damit weiterzumachen. Auch mischt sie sich in die internationale Politik ein, mit diesem Geld, und das nicht immer zur Verbesserung der Welt – siehe die Milizen im syrischen Bürgerkrieg und im Jemen, die Bewegung der Islamisten.

Zum anderen aber wurde bisher nicht ernsthaft darüber diskutiert, mit Qatar gar keine Geschäfte zu machen, schließlich ist das Emirat kein Nordkorea. Und es macht einen Unterschied, ob man Wirtschaftsbeziehungen unterhält oder ob man dazu beiträgt, dass in einem Land wie Qatar ein Prestigeobjekt namens Fußball-WM abgehalten wird. Letzteres war von Grund auf ein Fehler, man ließ sich halt kaufen, und nun ist das Kind in den Brunnen gefallen. Jetzt läuft der Ball, und wer das Turnier boykottieren will, darf das gerne tun. Und andersrum.

Der Gasdeal weist indes aus zwei anderen Gründen in die falsche Richtung. Da ist der Fakt, dass Energie eben kein Gut wie Salzstangen ist. Es ist ein geostrategisch hochsensibles Produkt. An Russland ist zu begutachten, was passiert, wenn man sich an ein autoritäres Regime in diesem Bereich bindet. Erinnern wir uns: Nicht Deutschland hat die Gaslieferungsverträge gekündigt, sondern Russland hat aufgehört zu liefern. Nun sind die Umfänge des Gasgeschäfts mit Doha ungleich kleiner, und bisher hat sich das Emirat als verlässlicher Exporteur erwiesen. Aber man weiß nie. Binden würde ich mich daran ebenfalls nicht.

Das hier steht auf der Agenda

Und der zweite sowie weitaus wichtigste Grund ist, dass dieser Gasimport uns weiter an fossilen Energien festhalten lässt. Klar, ganz realistisch gesehen ist Gas im Jahr 2026 und darüber hinaus in Deutschland ein benötigter Energieträger. Aber Norwegen und Kanada wären die Lieferanten „unseres Vertrauens“. Und die Lieferverträge sollten noch kürzer sein, denn Gas ist ein Auslaufmodell. Es schadet dem Klima. Und jede weitere Fessel daran macht müde und taub für den nötigen Ausbau regenerativer Energien, die in allem am besten sind: Sie stemmen sich gegen den Klimawandel, machen unabhängig, helfen der Natur, schaffen Jobs und unterstützen keine Autokraten. Sie sind der Weg. Und nun weiter zum nächsten Spiel.

Im Video: Flüssiggas für 15 Jahre: Qatar schließt Deal mit Deutschland