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Kommentar: Wird Robert Habeck der grüne Ikarus?

In den Umfragen gibt es für den Bundeswirtschaftsminister den Weg nach unten. Die Erhebungen zeigen: Wer hochsteigt, fällt im Zweifel tiefer. Was nicht heißt, das man gleich ganz unten ankommen muss.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beim Besuch beim Besuch des Spremberger Kraftwerks
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beim Besuch beim Besuch des Spremberger Kraftwerks "Schwarze Pumpe" im Februar (Bild: REUTERS/Matthias Rietschel)

Für Robert Habeck gibt es viele Zuschreibungen. Kanzler der Herzen, heißt er bei nicht Wenigen. „Fall eines Sympathieträger“ – so titelte bereits im vergangenen Herbst „Ntv“. Der Grünen-Politiker fällt eben aus dem Rahmen; entsprechend die polarisierenden Beschreibungen.

Jedenfalls fällt Habeck auch in den Umfragen zur Beliebtheit von Politikern zurück. Lange Zeit führte er etwa das Politbarometer an. Doch seit Monaten auf dem dritten Platz, hat er in der vergangenen Woche noch einmal stark an Werten verloren. Das parteiübergreifende Ansehen, das ihn weit nach oben getragen hat, bröckelt. Vor allem Anhänger anderer Parteien sehen ihn kritischer als in der Vergangenheit. Woran liegt das?

Tatsächlich scheint Habeck bei den Deutschen einen Nerv zu berühren. Gleich mit Beginn seiner Amtszeit als Minister landete er im Politbarometer auf dem dritten Rang – nur die Altkanzlerin Angela Merkel und ihren Nachfolger Olaf Scholz vor sich. Dann begann der Krieg in der Ukraine. Krisenmanagement war gefragt. Und Habeck wuchs in eine anerkannte Rolle hinein.

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Schon immer galt er als nahbar. Als der Schriftsteller aus dem hohen Norden, der so redet, dass man ihn auch versteht. Keine verdrucksten Bürokratieformeln, sondern nachdenkliche Sätze, die selbst verschachtelt noch sympathisch wirkten.

In der Öffentlichkeit kam er vor einem Jahr als der Mann rüber, der unsere Gasspeicher füllt. Das war natürlich überspitzt. Aber die Sorgenfalten, mit denen er sich zeigte, und auch die Ehrlichkeit, mit der er zugab, auch einmal etwas nicht zu wissen – all dies kam an. Schon im April 2022 galt er als beliebtester Politiker Deutschlands. Doch dann folgte manches Stolpern.

Denn Habeck muss einen Spagat hinlegen. Auf der einen Seite sind die grünen Ideale, eben mehr Klimaschutz, eine Energiewende, weg von der Betonisierung und Asphaltisierung der Republik. Und auf der anderen Seite steht die Aufgabe des Krisenmanagements im Schatten eines Krieges: Habeck musste und muss die Angst der Deutschen mindern, dass irgendwann die Heizungen nicht mehr anspringen, die Butter zu viel kostet und die Jobkündigung ins Haus flattert.

Ups, da war noch was

Jedenfalls kam Habeck aus dem Tritt. Man belustigte sich über seinen Besuch in Qatar, bei dem er sich vor den Oberen tief verbeugte, um an Flüssiggas heranzukommen. Er vollzog als ehemaliger Umweltminister Schleswig-Holsteins eine Kehrtwende bei den Kohlekraftwerken und überraschte gar mit der Ankündigung, Atomkraftwerke in Reserve zu halten; eingefleischten Grünen-Anhänger kam es vor, als würde er Luzifer zum neuen Staatssekretär ernennen. Da half dann auch nicht mehr die so genannte Revolutionierung der politischen Kommunikation, die man ihm zuschrieb.

All dies führte dazu, dass Habeck im September 2022 auf den dritten Platz des Politbarometers sank. Nur: Die Anhänger der Grünen hielten ihm bei diesen Werten die Treue. Das ist bis heute so.

Zum Beispiel kommt eine aktuelle Umfrage von Forsa zum Schluss, dass 53 Prozent der Deutschen Habeck sympathisch finden. Scholz (SPD) kommt auf 43 Prozent, und Oppositionsführer Friedrich Merz von der CDU nur auf 24 Prozent. Allerdings weisen die weiterführenden Fragen auch eine Schwäche bei Habeck auf: Nur 44 Prozent halten ihn für kompetent, und nur 35 Prozent empfinden den Vizekanzler für führungsstark. Eben noch in Erinnerung ist das Desaster um die von seinem Ministerium ersonnene Gas-Umlage, die rasch in der Schublade landete, oder sein irritierendes Gerede, was Insolvenzen genau seien.

Bei Butter auf dem Brot hört der Spaß auf

Und nun steht Habeck vor einem besonderen Problem. Die Gassorgen sind vorerst Vergangenheit, die Inflation nicht mehr brennendes Thema. Eigentlich hat der Grüne nun seine Kernkompetenzen und -aufgaben anzugehen, nämlich den Umbau Deutschlands zu einer klimafreundlicheren Region. Doch damit kann er sich nur unbeliebt machen. So kündigt er an, dass ab 2024 neue Heizungen beim Einbau nicht mehr auf Basis von Öl und Gas sein sollten – eigentlich ein Selbstgänger, von der Koalition beschlossen und dadurch explizit auch von der FDP mitgetragen.

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Weil es aber den Liberalen weitaus schlechter ergeht als den Grünen und weil ihr Parteichef Christian Lindner eine viel schlechtere Figur in der öffentlichen Wahrnehmung als Habeck macht, nutzt die FDP jeden Move, um sich vom Wirtschaftsminister abzugrenzen. Nochmal zurück zur Überarbeitung, kommentierte Lindner sich mokierend zur Habeckschen Heinzungsankündigung. Denn die Rechnung ist billig, aber einleuchtend: Zwar wollen die meisten Deutschen mehr Engagement der Politik für den Klimaschutz, sie sehen die Notwendigkeiten eines Umbaus. Wenn es aber um ein Windrad in Wohnnähe geht, sieht es dann plötzlich anders aus. Oder bei den Heizungen: Die „Berliner Morgenpost“ zitiert eine Umfrage, nach der 80 Prozent der Befragten Habecks Vorhaben ablehnen.

Leicht hat es Habeck also nicht, und die Probleme werden in Zukunft nicht weniger. Sein Trost kommt aus der Statistik: Die Meinungsforscher zeigen sich von der Umfragedelle nicht überrascht. Denn die wissen aus Erfahrung, dass jeder Anstieg irgendwann sein Ende findet. Dies ist bei Habeck der Fall. Es könnte eine Erdung bedeuten, eine Stabilisierung auf hohem Niveau. Oder der Beginn eines Durchreichens nach unten. Die kommenden Monate werden dies entscheiden.