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Kommentar: Will Rammstein so eklig weiterbestehen?

Vor einem Merchandise-Geschäft der Band Rammstein in München am vergangenen Mittwoch (Bild: REUTERS/Christine Uyanik)
Vor einem Merchandise-Geschäft der Band Rammstein in München am vergangenen Mittwoch (Bild: REUTERS/Christine Uyanik)

Nach den öffentlichen Vorwürfen gegen Rammstein macht die Band alles falsch, was sie nur falsch machen kann. Es geht nicht um Vorverurteilung. Denn was bereits gesichert ist, knallt die Unwürdigkeitsskala nach oben durch.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Es spricht nichts dagegen, Partys zu feiern. Meinetwegen auch vor und nach einem Konzert, also wer die Power hat. Aber die „Pre-Party“ und „After-Party“, die bei Auftritten der Band Rammstein zum Accessoire gehörten, waren dann doch zu speziell. Denn da ist die Sache mit dem „Macht-Ding“, wie es die Influencerin Kayla Shyx nennt. Das wurde wohl zelebriert, ein ständiges Oben-nach-Unten, sexuell transportiert. Und dann geht es nicht mehr darum, wie viel Power man hat, sondern wie stark man Andere erniedrigen will oder nicht.

Gegen Rammstein stehen heftige Vorwürfe im Raum. Zu den strafwürdigen Punkten wie die Verwendung von K.O.-Tropfen, Vergewaltigung und andere Gewaltformen ist in diesem Text vorerst nicht die Rede – aber die Band und ihre Fans, die sich gerade wie eine Wagenburg zusammenstellen und sich darauf konzentrieren, allein diese Vorwürfe abzuwehren wie einen Tennisball, blenden damit gesicherte Erkenntnisse aus, die schon ausreichen, um bei solch einer Formation lieber den Bürgersteig wechseln zu wollen.

Fragen über Fragen

Ich stelle mir die Leute von Rammstein als normale Typen vor. Die haben sicherlich einen Alltag, der sich nicht immer von unserem unterscheidet – mit alten Freunden vorm Berühmtsein, mit Einflüssen durch Nachbarn und andere Bekannte. Was sagen die denen nun? Wie erklären sie es ihnen, dass es da diese Partys gab?

Rammstein-Frontmann Till Lindemann (Bild: Hannelore Foerster/Getty Images)
Rammstein-Frontmann Till Lindemann (Bild: Hannelore Foerster/Getty Images)

Warum wurden offenbar, wie berichtet wird, besonders junge Frauen dafür ausgesucht? Wurde gecheckt, dass sie besonders starke Fans sind? Musste man sein Handy abgeben? Und tat das der Till auch? Wurde da vehement Alkohol angeboten – und mit welchem Motiv? Was ist mit den „verängstigten Gesichtern“, haben sie die auch gesehen, wie fanden sie das? Und, fragt dann der Nachbar aus dem vierten Stock, ging es da um Sex?

Wenn da überall „nichts gewesen“ sein soll, warum wurde die so genannte „Casting Direktorin“ von der Band verbannt? Wer erfindet überhaupt solche Jobs? Immerhin ist davon auszugehen, dass diese mutmaßliche Frauenbesorgerin nur das tat, was man von ihr erwartete. Große Unschuldsaugen können die Bandmitglieder nicht allen Ernstes versuchen. Dass indes die „Direktorin“ erste Konsequenzen in diesem hochkochenden Multiskandal zu ziehen hat, ist nur folgerichtig: Und wieder trifft es eine Frau.

Was übrigbleibt

Wenn ich es richtig verstehe, interpretiert die Band mit ihrer Musik und ihren Texten auf verschachtelte und ironische Art Themen rund um Gewalt, Sexualität und das Land. Auch Kritik an bestehenden Verhältnissen wird von Manchen da herausgelesen. Dass Band und ihre Harcorefans nichts zu diesen "Partys" sagen, verstört. Es klingt, als ob man auch mal ein bisschen fies sein will. Gewisses nicht an sich heranlassen will. Da geht etwas um in unserem Land. Frauen beschweren sich - was wollen die überhaupt? Menschen fliehen gen unser Land - ach, machen wir mal auf Außenlager. Gegen Klimawandel etwas unternehmen - klar, aber nicht mit meiner Heizung und nicht mit meinem Küchenfensterpanorama.

Wenn es bei Rammstein um spielerische Reflektion geht, um Kunst, dann ist bei diesen Partys offensichtlich etwas schiefgegangen mit der Kunst. Viel Ironie ist da nicht zu erkennen. Nur plumpe Macht, die in ihrer Würdelosigkeit dasteht, als wären alle Bandmitglieder auf der Bühne nackt; egal ob sie mitmachten oder „nur“ davon wussten. Hätten Menschen darunter nicht gelitten, würde man nur verständnislos wegschauen, höchstens drüber lachen. Aber so. So können sie nur den Weg nach Canossa erfragen, sich währenddessen häuten und dann sehen, was übrigbleibt.

Video: Nach Vorwürfen gegen Lindemann: Rammstein treten in München auf