Kreuzfahrt-Spezialist Wolfgang Meyer-Hentrich - Kreuzfahrtbranche sucht Treibstoff der Zukunft: Diese klimafreundlicheren Optionen gibt es
Die Kreuzfahrtbranche reagiert auf den Druck von Regierungen und einer wachsenden Zahl von Kritikern. Sie sieht ihre Zukunft wieder rosig und sucht nach klimaneutralen Antrieben. Kreuzfahrt-Spezialist Wolfgang Meyer-Hentrich gibt einen Einblick in die Entwicklung von umweltschonenden Treibstoffen.
Die Kreuzfahrtindustrie boomt wieder. Nach den katastrophalen Einbrüchen der Coronazeit steuert die Kreuzfahrtindustrie neue Rekorde an. Im vergangenen Jahr konnte die Kreuzfahrtbranche die Passagierzahlen des Vor-Corona-Jahrs 2019 mit knapp 32 Millionen deutlich übertreffen. Nach Angaben der Internationalen Kreuzfahrtvereinigung CLIA wird 2024 mit knapp 36 Millionen Passagieren und 65 Mrd. US Dollar Umsatz ein neues Allzeithoch erreicht und auch die Wachstumsprognosen für die kommenden Jahre zeigen steil nach oben.
Der Markt wird auch deshalb weiterhin brummen, weil immer mehr Passagiere aus Asien und Südamerika hinzukommen, die auf dem Kreuzfahrtmarkt bisher kaum in Erscheinung getreten sind. Die deutschen Kreuzfahrtunternehmen AIDA und TUI Cruises melden Rekordbuchungen. Sie blicken optimistisch in die Zukunft und geben neue Schiffe in Auftrag. Die rosigen Aussichten der Kreuzfahrtindustrie werden lediglich dadurch getrübt, dass die Kritik an den Schattenseiten dieser Branche immer mehr Gehör findet und ihrem ungebremsten Aufstieg im Wege steht.
Das sind die aktuellen Probleme der Branche
Im Vordergrund der Kritik stehen neben der Umweltverschmutzung vor allem die massiven Probleme der Einheimischen mit dem Massenansturm in den Anlaufhäfen. Zudem werden die schlechten Arbeitsbedingungen der Besatzungen oft bemängelt.
Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass auf einer einwöchigen Mittelmeerkreuzfahrt pro Person ca. 1,9 Tonnen CO2 anfallen, wobei die Flüge zur An- und Abreise noch nicht eingerechnet sind. Aber das ist nicht alles. Zusätzlich zum klimaschädlichen Kohlendioxyd setzen Kreuzfahrtschiffe Stickstoff- und Schwefelemissionen und Feinstaubpartikel ab, deren klima- und gesundheitsgefährdende Auswirkungen kaum bestritten, aber oft klein geredet werden.
Einige Regierungen haben den Forschungsergebnissen sowie der zunehmenden Kritik aus der Bevölkerung Rechnung getragen und die Umweltanforderungen für Hochseeschiffe verschärft. Schon im nächsten Jahr wird in Dänemark ein Gesetz in Kraft treten, wonach es in dänischen Gewässern verboten sein wird, Schiffsabwässer aus offenen Abgasreinigungsanlagen („Scrubber“) ins Meer zu leiten. Etwas später wird dieses Verbot auch für geschlossene Reinigungssysteme gelten, bei denen solche Abwässer erst an Land gereinigt werden müssen. De facto bedeutet dies ein Verbot des billigen und umweltschädlichen Schweröls, weil die Grenzwerte ohne „Scrubber“ nicht eingehalten werden können.
Marinediesel ist teurer, aber weniger schädlich als Schweröl
Dieses Gesetz gilt für alle Meeresgebiete Dänemarks, zu denen auch die weiten arktischen Gewässer Grönlands gehören. Die Schiffe werden dann genötigt sein, Marinediesel zu nutzen, denn nur so können die nationalen und internationalen Umweltanforderungen erfüllt werden. Marinediesel ist zwar 50 Prozent teurer, dafür aber deutlich weniger schädlich als Schweröl.
Am konsequentesten setzt Norwegen auf eine klimafreundliche Seefahrt. Schon jetzt dürfen Kreuzfahrtschiffe dort keinerlei Abwässer ins Meer leiten. Bereits 2026 gilt in einigen Fjorden, darunter der Geirangerfjord, ein Fahrverbot für dieselbetriebene Schiffe. Selbst Schiffe, die mit fossilem LNG (Liquified Natural Gas) unterwegs sind, wird die Einfahrt in die Fjorde verwehrt bleiben, da der CO Ausstoß mit dieser Antriebsart lediglich 25 Prozent weniger ausmacht. Norwegen macht damit als erster Staat einen großen Schritt in Richtung klimaneutrale Kreuzfahrt. Als drittes skandinavisches Land setzt auch Schweden auf eine klimaneutrale Entwicklung und will für seine Küsten und Meereszonen ähnliche Regelungen in Angriff nehmen.
Die beiden führenden deutschen Kreuzfahrtunternehmen gehen in der Frage, welchen Brennstoff sie in den nächsten Jahren favorisieren, unterschiedliche Wege. Während AIDA Cruises sich bei den aktuellen Schiffsneubauten für LNG und Brennstofftechnologie entschieden hat, favorisiert TUI Cruises mit „Mein Schiff“ eine andere Lösung. Die gerade in Dienst gestellte „Mein Schiff 7“ sowie deren Nachfolgerinnen setzen auf die Verwendung von Marinediesel und aufwendige Reinigungssysteme. Außerdem sind diese Schiffe für einen späteren Einsatz von klimaneutralem Methanol technisch vorbereitet.
AIDA-Schiffe nicht mehr auf der Höhe der Zeit
Seit nunmehr 12 Jahren präsentiert der Naturschutzbund Deutschland (NABU) in Hamburg sein „Kreuzfahrtranking“, indem sie eine Rangfolge von Kreuzfahrtveranstaltern nach Maßgabe ihrer Umweltfreundlichkeit präsentieren. In diesem Jahr liegen gleich drei norwegische Kreuzfahrtreedereien vorne. An vierter Stelle folgt aber auch schon „Mein Schiff“. Der Nabu schließt sich damit der Meinung an, dass die von TUI Cruises bevorzugte Lösung, auf Marinediesel und effiziente Reinigungssysteme zu setzen, der LNG-Option vorzuziehen sei. Außerdem scheint der ökologische Standard einiger älterer AIDA Schiffe nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit zu sein.
Deutsches Schlusslicht ist, wie auch schon im Jahr davor, der Bonner Veranstalter Phönix. Aus dessen aus dem letzten Jahrhundert stammenden Bestand an Urlaubskreuzern rekrutiert das ZDF seine Traumschiffe. Die dürfen aber bald nicht mehr nach Norwegen, sondern müssen sich dann Gegenden mit weniger strengen Vorschriften aussuchen.
Weiße Weste durch LNG? Das ist die Wahrheit
Seitdem die Kreuzfahrtindustrie mit dem Vorwurf der Umweltverschmutzung konfrontiert wird, organisiert sie aufwendige und teure Werbekampagnen, um sich von dieser Kritik reinzuwaschen. Dieses „Greenwashing“ begann bei den Kreuzfahrtunternehmen der USA schon vor über 20 Jahren und gehört heute zum festen Bestandteil der Kreuzfahrtwerbung. Im Mittelpunkt dieser Werbung stehen die neuen Megakreuzer des amerikanischen und europäischen Marktes, die mit LNG angetrieben werden. Lieblingsbegriff dieser Werbung ist das Wort „nachhaltig“. In Wirklichkeit haben diese Schiffe einen „dual fuel“ Antrieb, mit dem je nach Situation und Kosten LNG oder traditioneller Kraftstoff verwendet werden kann.
LNG wird von den Gesellschaften wie ein ökologischer Heilsbringer beworben. Es wird suggeriert, dass man sich damit auf dem besten Weg befinde, klimaneutral zu werden und Kreuzfahrten inzwischen ohne jedes schlechte Gewissen möglich seien.
In Wirklichkeit ist aber nur ein äußerst geringer Teil der weltweiten Kreuzfahrtflotte mit LNG unterwegs. LNG senkt den Anteil des CO Ausstoßes der Schiffe um ca. 25 Prozent, den der Stickoxide (NO) um ca. 85 Prozent und die Feinstaubanteile um ca. 95 Prozent. Bei solchen Werten handelt es sich aber um Idealzahlen, die nur bei besonders reinem, qualitativ hochwertigen LNG und besonders sauber arbeitenden Motoren erreicht werden. Zahlreiche Gutachten etablierter Forschungsinstitute weisen nach, dass diese Emissionen – je nachdem, welches LNG verwendet wird – sehr unterschiedlich ausfallen.
Das Flüssiggas aus den USA und Australien wird zumeist mittels „fracking“ gewonnen und ist deutlich unreiner als sauberes Erdgas aus Norwegen. Solche Unterschiede machen sich auch im Preis bemerkbar und es ist davon auszugehen, dass Schiffe mit einem Riesenverbrauch nicht unbedingt die teuersten LNG Sorten bunkern.
Mit LNG betriebene Schiffe können sogar höhere Treibhausgasemissionen emittieren, als solche, die mit Marinediesel unterwegs sind. Die Umweltorganisation „Transport & Environment“ berichtet, dass bei der Verbrennung von LNG inhärentes Methan freigesetzt wird, das 25 mal klimaschädlicher als CO ist und mehr Treibhausgase auspustet als dies bei konventionellen Kraftstoffen der Fall ist.
Bio-LNG nur einmalige Aktion, weil kaum vorhanden
Die großen Kreuzfahrtunternehmen wissen selber, dass LNG nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Deshalb verweist Europas größter Kreuzfahrtkonzern MSC Cruises in seiner Werbung darauf, dass es noch besser geht: Das Unternehmen wirbt damit, dass eins seiner Schiffe, die „MSC Euribia“ die erste klimaneutrale Kreuzfahrt der Welt unternommen hat. Dabei handelte es sich um eine viertägige Kreuzfahrt, bei der das Schiff ausschließlich mit grünem Bio-LNG unterwegs war.
Der Chef von MSC Cruises, Pierfrancesco Vago, räumt an ein, dass dies „vorläufig“ nur eine einmalige Aktion sein kann, weil dafür zu wenig Bio-LNG zur Verfügung steht.
Dabei ist hinlänglich bekannt, dass selbst eine eklatante Erhöhung der Biogasproduktion niemals ausreichen würde, um die Bedürfnisse des Marktes zu befriedigen. Zudem käme nur ein sehr geringer Bestandteil der Biomasse, die dafür gebraucht wird, tatsächlich aus nachhaltiger Produktion.
Es ist momentan nicht einmal gewährleistet, dass jene Kreuzfahrtschiffe, die mit LNG unterwegs sein können, diesen Treibstoff tatsächlich ständig verwenden, weil die Versorgung der Häfen mit den dafür notwendigen Versorgungsanlagen sehr unzureichend ist und die Infrastruktur dafür erst noch aufgebaut werden muss. Reedereien und Kreuzfahrtexperten gehen deshalb davon aus, dass LNG allenthalben eine Übergangs- oder Brückentechnologie sein wird.
Schifffahrt: Die Suche nach klimaneutralen Antrieben
Nicht nur die Kreuzfahrtunternehmen sind auf der Suche nach dem idealen Brennstoff.
90 Prozent des Welthandels werden auf dem Seeweg abgewickelt. Insbesondere die Betreiber der großen Container-und Tankerflotten haben ein großes Interesse an preiswerten und klimaneutralen Antriebsstoffen. Jedoch stehen Kreuzfahrtschiffe - die nur ca. 1 Prozent aller Hochseeschiffe ausmachen - mit ihrem sehr hohen Energieverbrauch und ihrer großen Bekanntheit stärker im Fokus der Öffentlichkeit. Ihnen fällt bei Umweltfragen und neuen Technologien deshalb oft eine ungeliebte Vorreiterrolle zu.
Norwegen, das immer schon eine führende Seefahrtnation war und sich gleichzeitig als ökologischer Vorzeigestaat sieht, geht bei der Entwicklung nicht-fossiler Schiffsantriebe voran. 2030 soll dort das erste klimaneutrale Kreuzfahrtschiff der Welt seine Fahrt im Dauerbetrieb aufnehmen.
Das Konzept dieses High-Tech Schiffs ist völlig neuartig. Insgesamt besteht der Antrieb des Schiffs aus einer Mischung von Wind- und Solarenergie sowie Batterien, die während der Fahrt permanent aufgeladen werden. Dies ermöglichen drei Wind- und Solarsegel, die bis zu 50 m hoch ausgefahren werden können. Sollten die Batterien in den Häfen aufgeladen werden müssen, steht dafür preiswerter grüner Strom zu Verfügung, der heute schon das ganze Land versorgt. Im Norden Norwegens sind bereits jetzt Fähren unterwegs, die ausschließlich mit Batterien angetrieben werden, und die Regierung verfolgt die Absicht, alle Fähren und Personenschiffe, die noch mit fossilen Treibstoffen unterwegs sind, in den nächsten Jahren aus dem Verkehr zu ziehen.
Thorium-Flüssigsalzreaktor und Brennstoffzellensysteme
Ein anderes Konzept für den Einsatz klimaneutraler Kreuzfahrtschiffe plant das norwegische Unternehmen Ulstein, das im Schiffsbau und als Reederei tätig ist. Es setzt auf Kernenergie und stellt ein Versorgungsschiff mit einen Thorium-Flüssigsalzreaktor vor, der soviel Energie erzeugt, dass einige kleinere batteriebetriebene Kreuzfahrtschiffe damit aufgeladen werden können. Diese rein elektrisch betriebenen Schiffe werden ca. 100 m lang sein, 160 Passagieren Platz bieten und mit allem Luxus ausgestattet sein. Sie sollen vor allem in arktischen Gebieten als Expeditionsschiffe eingesetzt werden. Die Bauweise des Flüssigsalz-Thorium-Reaktors schließt Kernunfälle und radioaktive Strahlung aus, so dass die Sicherheit der Besatzung gewährleistet ist. Die Ulstein-Gruppe will die Planung und Realisierung dieses Projekts bis 2030 vollenden.
Vielversprechend für den emissionsarmen Antrieb von Hochseeschiffen ist vor allem der Einsatz von Brennstoffzellen. Im Vordergrund stehen dabei Brennstoffzellensysteme, die mit Wasserstoff, Methanol oder Ammoniak betrieben werden. Brennstoffzellen können den CO Ausstoß zwar nicht ganz verhindern, jedoch stünden diese in keinem Vergleich zu den herkömmlichen Treibstoffen oder fossilem LNG. Stickoxide, Schwefel und Feinstaub kommen bei dieser Antriebsenergie gar nicht mehr vor. Wissenschaftler, Ingenieure und Unternehmen arbeiten überall in der Welt daran, den Einsatz von Brennstoffzellen für den wirtschaftlichen und sicheren Gebrauch möglich zu machen.
Unter dem Namen „e4ships“ hat sich in Deutschland ein Verbund von namhaften Werften, Reedern, Kreuzfahrtkonzernen, Forschungsinstituten und Industrieunternehmen gebildet, um die Brennstoffzellentechnologie zu fördern, indem Forschungsergebnisse ausgetauscht, sowie Sicherheits- und Normenstandards koordiniert und angeglichen werden.
Deutschlands größte Kreuzfahrtschiffe, AIDAnova und AIDAcosma sind bereits für den Betrieb von Brennstoffzellen ausgestattet. Auch das Schweizer Konkurrenzunternehmen MSC Cruises hat 2022 mit der MSC World Europa einen Schiffsgiganten in Dienst gestellt, der mit Brennstoffzellen unterwegs sein kann. Die Meyer Werft in Papenburg wird in den nächsten Jahren weitere Kreuzfahrtschiffe der Megaklasse mit Brennstoffzellenantrieb fertig stellen.
Nachfrage nach Riesenschiffen weiter groß
Es sieht so aus, dass die Brennstoffzellentechnologie die besten Chancen hat, sich in absehbarer Zukunft zur dominierenden und effektivsten Antriebsart für große Hochseeschiffe zu entwickeln, es aber gegenwärtig noch eine Reihe von technischen und wirtschaftlichen Hindernissen gibt, die es noch zu überwinden gilt. Die Auftragsbücher der wenigen Werften, die solche großen Kreuzfahrtschiffe bauen können, sind gut gefüllt. Der Trend, Riesenschiffe mit bis zu 6000 Passagieren zu bauen, hält unvermindert an. Noch größere Kreuzfahrtschiffe sind möglich und werden wahrscheinlich auch kommen. Technisch gibt es in dieser Hinsicht keine Grenzen.
In der Branche gilt die Faustregel: Je größer die Schiffe, desto höher der Gewinn. Großschiffe für 4000 Passagiere erwirtschaften im Jahr einen Umsatz von ca. 250-300 Mio. Dollar und mehr. Es sind nicht nur die grenzenlose Freiheit der Meere und das Gewinnstreben der Kreuzfahrtunternehmen, die die Grundlagen dieses Geschäftsfeldes bilden. Letztlich ist es der Markt, der über die Zukunft entscheiden wird. Aber der hat bekanntlich immer zwei Seiten.