Kommentar: Zaubertrick der Woche - Gelingt Merkel die Quadratur des Kreises?

Noch steht Merkel mit leeren Händen auf der europäischen Bühne (Bild: AP Photo/Virginia Mayo)
Noch steht Merkel mit leeren Händen auf der europäischen Bühne (Bild: AP Photo/Virginia Mayo)

Der Mini-Gipfel vor dem großen EU-Gipfel am Donnerstag endete ohne Beschluss. Irgendeine Manegensensation muss sich Angela Merkel nun rasch einfallen lassen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Angela Merkel hätte jetzt gern ein Feuerzeug und den Rucksack voller Silvesterraketen. In diesen entscheidenden Tagen muss sie zaubern, blenden, überzeugen und strahlen – denn schafft sie nicht die Moderation widerstreitender Interessen bis Ende dieser Woche, ist ihre politische Zukunft mehr als ungewiss.

Eine Einigung in der EU-Migrationspolitik muss jetzt her. Die gibt es seit vielen Monaten nicht, aber nun drängt die Zeit. Nicht, weil sich faktisch etwas aufdrängte. Es ist der bange Blick von Merkels Schwesterpartei CSU in den Kalender und der noch bangere Versuch der Christsozialen, bis zum Oktober und den anstehenden Landtagswahlen in Bayern sich zu einer Riege harter Hunde zu stilisieren.

Hier ein Überblick der Akteure in Merkels Drama:

CSU-Parteichef Horst Seehofer ist nebenbei auch Bundesinnenminister und in dieser Funktion auch Herr über die Bundespolizei. Er will Fliehende, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, an der Grenze abweisen lassen.

Italiens Innenminister Matteo Salvini beabsichtigt genau das Gegenteil. Italien ist ein Anrainerland, also übers Mittelmeer mit Griechenland und Spanien erste Anlaufadresse über die Fluchtroute Mittelmeer. Salvini will die Fliehenden verteilt sehen.

Vorhang auf für die Vorstellung

Merkels Problem: Seehofer und Salvini tun so, als zögen sie am selben Strang. Dieser Zaubertrick hat in der öffentlichen Wahrnehmung bestens funktioniert, ist nur von genau jener Lösungsfähigkeit meilenweit entfernt, welche dieses Duo von der Kanzlerin einfordert. Merkel muss einen noch brillanteren Bluff versuchen. Nur dann gelänge ihr die Quadratur des Kreises.

Weitere Verbündete sind vorerst nicht in Sicht. Die so genannten Visegrád-Staaten, also Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei, haben sich intern verabschiedet und wollen keine Fliehenden aufnehmen. Es wird aber auch in Zukunft welche geben. Ein Verteilschlüssel muss also her. Und auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron redet zwar herrlich visionär über Europa, aber bei den Alltagsfragen verheddert er sich rasch und lässt zu, dass französische Polizisten selbst Schwangere über die Grenze nach Italien prügeln; eine komische Auffassung von Europa.

Vielleicht ist der neue Regierungschef Spaniens eine Hilfe. Europa muss sich jetzt jenseits regionaler Wahlkämpfe, schönen Gruß nach Bayern, zusammenraufen. Wer nicht aufnimmt, muss dafür bezahlen. Die EU-Mittelmeerländer dürfen bei der Bewältigung dieser Aufgabe nicht allein gelassen werden, das heißt: Das Abkommen von Dublin, welches eben die Weiterreise von in einem EU-Land registrierten Asylbewerbern verbietet, sollte schleunigst für tot erklärt werden. Und dennoch muss Seehofer den Eindruck kriegen, er stehe irgendwie gut da – sonst schickt er seine Kavallerie los und provoziert das Ende der amtierenden Bundesregierung.

Ernstes Zeug in Kinderhänden

Merkels Problem ist, dass sie von Männern umringt ist, die sich an keiner Lösungssuche beteiligen. Sie verhalten sich wie Kinder auf einer Geburtstagsparty, welche die Süßigkeiten beim Spiel „Topfschlagen“ für sich reklamieren, ohne vorher den Topf gesucht zu haben; Merkel ist umgeben von Spaßbremsen, die zu viel Macht in den Händen halten.

Vielleicht gibt es gar eine geheime Verabredung zwischen den rechten EU-Politikern, erstmal Merkel zu demontieren und dann, ja was dann? Dann mal weitersehen? Seehofer und Salvini – einer von ihnen muss zum Teil der Lösung gemacht werden. Der andere sollte der Irrelevanz übergeben werden.

Am Donnerstag beginnt Merkels große Show. Einen Riesenhasen wird sie aus dem Zylinder ziehen müssen. Es wird spannend.