Kommunikationsexperte Michael Ehlers - Warum Söder und Merz gemeinsames Spiel gegen Habeck führen
Markus Söder sorgt mit einem neuen Instagram-Video für Wirbel. Der bayerische Ministerpräsident greift Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck frontal an. Kommunikationsexperte Michael Ehlers analysiert die Hintergründe.
Söder hält sich ein Türchen offen
Der Advent ist eine schöne Jahreszeit, um über Türchen zu sprechen. Die kleinen Kinder machen jeden Tag an ihrem Adventskalender ein neues auf. Vielleicht haben sich die großen Kinder, Friedrich Merz und Markus Söder , immerhin die Vorsitzenden der Parteien mit dem christlichen C im Namen, in dieser „Zeit der Erwartung“ davon inspirieren lassen: beide sind jedenfalls ziemlich gut im Türchen offenhalten.
Markus Söder, das zeigt sein letztes Instagram-Video, hat es in dieser Disziplin allerdings nahezu zur Meisterschaft gebracht. Das Video ist zwar nur wenige Sekunden lang, aber es passiert so viel auf so vielen Ebenen, dass sich ein genauer Blick lohnt.
Nachfolgend der Wortlaut – übrigens ohne, dass nachträglich vermeintliche Versprecher korrigiert wurden: „Unser Land ist in einer tiefgreifenden Rezession. Es rutscht gerade und es wackelt. Und wer trägt eigentlich dafür die Verantwortung? Woanders geht es besser. Also muss es an der deutschen Politik liegen. Und wer ist verantwortlich? Der Bundeswirtschaftsminister! Jetzt wieder´ne neue Pleite.
Nach dem Heizgesetz, nach einem völlig verunglückten AKW-Ausstieg, jetzt wieder eine Pleite. Möglicherweise ein 600.000-Millionen-Loch, das droht bei einer Batteriefabrik in Schleswig-Holstein, wo Herr Habeck sich dafür eingesetzt hat. Sorry, das ist einfach inkompetent. Robert Habeck kann keine Wirtschaftspolitik.
Warum sollen die Grünen, warum soll Robert Habeck weiter in der Regierung bleiben? Mit der CSU gibt’s kein schwarz-grün, kein Robert Habeck mehr als Wirtschaftsminister. Am besten bitte in die Opposition. Denn da gehören die Grünen hin.“
Gezielt gegen Merz' Andeutungen
Das Video, aufgenommen mit dem Handy vom Beifahrersitz seines Autos, so wie wir es inzwischen von vielen erfolgreichen Influencern gelernt haben, ist natürlich eine Reaktion auf den Auftritt von Friedrich Merz am Mittwochabend bei Sandra Maischberger.
Der CDU-Vorsitzende schloss in der Sendung nicht aus, dass Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck unter ihm als Kanzler sogar im Amt bleiben könne. In YouTuber-und Streamer-Kreisen würde man von einem Reaction-Video sprechen.
Social Media hat Söder verstanden. In den wenigen Sekunden spricht Söder frontal in die Kamera, sein Gesicht ist nahe vor dem Zuschauer. Hier entsteht eine Dialogsituation. Söder spricht auf den ersten Blick direkt zum Zuschauer. Tatsächlich spricht er aber auch direkt mit Friedrich Merz.
Klare Worte gegen die Grünen
Er leitet seine Klage mit einer durchaus schlüssigen Argumentationskette ein. Denn in anderen Ländern läuft es ja tatsächlich besser. Viele unserer Probleme sind hausgemacht und jemand muss dafür verantwortlich sein. Für die Wirtschaft ist das der Bundeswirtschaftsminister, Robert Habeck.
Wenn es nicht so wäre, wenn niemand oder nur die Umstände die Verantwortung hätten, könnten wir uns alle die teuren Ministerämter am besten gleich sparen. Die erste Aussage ist: Habeck kann es nicht!
Im zweiten Teil wird er deutlich: „Mit der CSU gibt’s kein schwarz-grün.“ Ok. Das haben wir verstanden. Aber sofort schiebt der CSU-Chef nach: „Kein Robert Habeck mehr als Wirtschaftsminister“. Hm, ok. Also vielleicht doch in einer anderen Position?
Die Verwirrung wird noch größer, denn Söder schließt mit den Worten: „Am besten in die Opposition. Denn da gehören die Grünen hin.“ Nun ist Politik kein Wunschkonzert und die zwei kleinen Wörtchen „am besten“ weisen darauf hin, dass auch Söder sich andere Optionen vorstellen kann.
Türchen offen für Optionen
Die zwei möglichen Alternativen dazu, unter denen die Grünen nicht in der Opposition landen, sind, dass entweder die Union in der Opposition bleibt. Danach sieht es nicht aus. Oder dass die Grünen eben doch Teil einer unionsgeführten Regierung sein werden, ob ohne oder – was wahrscheinlicher ist – mit Robert Habeck, der dann nur nicht mehr Wirtschaftsminister wäre. Das wäre dann zwar nicht die beste, aber vielleicht die zweitbeste Lösung. Söder tut zwar sehr entschieden, hält sich aber geschickt alle Türen offen.
Doppelspiel von Söder und Merz?
Und noch eine Möglichkeit - dieses Mal zur Entstehung des Videos - kann man ins Auge fassen. Nämlich dass die beiden, Merz und Söder, sich sehr geschickt die Rollen des guten und des bösen Cops teilen.
Diese Sichtweise würde den öffentlichen Nichtangriffspakt zwischen beiden bestätigen. Der eine gibt sich offen, der andere gibt sich entschieden ablehnend. Aber eben nicht so entschieden, dass man ihm hinterher einen Strick drehen könnte. Wie gesagt: Advent ist die Zeit der offenen Türen.