"Das Konzept ist die Abwertung": TV-Doku über den "Störfall AfD"

Wohin entwickelt sich die AfD? Wie verhält sich die Partei zum Rechtsextremismus? Die ZDFinfo-Doku "Störfall AfD - Das Netz der Rechten" lotet im Rahmen eines Themenabends aus, wie die AfD zur Demokratie steht - und wie eng sie mit rechten Bewegungen vernetzt ist.

Kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, die aller Voraussicht nach mit Erfolgen für die AfD enden könnten, steht die Partei abermals vor einer Richtungsentscheidung. Angesichts des aktuell ausgetragenen Konflikts zwischen dem als "völkisch" etikettierten "Flügel" um Björn Höcke und den gemäßigten Mitgliedern der AfD kommt die ZDFinfo-Dokumentation "Störfall AfD - Das Netz der Rechten" (Donnerstag, 25. Juli, 21.45 Uhr) zur richtigen Zeit. Der Beitrag geht diversen brisanten Fragen nach: Wie ist die AfD vernetzt? Wer unterstützt die Partei? Was wird abseits der Öffentlichkeit besprochen? Gibt es eine Abgrenzung von Rechtsextremen? Und in welche Richtung wird sich die Partei entwickeln?

Die AfD lasse "erste Anzeichen für extremistische Bestrebungen" erkennen, zitiert die Dokumentation den Verfassungsschutz, Anfang 2019 wurde die Partei gar als "Prüffall" eingestuft. Man erkenne "Anhaltspunkte für eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgerichtete Politik". Wie engmaschig die Partei, mit 91 Abgeordneten im Bundestag vertreten, mit der extremen Rechten verwoben ist und welches Umfeld sie pflegt, versucht die Dokumentation in 45 hochinformativen Minuten zu beleuchten. Zu Wort kommen dabei Wissenschaftler ebenso wie hochrangige Experten des politischen Journalismus.

"Die AfD ist eine rechtsextreme Partei. Aber nicht mehrheitlich und auch nicht im Machtzentrum zu großen Teilen", wird in der Dokumentation etwa der Extremismusforscher Prof. Tom Mannewitz von der TU Chemnitz zitiert. Er schätzt, das "reichlich ein Drittel" der AfD-Mitglieder "rechtsextrem ist beziehungsweise rechtsextreme Versatzstücke kolportiert".

Der Film von Nathalie Boegel konstatiert: "AfD-Mitglieder loten Grenzen aus - und geraten damit in den Blick des Verfassungsschutzes". Anhand "dutzender öffentlich zugänglicher Quellen" will sich die bis ins Detail differenziert recherchierte "Spiegel TV"-Produktion ein Bild der am meisten polarisierenden deutschen Partei machen.

Vernetzungen mit der "Neuen Rechten"

Die Doku lässt dabei auch die Fakten und damit die Aussagen der AfD-Mitglieder für sich sprechen. Etwa Alexander Gauland, den man im Bundestag Worte wie diese vortragen sieht: "Linke Träumer und globalistische Eliten wollen unser Land klammheimlich aus einem Nationalstaat in ein Siedlungsgebiet verwandeln." Oder Alice Weidel, die ebenfalls in einer Bundestagsrede "Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse" als Bedrohung zeichnet. Andere Abgeordnete reden mit Blick auf die AfD-Lieblingsthemen Islam und Migration von "einer Vollverschleierung für unser Grundgesetz" und einer "Verhöhnung der deutschen Bevölkerung".

"Das Konzept ist die Abwertung" - und "das Bewusstsein, dass Deutsche mehr wert sind als andere", urteilt der Journalist und Autor Olaf Sundermeyer in der Doku über die Strategie der AfD. Um in der Partei zu bestehen, müsse man ab und zu radikale Äußerungen fallen lassen, so der Experte. Er und andere Fachleute meinen, dass Provokation und Denunziation der AfD als politisches Konzept dienen würden. Gerade auch in den sozialen Medien fänden sich "unzählige Beispiele für weitgehend unverhohlenen Rassismus", so Politologe Prof. Tom Thieme. Wie sich eine solche Ideologie in realen politischen Vernetzungen, etwa mit Akteuren der "Identitären Bewegung" und anderen Gruppierungen der "Neuen Rechten" niederschlägt, weist der Film eindrücklich nach. Eine der Thesen dabei: Im Gegensatz zu anderen europäischen Rechtsparteien, die sich im Laufe der Jahre mäßigten, droht in der AfD eine weitere Radikalisierung.

Zweimal wurde von den Machern auch die AfD-Pressestelle für eine Stellungnahme für die Dokumentation angefragt. Eine Antwort habe man jedoch nie erhalten. "Ich kann mir das eigentlich nicht erklären", sagt Markus Dossenbach von der laut Eigenbezeichnung "unverbindlichen Interessengemeinschaft" "Alternative Mitte" der AfD, die seperat angefragt wurde. Er habe nicht gewusst, "dass wir Interviewanfragen nicht annehmen". Jene "Mitte"-Gruppierung ist es auch, die monatelang auf ihrer Website gefordert habe, Höcke "in hohem Bogen" aus der Partei zu werfen. Die Kontroversen innerhalb der Partei seien "massiv", so Experte Prof. Thieme. Und doch: "Sollte die Partei irgendwann Regierungsmacht aufnehmen", warnt sein Kollege Prof. Mannewitz in der ZDFinfo-Doku, spräche viel dafür dass sich dadurch "die Demokratie zum Schlechteren verändern" würde.

Eingebettet ist der Beitrag "Störfall AfD - Das Netz der Rechten" in einen Themenabend auf ZDFinfo, der sich am Donnerstag, 25. Juli Rechtsextremismus und Rechtspopulismus widmet. Er beginnt um 20.15 Uhr mit dem Film "Die innere Unsicherheit - Wenn Bürger Streife gehen", im Anschluss folgt um 21 Uhr die Dokumentation "Sachsen zwischen Mauerfall und Rechtspopulismus", und direkt nach der AfD-Doku geht es um 22.30 Uhr um "Völkische Siedler - Schattenwelten auf dem Land".