Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Deutschland wird der Ukraine sieben Panzerhaubitzen 2000 liefern. Dazu sei eine Übereinkunft erzielt worden, sagte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am Freitag in Sliac in der Slowakei. Die Waffensysteme sollten aus einer laufenden Instandsetzung kommen und damit der Bundeswehr nicht unmittelbar fehlen. Zu den Haubitzen solle eine Ausbildung angeboten werden.

Die SPD-Politikerin besuchte in dem an die Ukraine grenzenden Land deutsche Soldaten, die mit dem Flugabwehrsystem Patriot zur Verstärkung an die Nato-Ostflanke verlegt wurden.

Die Panzerhaubitze ist ein schweres Artilleriesystem mit einer Kanone auf einem Kettenfahrzeug - und ähnelt damit einem Panzer. Der Bundestag hatte Ende März eine Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gefordert und dazu einen gemeinsamen Antrag von Union sowie den regierenden Ampel-Parteien beschlossen. Lambrecht hatte auch eine Lieferung von Flugabwehrpanzern Gepard in Aussicht gestellt, von dem der Hersteller KMW noch 50 Stück in den Beständen hat. Die Lieferung schwerer Waffen war lange umstritten.

Mit Standardmunition erreicht die Panzerhaubitze Schussentfernungen von 30 Kilometern, mit reichweitengesteigerter Munition sind 40 Kilometer möglich, wie die Bundeswehr schreibt. Die Geschützbesatzung kann demnach bis zu sechs Granaten so abfeuern, dass diese gleichzeitig einschlagen. Festgestellt wird: «Die Panzerhaubitze 2000 ist eines der modernsten Artilleriegeschütze weltweit. Ihre Stärke liegt in ihrer Präzision und in ihrer großen Kampfentfernung.»

Aus Militärkreisen waren intern auch Bedenken gegen eine Übergabe des Waffensystems aus eigenen Beständen angemeldet worden. Es wurden Bündnisverpflichtungen und die befürchtete Einschränkung der eigenen Kampffähigkeit angeführt. Befürworter einer Lieferung verwiesen darauf, dass in der Ukraine Gefechte gegen russische Angreifer liefen, bei denen sich die künftige Ordnung in Europa wesentlich entscheiden könne und ein Sieg der russischen Streitkräfte deswegen verhindert werden müsse.

Zur Abschreckung hatte die Bundeswehr bereits sechs ihrer Panzerhaubitzen 2000 nach Litauen gebracht, wo sie den von Deutschland geführten Nato-Gefechtsverband verstärken.

Azovstal: Weitere Zivilisten könnten evakuiert werden

In der schwer zerstörten ukrainischen Hafenstadt Mariupol könnten am Freitag weitere Zivilisten aus dem umkämpften Werk Azovstal evakuiert werden. Das teilten sowohl UN-Generalsekretär António Guterres als auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstagabend mit.

Einzelheiten wurden nicht genannt. «Es ist unsere Politik, nicht über die Details zu sprechen, bevor sie abgeschlossen ist, um einen möglichen Erfolg nicht zu untergraben», sagte Guterres. Nach ukrainischer Darstellung wurden bereits Busse in Richtung Mariupol in Marsch gesetzt.

In dem Stahlwerk, der letzten Bastion der Verteidiger von Mariupol, warten nach ukrainischen Angaben noch rund 200 Zivilisten auf eine Möglichkeit, sich in Sicherheit zu bringen. Bei zwei vorherigen Evakuierungen unter Vermittlung der Vereinten Nationen und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz wurden etwa 500 Menschen aus Mariupol und Umgebung auf ukrainisch kontrolliertes Gebiet nach Saporischschja geholt.

Sanitäter aus Mariupol bittet Erdogan um Unterstützung

Ein Sanitäter aus dem Werk Azovstal bittet den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan um Unterstützung. «Beenden Sie diesen Alptraum», bat der Mann, der sich als muslimischer Krim-Tatare mit dem Namen Hassan zu erkennen gab, in einer am Donnerstagabend veröffentlichten Videobotschaft. «Hier sterben Menschen, die einen durch Kugeln, die anderen vor Hunger, die Verwundeten aus Mangel an Medikamenten, unter schrecklichen Bedingungen.» Er bat den türkischen Staatschef um Vermittlung in dem Konflikt, um Überwachung der Evakuierung der Menschen aus dem Werk, auch von ukrainischen Militärs.

Kiew: Russen wollen Azovstal bis zum 9. Mai erobern

Russland will nach Einschätzung der ukrainischen Regierung das belagerte Stahlwerk bis Montag erobern. Präsident Selenskyjs Berater Olexij Arestowytsch sagte am Donnerstagabend, das Azovstal-Werk solle zum 77. Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland am 9. Mai erobert werden. «Das schönste Geschenk an einen Herrscher ist der Kopf seines Gegners. Ich erkenne klar das Bestreben, Azovstal zu erobern und Putin zum 9. Mai den "Sieg" zu schenken», wurde er von der Agentur Unian zitiert.

«Sie wollen das unbedingt, aber mal sehen, ob ihnen das gelingt», sagte Arestowytsch. Die schweren Angriffe auf das Gelände des Stahlwerks ließen die Absichten des russischen Militärs klar erkennen. Zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs, der in Russland am 9. Mai gefeiert wird, ist in Moskau am Montag eine große Militärparade geplant. Für die Feier strebt Russland einen militärischen Erfolg in der Ukraine an.

Medien: Ukraine hat dank US-Informationen «Moskwa» versenkt

Geheimdienstinformationen der USA haben nach Medienberichten dem ukrainischen Militär dabei geholfen, das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, den Raketenkreuzer «Moskwa» zu versenken. Die US-Regierung habe aber keine Kenntnis über die Pläne der Ukraine gehabt, berichteten mehrere US-Medien wie die «Washington Post» oder die «New York Times» am Donnerstagabend (Ortszeit) unter Berufung auf nicht namentlich genannte Personen, die mit der Angelegenheit vertraut seien.

Die «New York Times» hatte zuvor schon berichtet, dass sich die ukrainische Armee bei ihrem Widerstand gegen Russland teilweise auf Informationen aus den USA beruft. Die ukrainische Armee nimmt etwa für sich in Anspruch, seit Beginn des russischen Angriffs zwölf russische Generäle durch gezielten Beschuss getötet zu haben. Pentagon-Sprecher John Kirby dementierte diesen Bericht.

Selenskyj bekräftigt Forderung nach Marshall-Plan

Ungeachtet der massiven finanziellen Unterstützung des Westens für die Ukraine hält Präsident Selenskyj an seinen Gedanken über eine Art Marshall-Plan für sein Land nach dem Krieg fest. Die internationale Geberkonferenz in Warschau, die wenige Stunden zuvor etwas über sechs Milliarden Euro Unterstützung für Kiew zusammengebracht hatte, sei «ein Element unseres Schutzes, ein Element des Schutzes für ganz Europa», sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Das Schicksal der Ukraine und Europas entscheide sich «nicht nur auf dem Schlachtfeld», sondern auch im wirtschaftlichen Bereich, beim Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg.

Die in Warschau zugesagten Milliarden seien jedoch «nur ein Teil dessen, was wirklich notwendig ist, um das normale Leben in dem gesamten Gebiet wiederherzustellen, in das Russland den Krieg gebracht hat». «Deshalb brauchen wir ein modernes Analogon des Marshall-Plans für die Ukraine.» Mit dem Marshall-Plan, benannt nach dem damaligen US-Außenminister George Marshall, hatten die USA in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg den Wiederaufbau in Westeuropa mit Milliardensummen unterstützt.

Selenskyj: Bisher über 2000 russische Raketenangriffe

Die russische Armee hat in ihrem Krieg gegen die Ukraine nach den Worten von Präsident Selenskyj bisher 2014 Raketen gegen diverse Ziele eingesetzt. Darüber hinaus seien seit Beginn der Invasion der russischen Armee in die Ukraine am 24. Februar bereits 2682 Luftangriffe registriert worden.

Ukraine: Russische Landungsoperation bei Odessa möglich

Das ukrainische Militär hält eine russische Landungsoperation an der Schwarzmeerküste in der Umgebung der Hafenstadt Odessa für möglich. Nach einer Mitteilung der regionalen Militärführung werde das Gebiet verstärkt von russischen Aufklärungsdrohnen überflogen, berichtete die Zeitung «Ukrajinska Prawda». Zudem sei die russische Marine vor dem von ukrainischer Seite kontrollierten Küstenabschnitt weiterhin stark präsent.

Was bringt der Tag

Die Reiselust deutscher Politiker in Richtung Kiew nimmt Fahrt auf. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte am Donnerstagabend in Berlin an, dass Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Kürze die ukrainische Hauptstadt besuchen wird. Ein Termin wurde vom Auswärtigen Amt nicht genannt. Am Wochenende wird bereits Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) in der Ukraine erwartet.