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Konwitschny-Inszenierung in Salzburg bejubelt

Peter Konwitschny ist immer gut für einen Theaterskandal. Dem für seine provokanten Inszenierungen bekannten Regie-Altmeister ist nichts heilig, selbst die Musik nicht. In seinen legendären Hamburger «Meistersingern» ließ er Orchester und Sänger mitten im Stück inne halten und auf offener Bühne über deutsche Kunst diskutieren. Das Publikum war irritiert.

Nichts davon am Sonntagabend in Salzburg. Kein einziges klitzekleines Buh trübte den Schlussapplaus zu seiner Neuinszenierung von Wolfgang Rihms 1992 uraufgeführter Musiktheater-Rarität «Die Eroberung von Mexiko». Dabei hat Konwitschny bei seinem Salzburger Regiedebüt nichts unversucht gelassen, um das Publikum in der Felsenreitschule herauszufordern.

Das Drama um die Eroberung des Aztekenreichs durch die Spanier zu Beginn des 16. Jahrhunderts interessiert den Regisseur kaum. Er konzentriert sich ganz auf die Beziehung der beiden Protagonisten, den spanischen Conquistador Hernán Cortéz und Aztekenkönig Montezuma, dessen Rolle Rihm einem Sopran anvertraut hat. Konwitschny inszeniert den ultimativen, die Kunst seit Anbeginn befeuernden Kampf von Mann und Frau.

Bühnenbildner Johannes Leiacker wuchtet dafür einen endzeitlich wirkenden Autofriedhof auf die Bühne vor den Naturfelsarkaden - Symbol des mittlerweile in die Jahre gekommenen männlichen Prinzips. Und obenauf in einem weißen Kasten ein gepflegtes, modernes Wohnzimmer - Sphäre des Weiblichen, zumindest dem Klischee nach. Mexikanisches Kolorit gibt es nur in kleiner Dosis, etwa in Form von Frida Kahlos naiv-surrealem Bild «Der verwundete Hirsch».

In diesem Ambiente finden Montezuma, verkörpert von der grandiosen, immer bis an ihre Grenzen gehenden Sänger-Schauspielerin Angela Denoke, und ihr kongenialer, mit allen Wassern zeitgenössischen Musiktheaters gewaschener Bühnenpartner Bo Skovhus als Cortéz erst zögerlich zueinander. Nach einem Tässchen Kaffee kommt der Macho schnell zur Sache. Nach einer Quasi-Vergewaltigung schmeißt sie ihn raus. Doch man findet wieder zueinander, auch wenn seine Domestizierung als Hausmann in Küchenschürze nicht lange währt.

Die Wäscheleine dient alsbald für Fesselspiele, zu denen er auch die sichtlich erregten Männerfreunde des aus den oberen Sitzreihen des Auditoriums zur Bühne stürmenden Bewegungschores bittet. Als er noch professionelle Damen zur Sexparty einlädt, wird es Gattin Montezuma zu viel. Sie zieht fauchend und schreiend durch die Sitzreihen und wirft den Männern vor, immer nur ans Gold zu glauben. Konwitschny liebt es, seinem Publikum buchstäblich auf den Leib zu rücken.

Nach der Pause ist sie schwanger, gebiert aber keinen Stammhalter, sondern einen Haufen Elektronikspielzeug, wofür Konwitschny etliche Lacher erntet. Hernán hat in Wischtelefon und Laptop einen neuen Fetisch gefunden und reagiert seine Eroberungsfantasien am Egoshooter ab. Der rote Porsche komplettiert längst den Schrottplatz. Sie verlässt den Testosteronbomber endgültig, woraufhin sich Hernán die Pulsadern aufschneidet. Erst im Tod scheinen die beiden wirklich zueinander zu finden in einem von Rihm einfühlsam komponierten Schlussduett.

Das Salzburger Premierenpublikum nimmt das Feuerwerk der teils aberwitzigen Regieeinfälle gelassen bis heiter. Auch die Rihmschen Schlagzeugsalven oder die kunstvollen vokalen Verrenkungen regen an diesem Abend niemanden auf. Dirigent Ingo Metzmacher bändigte den riesigen, übers ganze Haus verteilten Orchesterapparat mit inspirierter Routine. Am Ende dürfen alle im Jubel baden, eingeschlossen der persönlich anwesende Komponist.

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