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Kommentar: Wir geframten Opfer des Staatsfunks

Das ARD-Hauptstadtstudio in Berlin (Bild: ARD)
Das ARD-Hauptstadtstudio in Berlin (Bild: ARD)

Eine geheime Sprech-Anleitung des öffentlichen Rundfunks schlägt Wellen. Werden wir manipuliert? Es gibt tatsächlich eine Gehirnwäsche – und zwar bei den Empörten.

Ein Kommentar von Jan Rübel

“Zur Weitergabe völlig ungeeignet”, hieß es von der ARD-Spitze über ominöse 89 Seiten, die eine subversive Person dann doch der Öffentlichkeit zusteckte und welche in den Worten der “Bild”-Zeitung ein “Geheimpapier” sind. Donnerlittchen, dachte ich mir, das klingt spannend. Versprach doch das Boulevardblatt eine “Art Manipulation unserer Köpfe”, ein “Umerziehen“ und schrieb gar “Kritiker nennen das Gehirnwäsche”. Ich war mächtig aufgeregt.

Schließlich bin ich nicht gerade ein Fan des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ja, Qualität und unabhängiger Journalismus haben ihren Preis. Und beides gedeiht bei ARD und ZDF sicherlich besser, weil eben das Gebührengeld es ermöglicht. Aber zum einen finde ich die Ergebnisse teilweise ernüchternd, und zum anderen kann ich nur wenig darüber sagen, weil ich den Fernseher nur anschalte, um Netflix zu schauen. Die monatliche Zwangsabgabe wurmt schon ein wenig.

Ich war also recht angefixt und frohlockte ob eines Skandals, schließlich ist “Framing” ein veritables Schimpfwort geworden, selbst meinen Neffen beglückte ich mit einem Buch darüber unterm Weihnachtsbaum. It‘s all manipulation, pal!

Framing: Alltäglich & nervig

In dem “Framing Manual” geht es um eine Sprech-Anleitung, also darum, wie die Großkopferten bei ARD über ihren Arbeitgeber reden sollen. Mit schwingt der Wunsch, dass sich die transportierten Wörter verbreiten, Allgemeingut werden und solch böses Vokabular wie “Staatsfunk“ oder „Zwangsgebühren” in den Hintergrund rückt. Solch Ansinnen ist weder revolutionär noch konspirativ.

Jedes größere Unternehmen pflegt einen gewissen Sprech über sich selbst. Das nervt oft, denn Wunsch und Wirklichkeit klaffen zuweilen auseinander. Dass aber Angestellte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch ganz freiwillig ungern von sich als Bedienstete eines Zwangsgebührenstaatsfunks reden, versteht sich von selbst.

Ich schaute also ins “Geheimpapier” und hoffte auf Skandalöses. Und ich fand:

“Fernsehen ohne Profitzensur.”

“Gemeinsamer Rundfunk statt Informationsanarchie.”

“Wir nehmen jeden ernst – auch deine Oma.”

“Demokratie statt Umsatz.”

“Die ARD ist der verlängerte Arm des Bürgers.”

“Demokratie statt ideologischer Monopolisierung.”

“Exzellenz statt Profitfixierung.”

“Andere wollen Geldgewinne. Wir wollen Kulturgewinn.”

“Kein Demokratiekapitalismus. Kein Rundfunkkapitalismus. Kein Informationskapitalismus.”

Ich war enttäuscht. Gehirnwäsche stellte ich mir anders vor, größtenteils handelt es sich um kleine Übertreibungen tatsächlicher Fakten. Ich sah auch keine “Geißelung” oder Verunglimpfung privaten Rundfunks, wie manche nun aufschreien. Natürlich sind Sender wie RTL oder Sat.1 rein umsatzorientiert, darum geht es. Und die “Öffentlichen” verspüren den Umsatzdruck ebenfalls, aber weniger. Auch tun die “Öffentlichen” einiges für eine flächendeckende Kulturberichterstattung. Ich vermute, bei den “Privaten” findet sich sowas seltener.

Früher war alles besser, ausnahmsweise

Zeiten lassen sich nicht zurückdrehen. Der Siegeszug der “Privaten” seit den Achtzigern des vorigen Jahrhunderts geschah halt, übrigens mit Pionieren wie dem Schmierenbaron Silvio Berlusconi und einem echten Verdummungsansatz. Der Programmqualität, so viel kann ich noch sagen, half das nicht. Was die “drei” Programme mit den GEZ-Gebühren auf die Beine stellten, reichte nicht nur aus – es wäre auch besser gewesen, wäre es dabeigeblieben. Aber hätte, hätte, Fahrradkette.

Wäre ich ein ARD-Manager, ich würde diese Sprech-Anleitung recht ordentlich gemacht finden. Fragt sich, warum Medien wie “Bild” plötzlich heulen und sich als Volksaufklärer gerieren. Gehirnwäsche und Manipulation? Finde ich eher in den großen Buchstaben der Zeitung, zum Beispiel unlängst in einem Artikel, bei dem es im Titel groß hieß: “Stadt braucht Platz für Flüchtlinge: Rentner muss Wohnung räumen”, und der lang und breit Leben und Leiden eines Mannes beschreibt. Am Ende dann die Auflösung: “Als Ersatz wurde Klaus Roth eine andere, kleinere Wohnung (85m²) angeboten. Auch in einem Fachwerkhaus, und mit kleinem Garten – aber ohne all die Erinnerungen…”

Und dann fragt man sich, warum im Land Leute behaupten, wegen Geflüchteten müssten brave Bürger auf die Straße. Wenn sich die “Bild” über Framing aufregt, sollte sie erstmal in den Spiegel blicken.