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Analyse zur Merkel-Nachfolge: Die CDU sucht den Superstar

Angela Merkel, Bundeskanzlerin und Vorsitzende der CDU, äußert sich bei einer Pressekonferenz mit dem Ministerpräsidenten von Hessen, Volker Bouffier, zum Ausgang der Landtagswahl in Hessen. (Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa)
Angela Merkel, Bundeskanzlerin und Vorsitzende der CDU, äußert sich bei einer Pressekonferenz mit dem Ministerpräsidenten von Hessen, Volker Bouffier, zum Ausgang der Landtagswahl in Hessen. (Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Angela Merkel ist auf dem Weg nach draußen, doch was jetzt? Die CDU steht nach der Rückzugsankündigung der Kanzlerin vor einem richtungsweisenden Parteitag. Wer soll die Christdemokraten führen? Und vor allem: Wohin?

Eine Analyse von Moritz Piehler

Es ging am Montagmorgen wie ein Paukenschlag durch die Union. Angela Merkel wird nicht mehr als Parteivorsitzende für die CDU kandidieren. In ihrer Partei hatte die Kritik zuletzt zugenommen, vor allem aus den Landesverbänden wurde der Unmut immer deutlicher hörbar. Die beiden herben Wahlschlappen in Bayern und nun auch in Hessen taten ein übriges. Die lasten nämlich viele CDU-Mitglieder aber auch durchaus Spitzenpolitiker aus den eigenen Reihen der Arbeit der Regierung und somit auch Merkel an.

Bislang hatte Merkel immer deutlich unterstrichen, dass eine Trennung von Kanzleramt und Parteivorsitz für sie nicht denkbar sei. Jetzt also ein erster Rückzug aus der ersten Reihe. Als Bundeskanzlerin will Merkel bis 2021 im Amt bleiben – unausgesprochen die Einschränkung: solange die Große Koalition an der Regierung ist. Aber das, worauf so viele ihrer Kritiker und Konkurrenten gewartet und worauf sie teilweise sogar aktiv hingearbeitet haben, ist plötzlich Realität. An der Partei-Spitze entsteht ein Macht Vakuum. Nur: Wer wird es füllen? Und was bedeutet das für die Zukunftsausrichtung der Partei?

Die Erfahrene: Annegret Kramp-Karrenbauer

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer will für den CDU-Parteivorsitz kandidieren. (Bild: dpa)
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer will für den CDU-Parteivorsitz kandidieren. (Bild: dpa)

Eine sichere Kandidatin, die Merkels Stelle als Parteivorsitzende einnehmen könnte, wäre Annegret Kramp-Karrenbauer. Erst im Februar wurde die 56-jährige mit überzeugenden 99 Prozent zur Generalsekretärin der CDU gewählt. Es war das eindeutigste Ergebnis in der Parteigeschichte, was für ihren großen Rückhalt in der Partei spricht. In ihrem Heimatland Saarland war sie von der Ministerin für Bildung, Arbeit und Soziales aufgestiegen bis zur Ministerpräsidentin einer kurzlebigen Jamaika-Koalition. In der darauf folgenden Großen Koalition regierte sie bis 2017 mit der SPD gemeinsam. Vielleicht wäre sie gerade deshalb eine geeignete Kandidatin für die kommenden unruhigen Zeiten in der CDU, weil sie sich bereits mit schwierigen Koalitionsverhandlungen mit allen möglichen Partnern auskennt.

Zugleich gilt Kramp-Karrenbauer aber auch als die Kandidatin, die der pragmatisch-praktischen Politik Merkels am nächsten steht. Vor allem in der Flüchtlingspolitik, aber auch in europäischen Fragen war Kramp-Karrenbauer bislang immer dicht an Merkels Positionen geblieben. Das könnte ihr bei einer Kandidatur zum Verhängnis werden. Offensichtlich ist den Wählern an Kontinuität, Merkels Allzweckwaffe, momentan weniger gelegen. Kramp-Karrenbauer müsste sich also zumindest in einigen Punkten politisch deutlich von Merkel absetzen, um auch glaubhaft für einen Neuanfang in der CDU stehen zu können.

Der Merkel-Kritiker: Jens Spahn

Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, hat sich in der Vergangenheit als scharfer Merkel-Kritiker profiliert . (Bild: Kay Nietfeld/dpa)
Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, hat sich in der Vergangenheit als scharfer Merkel-Kritiker profiliert . (Bild: Kay Nietfeld/dpa)

Ihr größter Konkurrent dürfte zunächst der aktuelle Gesundheitsminister Jens Spahn sein. Nachdem der langjährige Junge-Unions-Vorsitzende Phillip Mißfelder 2015 im Alter von nur 35 Jahren tragisch an einer Lungenembolie verstorben war, hat Spahn die Rolle des Wortführers des CDU-Nachwuchses übernommen. Auch er gilt als Merkel-Kritiker. Die Frage ist eher, ob Spahn das Charisma mitbringt, in seinem Alter bereits eine Partei zu führen und in ruhigere Gewässer zu leiten. Als Gesundheitsminister steht er einem nicht gerade prestigeträchtigen Ministerium vor, die alte Garde in der CDU dürfte den 38-Jährigen wohl eher zögerlich akzeptieren. Helfen könnte Spahn dabei, dass er für eine konservativere Politik eintritt, als Merkel sie betrieben hat. Zumindest innerparteilich. Bei Koalitionsverhandlungen mit einer SPD auf der Suche nach alter Stärke und Abgrenzung oder einer Grünen Partei, die vom Schicksal der letzten beiden Unions-Koalitionspartner gewarnt sein dürfte, könnte sich der konservative Kurs im Zweifelsfall schnell als gefährliche Untiefe für den Münsterländer entpuppen.

Immer wieder suchte Spahn die Öffentlichkeit mit provokativen Positionen, oft auch am Rande des Populismus tänzelnd. G20-Demonstranten bezeichnete er als Linksfaschisten, Hartz IV hält er für genug zum Leben, in der Diskussion um den Paragrafen 219a zum Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche positionierte er sich klar für den Erhalt des Gesetzes. Gerade in Sachen Flüchtlingspolitik, in der Spahn sich immer wieder kritisch gegen Merkels Kurs äußerte und sogar ein ganzes Buch dazu veröffentlichte („Ins Offene“, 2015), könnte er innerhalb der Union punkten – sich außerhalb, bei möglichen Koalitionspartnern, aber Wege verbauen. Ob er eine realistische Chance hat, wird deshalb auch entscheidend auf den Zustand der GroKo ankommen, wenn sich die CDU im Dezember in Hamburg zum Parteitag trifft.

Der Konservative: Friedrich Merz

Friedrich Merz sieht seine Chance. Die Nachfolge an der Parteispitze könnte auf dem CDU-Parteitag in Hamburg geregelt werden. (Bild: Jens Büttner/ZB/dpa)
Friedrich Merz sieht seine Chance. Die Nachfolge an der Parteispitze könnte auf dem CDU-Parteitag in Hamburg geregelt werden. (Bild: Jens Büttner/ZB/dpa)

Ein weiterer Kandidat, der durch Merkels stückweisen Rückzug politisch Morgenluft schnuppern könnte, ist der frühere Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (62), der als erster seinen Hut in den Ring warf. Seit er seinen Machtkampf mit Angela Merkel 2009 verloren hatte, hat sich Merz aus der Bundespolitik zurückgezogen. Merz gilt als Vertreter wirtschaftsliberaler Positionen, er plädiert zum Beispiel für ein stark vereinfachtes Steuersystem. Dazu vertritt er klassisch konservative Werte, er stieß vor Jahren die Debatte über die “deutsche Leitkultur” an. Eine Wahl von Merz an die Parteispitze wäre ein insofern klares Signal für eine konservativere Ausrichtung, als dass er sehr für eine Rückkehr zu vergangener Unions-Politik stünde. Die Frage ist nur, ob das 2018 noch zeitgemäß und von den Wählern überhaupt gewünscht ist.

Der Außenseiter: Armin Laschet

Armin Laschet (CDU) ist Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. (Bild: Christophe Gateau/dpa)
Armin Laschet (CDU) ist Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. (Bild: Christophe Gateau/dpa)

Neben diesen drei wahrscheinlichsten Kandidaten gibt es auch noch Spekulationen um einige Außenseiter. Armin Laschet, der als Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen einer Schwarz-Gelben Mehrheit vorsteht, lässt eine mögliche Kandidatur noch offen. Laschet saß zwar von 1994-1998 als Abgeordneter im Bundestag, aber gilt doch eher als Landespolitiker. Der Aachener ist überzeugter Katholik und eckt in manchen Punkten an der Lebensrealität der heutigen Wählergeneration an. Sowohl in der Energiepolitik, als auch bei der Gleichstellung vertritt Laschet strikt konservative Positionen, die kaum einen Aufbruch für die CDU bedeuten dürften.

Der Vielseitige: Daniel Günther

Daniel Günther ist der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. (Bild: Markus Scholz/dpa)
Daniel Günther ist der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. (Bild: Markus Scholz/dpa)

Ein weiterer Kandidat ist auch Daniel Günther, der in Schleswig-Holstein eine Jamaika-Koalition führt, die durchaus als Vorbild auf Bundesebene dienen könnte. Der 45-Jährige bietet vielleicht die geeignete Mischung für eine modernisierte CDU, die sich dennoch auf ihren konservativen Kern besinnt. Zwar vertritt er durchaus gesellschaftspolitisch liberale Positionen, beispielsweise in der Ökologisierung der Landwirtschaft oder der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Das macht ihn auch für eine eventuelle schwarz-grüne Koalition leicht vermittelbar. Für die CDU-Basis ist das aber nicht schlimm, denn bei der Innenpolitik bleibt der Norddeutsche knackig konservativ. Ab dem 1. November ist er zudem turnusmäßig Bundesratsvorsitzender und könnte sich so etwas mehr bundesweites Profil in der Partei verschaffen.

Bislang haben sich aber weder Laschet noch Günther zum Thema einer möglichen Kandidatur geäußert. Fraktionschef Ralph Brinkhaus und Alt-Politiker Wolfgang Schäuble (76) dagegen dürften kaum ernstzunehmende Kandidaten für den Parteivorsitz sein.

Die Abstimmung über den Parteivorsitz wird in jedem Fall eine richtungsweisende für die CDU werden. Sollen Teile der Merkel-Agenda bewahrt und weitergeführt werden? Gelingt dann trotzdem ein vermittelbarer Neuanfang, der frustrierte Wähler zurückgewinnen kann? Oder ist die Flucht nach vorne eine nach hinten und die CDU wählt einen Kandidaten, der für die konservative Politik der Prä-Merkel Ära steht? Bis zum Dezember haben die Kandidaten Zeit, sich und ihre Vision für die Zukunft der Christdemokraten in Stellung zu bringen. Dann wird es ausgerechnet in Angelas Merkels Geburtsstadt Hamburg um ihr Erbe und ihre Nachfolge gehen.

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