Kontakt in Islamistenszene? - Ermittlungen gegen Polizisten im Mocro-Drogenkrieg befeuern ungeheuren Verdacht

Schwer bewaffnete Polizisten stehen vor einem Hochsicherheitsgericht in Amsterdam, in dem ein Prozess gegen die niederländische Mocro-Mafia geführt wird.<span class="copyright">Robin Utrecht/ANP/dpa</span>
Schwer bewaffnete Polizisten stehen vor einem Hochsicherheitsgericht in Amsterdam, in dem ein Prozess gegen die niederländische Mocro-Mafia geführt wird.Robin Utrecht/ANP/dpa

Im schwelenden Drogenkrieg soll ein Polizist gegen Geld geheime Informationen an Dealer weitergegeben haben. Der Beamte soll tief in kriminelle Kreise verstrickt sein. Er soll sogar Kontakte zu Islamisten unterhalten haben.

Im Düsseldorfer Medienhafen ist am frühen Montagmorgen vor einem Wohnhaus ein Sprengsatz explodiert. Die Kölner Ermittlungsgruppe Sattla (arabischer Name für Rauschgift) und die Staatsanwaltschaft prüfen derzeit Zusammenhänge mit dem schwelenden Drogenkrieg zwischen einem niederländischen Rauschgiftring und der Kölner Unterwelt.

In diesen Wochen reiht sich ein Sprengstoffanschlag an den nächsten: Den aktuellen Fall eingerechnet, sind seit dem 25. Juni zehn selbstgebastelte Sprengsätze vor den Häusern und Wohnungen rheinischer Drogenbanden hochgegangen.

„Der Modus Operandi wirkt ähnlich, aber mehr ist noch nicht zu sagen“, erklärte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer FOCUS online.

Auslöser der Auseinandersetzungen war der Raub von 350 Kilogramm Cannabis aus einer Lagerhalle in Hürth am 25. Juni. Seither gilt der Stoff im Wert von 1,5 Millionen Euro als verschwunden. In den Konflikt mit der sogenannten holländischen Mocro-Mafia (niederländischer Slangbegriff für Marokkaner) ist auch eine Drogen-Gang aus Kalk/Mülheim verwickelt. Etliche Tatverdächtige sitzen bereits in Untersuchungshaft.

Polizist verlangte Geld für die Auskünfte an Drogen-Gang

Der inzwischen inhaftierte Drogenschieber Aymen G. aus Kalk soll auch einen Polizeikommissar bestochen haben. Der Beamte auf Probezeit Mohamed L. (Name geändert), 25, soll laut den Nachforschungen der Ermittler wiederholt in den polizeilichen Datensystemen alle strafrechtlichen Erkenntnisse über den Dealer abgefragt haben. Dies geht aus der Analyse sichergestellter Handy-Chats des deutsch-marokkanischen Streifenpolizisten hervor.

Nach Informationen von FOCUS online verlangte der Kommissar für weitere Auskünfte aus dem Polizeicomputer 50 Euro je Person. Das sei viel Geld, aber es seien auch eine Menge Infos, erklärte Mohamed L. dem deutsch-algerischen Dealer. Als Aymen G. nicht zahlen wollte, drohte ihm der Polizeikommissar Ärger an.

Die Chatpartner lernten sich bei gemeinsamen Besuchen in einer Moschee kennen. Der Polizist Mohamed L. gilt als strenggläubiger Muslim. Über seinen Kontakt in das Kölner Rauschgiftmilieu, so der Tatverdacht, soll der Polizeikommissar tiefe Einblicke in den Drogenkrieg erhalten haben.

Laut Staatsanwaltschaft soll Mohamed L. für zwei weitere Akteure aus der Kölner Drogen-Gang ebenfalls Erkenntnisse zu ihrem Ermittlungsstatus abgefragt haben. Zu diesem Ergebnis kamen die Strafverfolger, als sie die polizeilichen Datenplattformen überprüften. Jede Abfrage durch einen Polizisten ist dort dokumentiert.

Abgehörte Telefonate entlarvten Polizisten

Insofern erhärtete sich der Verdacht, dass Mohamed L. Geheimnisverrat zu Gunsten einer Kölner Drogen-Gang begangen hat – und zwar in der Hochphase der Anschläge in Köln, Engelskirchen, Duisburg und Düsseldorf.

Während der Durchsuchung am 6. Juli in seinem Wohnraum machte der angehende Beamte einige kurze Angaben. So mutmaßte L., dass er von dem Drogendealer offenbar ausgenutzt worden sei. Sein Verteidiger Christoph Arnold wollte sich auf Anfrage zu den Vorwürfen nicht äußern.

Ausgelöst wurden die Ermittlungen gegen den Kommissar durch abgehörte Telefonate. Dort hatte der Drogenhändler Aymen G. mit seinem Kontakt zu einem Polizisten geprahlt. Mit Letzterem will der Dealer ein Video aufgenommen haben, in dem er alle Hintergründe und Akteure in dem Drogenkrieg aufgelistet habe.

Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Strafvereitelung im Amt ein, weil der Polizeikommissar diese Informationen aus dem Video nicht an die zuständigen Ermittler weitergegeben hatte. Zwar wurde der ominöse Clip bis heute nicht gefunden, die Nachforschungen laufen jedoch weiter. Auf den beschlagnahmten Handys fanden sich dann die kompromittierenden Bestechungschats mit dem Kalker Rauschgifthändler.

Mögliche Kontakte in Islamistenszene

Die Analyse der beiden konfiszierten Mobiltelefone des Polizisten förderte nach Informationen von FOCUS online einen weiteren ungeheuren Verdacht zutage: Offenbar unterhielt der beschuldigte Beamte Kontakte in die Islamistenszene.

Für seinen Bruder, der bei den Staatsschützern wegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung ins Blickfeld geraten ist, soll Mohamed L. die polizeiliche Fahndungs- und Fallbearbeitungsplattform Viva angeklickt haben. Vermutlich, so der Vorwurf, wollte der Kommissar die Verdachtslage gegen seinen Bruder checken, um ihn zu warnen.