Krankmeldungen in Deutschland - Auf der Jagd nach Blau-Machern: Was Firmen-Detektive besonders stutzig macht

Es ist eine Debatte ums "Blau-Machen" entbrannt.<span class="copyright">Christin Klose/dpa-tmn/dpa</span>
Es ist eine Debatte ums "Blau-Machen" entbrannt.Christin Klose/dpa-tmn/dpa

Die Zahl der Krankmeldungen in Deutschland ist auf ein Rekordhoch gestiegen. Allianz-Chef Oliver Bäte sieht Handlungsbedarf und fordert Kürzungen bei der Lohnfortzahlung. Unternehmen  setzen Wirtschaftsdetektive zur Aufklärung von Verdachtsfällen ein.

Die Zahl der Krankmeldungen in Deutschland hat ein neues Hoch erreicht: Im Jahr 2022 waren es im Schnitt 24,9 Fehltage pro Beschäftigtem. Damit liegt Deutschland deutlich über dem EU-Durchschnitt von acht Tagen.

Allianz-Chef Oliver Bäte kritisierte dies jüngst im Gespräch mit dem Handelsblatt: „ Deutschland ist mittlerweile Weltmeister bei Krankmeldungen. Das erhöht die Kosten im System.“

Bäte fordert, die Lohnfortzahlung ab dem ersten Krankheitstag zu streichen. Statistiken zeigen, dass Krankheitstage häufig vor oder nach einem Wochenende oder rund um Brückentage auftreten. Das führt zur Frage: Nutzen einige das System aus? 

Unternehmen greifen zu drastischen Maßnahmen

Um Verdachtsfällen von Lohnfortzahlungsbetrug nachzugehen, greifen Firmen zu besonderen Maßnahmen. Sie beauftragen Wirtschaftsdetektive. Der „Stern“ sprach mit Marcus Lentz, einem Wirtschaftsdetektiv mit 30 Jahren Berufserfahrung in Deutschland.

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Der Fokus seiner Arbeit liege vor allem auf der Aufklärung von Fällen, in denen Arbeitnehmer fälschlicherweise Krankmeldungen einreichen oder unrichtige Gesundheitszeugnisse vorlegen, so Lentz.

Meistens gehe es um längere Krankmeldungen, die durch bestimmte Auffälligkeiten ins Auge fallen würden. Kurze Fehlzeiten von ein oder zwei Tagen würden in der Regel nicht zu einer Observation führen, so Lentz.

Verdacht würde vor allem dann geschöpft, wenn eine Person beispielsweise 80 bis 120 Fehltage pro Jahr aufweist und dabei Bescheinigungen von wechselnden Ärzten einreicht.

Drei Detektive kümmern sich um eine Observation

Den Ablauf einer vom Arbeitgeber in Auftrag gegebenen Observation, beschreibt Lentz im Gespräch mit dem „Stern“ folgendermaßen: Zunächst findet eine Ortsbesichtigung statt, gefolgt von der Organisation mobiler Observationsteams.

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Drei Detektive überwachen Zu- und Abfahrtswege, um die Zielperson unauffällig zu beobachten. Dabei wird dokumentiert, ob die Person krankheitsbedingte Einschränkungen zeigt oder Tätigkeiten nachgeht, die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit aufkommen lassen.

Recht auf Aufklärung einer Straftat oder Schutz der Persönlichkeitsrechte? 

Wird ein Arbeitnehmer tatsächlich bei Lohnfortzahlungsbetrug ertappt, stehen den Unternehmen mehrere Optionen offen, so Lentz. Häufig werde eine einvernehmliche Kündigung angeboten: Der Arbeitnehmer verzichtet auf rechtliche Schritte, erhält ein gutes Arbeitszeugnis und das Arbeitsverhältnis endet sofort.

Alternativ würden oftmals eine fristlose Entlassung, eine Strafanzeige sowie die Weiterleitung von Informationen an die Krankenkasse sowie an das Arbeitsgericht drohen.

Die Beauftragung von Detektiven werfe allerdings auch ethische Fragen auf. Laut Lentz müsse stets eine Güterabwägung vorgenommen werden: „Auf der einen Seite steht das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Aufklärung einer Straftat, auf der anderen der Schutz der Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers.“

Politik ist offen für Gespräche 

Fest steht: Die Debatte ums „Blau-Machen“ ist in vollem Gange. Unions-Fraktionsvize Sepp Müller (CDU) hat sich im Gespräch mit „Politico“ offen dafür gezeigt, über die Streichung des Lohns am ersten Krankheitstag zu diskutieren.

Tino Sorge (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, betonte hingegen: „Nur die allerwenigsten Menschen melden sich aus Spaß krank.“ Er fordert einen „Krankenstands-Gipfel“, um die Situation umfassend zu analysieren und Lösungen zu erarbeiten.