Kommunikationsexperte Michael Ehlers - Im TV-Duell mit Weidel zeigt sich plötzlich Wagenknechts wunder Punkt
Schauspieler wie Danny Trejo oder Clint Eastwood haben sich durch ihr minimalstes Minenspiel bei Fans einen Legendenstatus erarbeitet. Laut Kommunikationsexperten Michael Ehlers, könnten Alice Weidel und besonders Sahra Wagenknecht ihnen darin locker das Wasser reichen.
Das Duell der beiden Politikerinnen bei Welt-TV war eine Meisterklasse in kontrollierter Körpersprache. Körperhaltung, Mimik, Gestik — wenn es darum ging, vor allem keinen Fehler zu machen, haben beide ihre Aufgabe sehr gut gelöst.
Was selbst bei einer Betrachtung ohne Ton auffällt — denn in dieser Analyse geht es nicht um den Inhalt, sondern nur um die Körpersprache — ist, wie zivilisiert beide Frauen miteinander umgehen. Da wird sich zugewandt, gelächelt, Blickkontakt gesucht, sogar zustimmend genickt und verstärkt.
Die Kleidung ist typgerecht und angemessen, die Haltung gerade und aufrecht. Über 60 Minuten zeigt keine der beiden eine Schwäche am Pult, keine verliert die Spannung, wenn man davon absieht, dass die offenbar erkältete Alice Weidel sich ein paarmal diskret schnäuzen muss. Insgesamt ist es ein unglaublich wohltuender Unterschied zu den abendlichen Fernsehtalkshow-Krawallen. Man muss sehr genau hinschauen, um einen Blick hinter die Fassade zu erhaschen, der oftmals nur für Bruchteile von Sekunden möglich ist.
Angespannte Fassade
ÖRR-Paria Alice Weidel wirkt vor allem in der Anfangsphase deutlich angespannter als Talkshow-Routinier Sahra Wagenknecht, was sich insbesondere in einer leicht gepressten Atmung zeigte. In den ersten Minuten blitzt nach jedem Statement der AfD-Politikerin für Sekunden ein zufriedener, gelöster Gesichtsausdruck auf – wenn sie glaubt, dass die Kamera bereits auf ihre Gegnerin umschwenkt.
Ein ähnliches Phänomen heißt in der Kommunikationspsychologie „DupersDelight“ und äußert sich als Freude oder Genugtuung, die jemand empfindet, wenn er erfolgreich lügt oder jemand anderen täuscht. Diese Emotion zeigt sich als unbewusstes kurzes Grinsen oder Lächeln, das oft in unpassenden Momenten aufblitzt.
Ich glaube allerdings, dass Frau Weidel in diesen Momenten tatsächlich nur Erleichterung empfindet, dass „es gutgegangen ist“, sie keinen Fehler gemacht hat. Insofern ist es vor allem ein Zeichen, wie sehr sie sich diszipliniert und kontrolliert. Dieses Verhalten nennen wir Impression Management und ist Teil einer übergreifenden Selbstkontrolle, die als Self Monitoring bezeichnet wird.
Ich habe in der Diskussion nur einmal erlebt, dass dieses Impression Management echter Authentizität Platz machte. Beim Thema „Solidarität mit Israel“ wirkte Frau Weidel deutlich emotionaler und ehrlich betroffen über die Gräueltaten der Hamas. Ich nehme ihr ihre Betroffenheit – und ihre Ratlosigkeit – hier ab. Danach zeigt sie wieder diszipliniertes Pokerface.
Erst kurz vor Ende der Diskussion bricht sich die unterdrückte Anspannung Bahn. Sie lacht – mit dem Verweis auf die unbestreitbare kommunistische Vergangenheit von Frau Wagenknecht – diese einfach aus. Das kann mehrere Ursachen haben: Zum einen kann sich darin zeigen, was sie wirklich von Frau Wagenknecht hält, zum anderen kann das Lachen, und ich tendiere zu dieser Antwort, auch als Zeichen der großen Anspannung gedeutet werden, unter der sie während der ganzen Diskussion stand, die nun zu Ende geht – ohne dass es zu einem Eklat gekommen wäre. Denn wir nutzen Lachen oft auch, um innere Spannungen abzubauen.
Nichtangriffspakt gebrochen
Sahra Wagenknechts Körpersprache war über die gesamte Diskussion – wie gewohnt – nahezu perfekt. Fast perfekt. Als Alice Weidel ihr kurz vor Ende ihre frühere SED-Mitgliedschaft vorwirft, bricht ein kurzes, gequält-genervtes Seufzen aus Wagenknecht heraus. Dies hatte sie meiner Meinung nach nicht unter Kontrolle und setzte es nicht bewusst ein.
Dieser Punkt ist offenbar ihr wunder Punkt. Vielleicht hatte sie gehofft, die Diskussion zu überstehen, ohne dass dieser zur Sprache käme. Doch Frau Weidel hatte sich diesen gezielten Treffer für die Schlussphase aufgehoben. Es ist zudem der einzige Moment in der gesamten Diskussion, in der eine von beiden durch raumgreifende Gesten den Nahraum der anderen „attackiert“.
Frau Wagenknecht zieht sich dabei zurück, indem sie sich halb auf ihr Pult stützt und von ihrer Angreiferin zurücklehnt. Auch ohne Ton ist deutlich zu erkennen, wie Alice Weidel Sahra Wagenknecht in die Defensive gedrängt hat. In diesem Moment kann sich Weidel ein genüssliches Lächeln nicht verkneifen. Wäre in diesem Moment der Abspann gekommen, wäre sie als klare Siegerin aus der Diskussion hervorgegangen. Der letzte Eindruck bleibt schließlich im Gedächtnis.
Fazit: Beide Politikerinnen sind sehr versierte und geübte Rednerinnen mit hoher Selbstdisziplin. Das Setting mit zwei nebeneinander platzierten Stehpulten und einem fairen Moderator kam beiden entgegen. Es gab (fast) kein Fläzen und kein krampfhaftes Festhalten. Gesten wurden sparsam eingesetzt, demonstratives Kopfschütteln vermieden. Alle Attacken waren wohlüberlegt. Und dennoch: Sahra Wagenknecht – aus meiner Sicht bisher die rhetorisch beste deutsche Politikerin – hat in Alice Weidel eine würdige Gegnerin gefunden.