Krisenvorsorgeexperte Herbert Saurugg - Zittern vor dem Blackout: Warum wir auf das Schlimmste nicht vorbereitet sind
Die Energiewende verändert das europäische Stromsystem grundlegend. Blackout-Experte Herbert Saurugg zeigt in seinem Artikel die Herausforderungen und Risiken dieser Transformation.
Neben diesen Begleiterscheinungen einer großen gesellschaftlichen Transformation, wie sie etwa Ray Dalio in „Weltordnung im Wandel: Vom Aufstieg und Fall der Nationen“ sehr eindrücklich beschreibt, gibt es weitere Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt.
Zum Beispiel, welche Auswirkungen die größte Infrastrukturtransformation aller Zeiten - die Energie- bzw. Stromwende - auf die Robustheit unserer wichtigsten gesellschaftlichen Lebensader, der Stromversorgung, hat und wie diese wiederum mit der Anfälligkeit für externe Störungen, mögliche Sabotageakte oder Komplexitätsüberlastung zusammenhängt.
Auch deshalb, weil mit dem eingeschlagenen Weg „all electric“ in Zukunft noch viel mehr Anwendungen wie die Mobilität oder die Wärmeversorgung von dieser zentralen Infrastrukturversorgung abhängen werden, was zusätzliche Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit des Stromversorgungssystems stellt. Denn ohne Stromversorgung käme unser Leben, wie wir es kennen und meist für selbstverständlich halten, plötzlich vollständig zum Erliegen.
Die Energiewende: Chancen und Risiken
Das europäische Stromversorgungssystem durchläuft derzeit einen tiefgreifenden Wandel. Denn die Energiewende geht weit über den bloßen Austausch von Erzeugungsformen hinaus und erfordert eine fundamentale Neugestaltung unseres gesamten Energiesystems.
An die Stelle weniger Großkraftwerke treten nun Millionen kleinerer Anlagen, die jedoch nur einen Bruchteil der Funktionalitäten ihrer Vorgänger bieten. Diese Transformation stellt daher das über Jahrzehnte gewachsene Stromversorgungssystem vor beispiellose Herausforderungen.
Denn ein funktionierendes Stromversorgungssystem benötigt nicht nur eine nachhaltige Erzeugung, sondern auch ein reibungsloses Zusammenspiel aller Komponenten, um das im Stromnetz ständig erforderliche Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch aufrechtzuerhalten. Denn jede größere Störung dieses empfindlichen Gleichgewichts birgt die Gefahr von Kaskadeneffekten.
Der gesamte Umbau muss zudem bei laufendem Betrieb erfolgen, was erhebliche Herausforderungen mit sich bringt. Hier ein Auszug:
Volatile Stromerzeugung
Die Abhängigkeit von Wind- und Solarenergie bringt eine systemimmanente Volatilität in das Stromversorgungssystem. Diese erneuerbaren Energiequellen sind naturgemäß wetterabhängig und stehen nur schwankend, teilweise unvorhersehbar und regional in sehr unterschiedlicher Form und Verfügbarkeit zur Verfügung, was eine enorme Herausforderung für den erforderlichen sekundengenauen Ausgleich zwischen Stromerzeugung und -verbrauch darstellt.
Verschärft wird diese Situation durch den rasanten Zubau von Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) in vielen europäischen Ländern. An sonnigen Tagen führt dies zunehmend zu Überproduktionen, bei denen mehr Strom erzeugt, als verbraucht wird. Zwischenzeitlich müssen daher auch andere CO₂-freie Erzeugungsanlagen wie Wasser- oder Windkraftwerke abgeschaltet werden, um eine Überlastung zu verhindern.
Nebenbei sinkt in diesen Zeiten der Strompreis auf ein unwirtschaftliches Niveau. Die Kraftwerksbetreiber müssen teilweise sogar für die Abnahme des Stroms bezahlen. Überschüsse aus nicht steuerbaren PV-Anlagen belasten die Netze inzwischen in bisher nicht gekanntem Ausmaß.
Für das Frühjahr 2025 prognostizieren Experten kritische Netzsituationen, die möglicherweise nur durch großflächige, kontrollierte Stromabschaltungen beherrschbar sind, um einen unkontrollierten Netzzusammenbruch zu verhindern.
Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass viele PV-Anlagenbetreiber keinen Anreiz haben, ihre Produktion an die Nachfrage anzupassen, da sie eine feste, staatlich garantierte Vergütung erhalten. Ein wesentlicher Konstruktionsfehler des Fördersystems, der den Steuerzahlern alleine für 2024 schätzungsweise über 20 Milliarden Euro kosten wird.
Hier zeigt sich auch ein Paradoxon der Energiewende: Nicht nur Strommangel, sondern auch ein Überangebot an Strom kann die Netzstabilität gefährden.
Reduzierung der systemrelevanten Momentanreserve
Gleichzeitig werden konventionelle Kraftwerke und die damit verbundene Momentanreserve, die eine zentrale Rolle für die Netzstabilität spielt und als „Stoßdämpfer“ dienen, reduziert. Das System wird dadurch fragiler, ohne dass das unmittelbar wahrnehmbar ist, da die Gefahr abrupter Phasenübergänge (Kipppunkte) erst kontinuierlich steigt.
Wir erinnern uns an die eingangs erwähnte Problematik von zeitverzögerten Wirkungen. Notwendige Ersatzmaßnahmen in Form von systemdienlichen Großbatteriespeichern wurden bisher kaum umgesetzt.
Steigende Netzeingriffe
Um das System dennoch stabil halten zu können, müssen die Netzbetreiber immer häufiger eingreifen. Lag die Zahl der Eingriffe Anfang der 2000er Jahre in Deutschland noch im einstelligen Bereich pro Jahr, so stieg diese bis 2022 auf über 12.000 und bis 2023 auf über 15.000 an. 2024 wird mit über 17.000 Eingriffen ein weiterer Rekord erreicht.
Speicherbedarf
Um die Schwankungen und Überschüsse in der Stromerzeugung ausgleichen zu können, sind dringend massive Energiespeicherkapazitäten erforderlich. Diese sind jedoch bislang nicht in ausreichendem Maße vorhanden und ihr Aufbau ist mit einem enormen Ressourcen- und Kostenaufwand verbunden.
Eine besondere Herausforderung stellt dabei die erforderliche Bandbreite an Speichertechnologien dar: Diese müssen Zeiträume von Millisekunden bis hin zu Jahrzehnten abdecken können. Das Kernproblem liegt darin, dass die wirtschaftliche Darstellbarkeit dieser Systeme stark eingeschränkt ist. Während Batteriespeicher für wenige Stunden oder Pumpspeicherkraftwerke für saisonale Schwankungen wirtschaftlich betrieben werden können, fehlen für die übrigen Zeitbereiche praktikable und bezahlbare Lösungen und entsprechend fördernde Regelungen, um deren Ausbau zu forcieren.
Dabei ist zu beachten: Die zugrunde liegende Physik lässt keine Kompromisse zu. Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, droht der Zusammenbruch des Systems, egal wie selten oder kurz solche Perioden auftreten. Zudem gibt es derzeit keine Technologie, die es erlauben würde, die aktuell verbrauchten Energiemengen auch nur annähernd leistbar zwischenzuspeichern.
Netzausbau
Die Energiewende erfordert eine umfassende Neugestaltung des Stromnetzes. Einerseits müssen massive Übertragungskapazitäten geschaffen werden, um den Strom von den neuen, häufig Verbrauchs-fernen Produktionsstätten zu den Verbrauchszentren zu transportieren.
Andererseits stellt die Integration dezentraler Erzeugungsanlagen die Verteilnetze vor völlig neue Herausforderungen. Die bestehende, für eine zentrale Verteilung konzipierte, Infrastruktur ist für diese bidirektionalen und volatilen Energieflüsse nicht ausgelegt.
Ressourcenbedarf
Die angestrebte Transformation der Energieinfrastruktur innerhalb weniger Jahre stellt daher eine beispiellose Herausforderung dar. Es geht um nichts Geringeres als die vollständige Umgestaltung, Erneuerung und den massiven Ausbau bestehender Strukturen.
Angesichts der Dimension dieser Aufgabe und der gleichzeitig zunehmenden Ressourcenknappheit in allen Bereichen – finanziell, materiell und personell – erscheint die realistische Umsetzbarkeit in der vorgegebenen Zeit höchst fragwürdig. Selbst ambitionierteste Zielsetzungen können nicht über diese grundlegenden praktischen Hürden hinwegtäuschen. Es bedarf daher einer nüchternen Einschätzung der tatsächlichen Möglichkeiten und mit Sicherheit einer Anpassung der Zeitpläne.
Systemkomplexität
Die Energiewende bringt nicht nur technische, sondern auch strukturelle Herausforderungen mit sich. Die Integration zahlreicher neuer Akteure und Komponenten sowie der Bedarf an Flexibilisierung und Digitalisierung steigern die Komplexität des Systems erheblich.
Diese Entwicklung erfordert völlig neue Denk- und Handlungsansätze, die jedoch bisher kaum erkennbar sind, was auch mit dem Bildungssystem zusammenhängt, das bisher kaum an die neuen Bedürfnisse angepasst wurde.
Dringender Handlungsbedarf auf systemischer Ebene
Die Summe der dargestellten Faktoren, die nur einen Ausschnitt darstellen, und deren oft wenig beachtete Wechsel- und Nebenwirkungen, erhöhen die Fragilität des Stromversorgungssystems. Denn während das Stromversorgungssystem bei bisher bekannten Störungen sehr robust ist, kann bei der zu beobachtenden und deutlich zunehmenden Komplexität schon eine Kleinigkeit zu einem Phasenübergang und damit zu einem unterschätzten Kaskadeneffekt führen.
Denn in der Systemtheorie gilt: Komplexe Systeme sind Meister im Puffern von Störungen. Fehlt jedoch die Zeit zur Regeneration, drohen schwere Schäden bis hin zum Systemkollaps. Es besteht also dringender Handlungsbedarf, um die Versorgungssicherheit auch in Zukunft gewährleisten zu können.
Das Kernproblem liegt dabei in der bislang fehlenden systemischen Herangehensweise: Ein umfassendes Programmmanagement mit klaren Planungsschritten und einem effektiven Controlling und Nachjustieren ist kaum erkennbar. Stattdessen werden Ziele oft nach politischen oder ideologischen Grundsätzen festgelegt, ohne deren technische oder wirtschaftliche Machbarkeit zu prüfen oder die unveränderlichen physikalischen Rahmenbedingungen ausreichend zu berücksichtigen.
Nicht erreichte Zwischenziele werden häufig durch noch ambitioniertere ersetzt, anstatt die Ursachen für die Verfehlung zu analysieren und den Weg anzupassen. Zudem besteht die Tendenz, physikalische Gesetzmäßigkeiten und schwer veränderbare Rahmenbedingungen durch politisches Mikromanagement überwinden zu wollen.
Besonders bedenklich sind das weitgehende Fehlen eines systematischen Monitorings möglicher negativer Nebenwirkungen und die fehlende Anpassung an veränderte Rahmenbedingen.
Leistbare Energie
Diese chaotischen Entwicklungen manifestieren sich besonders deutlich im Bereich der Bezahlbarkeit – einer der drei Säulen des energiepolitischen Dreiecks neben Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit. Eine erfolgreiche Volkswirtschaft basiert auf einer preiswerten und zuverlässig verfügbaren Energie. Dieses Fundament zeigt in Mitteleuropa zunehmend Risse, was zu wachsenden wirtschaftlichen Verwerfungen führt.
Zwar spielen auch externe Faktoren, wie der Krieg in der Ukraine, eine Rolle, doch die Umstellung auf volatile Erzeugung ohne ausreichende Puffer und Berücksichtigung der erforderlichen Systemanpassungskosten führt zwangsläufig zu stark schwankenden und unberechenbaren Preisen und Kosten.
Bei Überangebot durch Sonne und Wind fallen die Preise bis in den negativen Bereich, während Knappheit zu extremen Preisspitzen führt. Besonders kritisch wird es, wenn fehlende Energie trotz Zahlungsbereitschaft nicht mehr bereitgestellt werden kann. Denn diese kann durch nichts ersetzt werden.
Ein Beispiel für diese Problematik zeigt sich Anfang November bzw. Mitte und Ende Dezember 2024, als aufgrund sogenannter Dunkelflauten kaum Wind- und PV-Strom erzeugt wurde. Für diese Zeiten werden entsprechende Ersatzkraftwerksleistungen benötigt, die jedoch sukzessive abgebaut werden.
Gleichzeitig verzögert sich der Zubau der geplanten Gaskraftwerke, die auch kurzfristig einspringen können. Wir nähern uns damit dem Punkt, an dem nur noch großflächige Stromabschaltungen einen Systemzusammenbruch verhindern können - ein Szenario, das viele noch für unmöglich halten.
Diese Entwicklungen unterstreichen daher die Notwendigkeit, bei der Energiewende neben den ökologischen auch die ökonomischen und versorgungstechnischen Aspekte wieder stärker und ausgewogener zu berücksichtigen, um die Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft zu sichern.
Risiko eines Strom-Blackouts
Ein mögliches Strom-Blackout stellt eine der gravierendsten Bedrohungen für unsere hoch entwickelte Gesellschaft dar, egal durch welche Einflüsse es letztendlich ausgelöst wird. Die allgegenwärtige Abhängigkeit von elektrischer Energie macht uns extrem verwundbar gegenüber den Folgen eines solchen Ereignisses.
Die potenziellen Auslöser für ein mögliches Blackout umfassen ein breites Spektrum von Risiken, wie technische Störungen, Naturkatastrophen, deren Häufigkeit und Intensität durch den Klimawandel steigen oder gezielte Cyber- oder Sabotage-Angriffe auf Kritische Infrastrukturen, die in der aktuellen geopolitischen Lage an Bedeutung gewonnen haben.
Grundlegend für eine erhöhte Anfälligkeit ist jedoch die beschriebene und zunehmende Komplexität des Energiesystems selbst, die zwangsläufig zu einer erhöhten Fragilität des Systems und damit Störanfälligkeit führt.
Leider wird die bisher sehr hohe Versorgungssicherheit auch gerne mit einer sogenannten Truthahn-Illusion betrachtet: Ein Truthahn, der Tag für Tag von seinem Besitzer gefüttert wird, nimmt aufgrund seiner täglich positiven Erfahrungen (Fütterung und Pflege) an, dass es der Besitzer nur gut mit ihm meint. Ihm fehlt die wesentliche Information, dass diese Fürsorge nur einem Zweck dient: dem späteren Festmahl. Am Tag vor „Thanksgiving“, an dem (in den USA) die Truthähne traditionellerweise geschlachtet werden, erlebt der Truthahn die fatale Überraschung seines jähen Endes.
Diese Metapher beschreibt den häufigen Umgang mit Ereignissen, die selten vorkommen, aber enorme Auswirkungen haben. Wir verwechseln dabei gerne die Abwesenheit von Beweisen mit dem Beweis der Abwesenheit von Ereignissen. Dies führt leicht zu fatalen Überraschungen.
Ähnlich verhält es sich beim Thema Blackout. Während die einen das Thema massiv verharmlosen oder als Hirngespinst gewisser politischer Kreise abtun, wird es von anderen hochgespielt.
Die zentralen Punkte sind jedoch, dass kein System unfehlbar ist und wir als Gesellschaft auf ein solches Ereignis nicht vorbereitet wären, was die viel größere Gefahr darstellt. Während die Gesellschaft in der Ukraine enorm belastbar ist und auch gravierende Ausfälle in allen Bereichen noch unter großen Entbehrungen bewältigen kann, ist dies in Mitteleuropa kaum zu erwarten.
Zumal damit zu rechnen ist, dass im Falle eines Blackouts ein abrupter Übergang von „alles geht“ zu „nichts geht mehr“ erfolgen würde und somit keine Zeit für Anpassungen bliebe. Alles, was jetzt nicht vorbereitet und vor Ort verfügbar ist, stünde dann nicht mehr zur Verfügung.
Die schwerwiegenden Folgen eines Blackouts
Ein Blackout ist mehr als nur ein großer Stromausfall, wie oft angenommen wird. Denn ein großflächiger und länger andauernder Stromausfall führt zu einem schwerwiegenden und länger andauernden Infrastruktur- und Versorgungsausfall („Zusammenbruch der Versorgungskette“) mit potenziell verheerenden Folgen:
Ausfall lebenswichtiger Systeme (Wasser, Abwasser, Heizung, Kommunikation)
Zusammenbruch von Produktion und Logistik
Versorgungsausfall und längerfristige Versorgungsengpässe bei Lebensmitteln und Medikamenten
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
Denn während die Stromversorgung wahrscheinlich innerhalb von vielen Stunden oder Tagen wiederhergestellt werden kann, wird der Ausfall der Telekommunikation durch Schäden und Störungen erheblich länger dauern. Die Wiederaufnahme von Produktion, Logistik und Versorgung erfordert jedoch stabile Strom- und Kommunikationsnetze.
Realistisch betrachtet kann es bis zu zwei Wochen dauern, bis die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern wieder anläuft, und Monate, bis sich die Lage normalisiert. Die wirkliche Krise beginnt daher erst, wenn der Strom bereits wieder fließt.
Das größte Risiko liegt daher nicht im Stromausfall selbst, sondern in der weitverbreiteten Naivität gegenüber einem solchen Szenario und der mangelnden Eigenvorsorge in der Bevölkerung sowie der generell fehlenden Vorsorge. Die Unterschätzung der Gefahr und die fehlenden Vorbereitungen auf allen Ebenen könnten im Ernstfall schwerwiegende Konsequenzen haben.
Auch bei möglichen großflächigen Stromabschaltungen („Energiemangellage“) zur Vermeidung eines unkontrollierten Systemzusammenbruchs ist je nach Dauer und Umfang der Abschaltungen mit erheblichen Infrastrukturstörungen und möglichen Versorgungsausfällen zu rechnen, was ebenfalls kaum jemand wirklich auf dem Radar hat bzw. was ebenfalls verharmlost wird. Hier werden wir wohl erst nach den entsprechenden schmerzhaften Erfahrungen klüger werden.
Fehlende Eigenvorsorge
Studien und Umfragen zeigen durchgängig, dass nur etwa ein Drittel der Bevölkerung in der Lage ist, sich länger als eine Woche selbst versorgen zu können. Diese mangelnde Vorbereitung kann zu einer gefährlichen Abwärtsspirale führen: Wenn zu viele Menschen aufgrund eigener Versorgungsprobleme nicht zur Arbeit kommen, wird die Wiederherstellung der Grundversorgung erheblich erschwert. Dieser Teufelskreis kann sich selbst verstärken und die Krisenbewältigung massiv behindern.
Besonders kritisch: Auch Mitarbeiter von Einsatzorganisationen, Behörden und Betreibern kritischer Infrastrukturen sind oft nicht besser vorbereitet als der Durchschnittsbürger. Diese weitverbreitete Unvorbereitetheit stellt ein ernsthaftes Risiko für die Resilienz der Gesellschaft im Krisenfall dar.
Wenig Aufwand, hoher Nutzen
Eine grundlegende Vorsorge für Krisensituationen wäre für die meisten Menschen leicht und einfach umsetzbar:
Wasservorrat: Ein Sechserpack Mineralwasser pro Person deckt den Minimalbedarf für mehrere Tage. In Gebieten mit unsicherer Wasserversorgung sollte mehr Trink- und Brauchwasser bevorratet werden.
Medizinische Vorsorge: Eine Erste-Hilfe-Ausrüstung und ausreichend persönliche Medikamente sind essenziell.
Lebensmittel: Haltbare Produkte wie Nudeln, Reis, Konserven und Hülsenfrüchte sollten für mindestens 14 Tage Selbstversorgung reichen.
Zusätzlich sinnvoll: Taschenlampen, batteriebetriebenes Radio, Bargeld und Müllsäcke (als Nottoiletten nutzbar).
Von Notstromaggregaten oder Ersatzkochherden ist in den meisten Fällen abzuraten. Besondere Vorsicht gilt beim Umgang mit offenem Feuer, da bei eingeschränkter Rettungskette schnell lokale Katastrophen entstehen können. Kerzen gehören daher nicht in den Notvorrat.
Fehlende Sicherheitskommunikation
Die erstmalige Konfrontation mit dem Szenario eins Blackouts löst in der Regel Überforderung, kognitive Dissonanzen und Abwehrreaktionen aus, da die Darstellung im scharfen Kontrast zur öffentlichen Wahrnehmung steht, die Sicherheit suggeriert und solche Szenarien als Panikmache abtut.
Doch angesichts der vielschichtigen, hier nur ansatzweise dargestellten Herausforderungen stellt sich die Frage: Ist dieses Szenario wirklich unrealistisch? Niemand kann die genaue Wahrscheinlichkeit beziffern, und sie mag als gering kommuniziert werden. Die potenziellen Auswirkungen wären zweifelsohne katastrophal. Allein die zu erwartenden Folgen rechtfertigen daher eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Szenario und entsprechende Vorsorgemaßnahmen.
Gemeinsame Krisenbewältigung
Für die Bewältigung einer Krise wie eines Blackouts ist nachbarschaftliche Solidarität von entscheidender Bedeutung. Nur durch gemeinschaftliches Handeln können wir solch weitreichende Herausforderungen bewältigen. Externe Hilfe ist in einem solchen Szenario kaum zu erwarten, da die Einsatzorganisationen und alle anderen selbst von den Auswirkungen betroffen sind und kaum freie Ressourcen zur Verfügung stehen.
Ein zusätzlicher Vorteil der Vorsorge: Diese sind nicht nur für Extremszenarien wie einem möglichen Blackout nützlich, sondern bewähren sich auch bei alltäglicheren Notlagen wie Krankheit, Wasserrohrbrüchen oder extremen Wetterereignissen.
Lebensfähiges Systemdesign
Angesichts des komplexen Krisenszenarios eines möglichen Blackouts drängt sich die Frage auf, wie wir das Risiko minimieren können. Ein Schlüsselaspekt liegt in der Neuausrichtung der Energiewende: Statt einer chaotischen, ideologiegetriebenen Umsetzung bedarf es einer systemischen Transformation.
Die Systemtheorie und Naturbeobachtung lehren uns, dass lebensfähige Systeme drei wesentliche Merkmale aufweisen, die ihre evolutionäre Robustheit begründen. Diese Erkenntnisse können als Leitprinzipien für eine resilientere Gestaltung unseres Energiesystems dienen.
Energie- und Ressourcenbedarfssenkung, Einfachheit: Energieeffizienz und Ressourcenschonung reduzieren Abhängigkeiten. Innovative Lösungen zeichnen sich oft durch Vereinfachung bestehender Prozesse aus, was häufig auch zu einer geringeren Komplexität führt. Paradoxerweise erhöhen wir aber gerade durch immer mehr Vernetzung („Digitalisierung“), aber auch durch immer mehr kleinteilige Regulierung die Komplexität des Systems.
Dezentralität (autonome funktionale Einheiten): In einer zunehmend vernetzten und damit komplexer werdenden Welt sind robuste Teilstrukturen mit eigenständiger Überlebensfähigkeit zwingend erforderlich. Diese Subsysteme müssen in der Lage sein, auch autonom zu funktionieren und von unten nach oben die Gesamtstabilität zu erhöhen und systemische Risiken zu minimieren.
Fehlerfreundlichkeit, Fehlertoleranz, Diversität: Die dritte Säule ist die Diversifizierung. Wer alles auf eine Karte setzt oder nicht mit Fehlern umgehen kann, geht ein sehr hohes Risiko ein. In den letzten Jahrzehnten wurden zahlreiche Fehler gemacht: Effizienzsteigerungen werden oft nur mehr durch den Abbau von Reserven und Redundanzen erreicht. Dadurch sinkt jedoch die Fehlertoleranz, wie die wiederholten Probleme in den Lieferketten der letzten Jahre deutlich gemacht haben. Auch die abnehmende Vielfalt von Lieferketten und Komponenten, insbesondere im Infrastrukturbereich, kann schwerwiegende Folgen haben.
Diese Herangehensweise bringt unvermeidbare Widersprüche mit sich, die unser lineares Schwarz-Weiß-Denken herausfordern. Daher ist im Umgang mit komplexen Systemen auch zwingend ein „Sowohl-als-auch-“ statt ein „Entweder-oder-Denken“ erforderlich, wo wir wiederum ein bildungstechnisches Problem haben.
Eine Anpassung unseres Denkrahmens ist aber unumgänglich. Die dargestellten Erkenntnisse betonen daher die Notwendigkeit, Resilienz und Regenerationsfähigkeit in unsere Systeme zu integrieren und ihnen ausreichend Zeit zur Anpassung zu geben. In der Systemtheorie gilt: Komplexe Systeme sind Meister im Puffern von Störungen. Fehlt jedoch die Zeit zur Regeneration, drohen schwere Schäden bis hin zum Systemkollaps.
Das Konzept der Energiezellen
Wendet man diese Erkenntnisse nun auf die Energiewende und die Notwendigkeit eines systemischen Ansatzes an, ergibt sich das vielversprechende Konzept von Energiezellen, die zur Erhöhung der Robustheit der Infrastruktur und der gesellschaftlichen Resilienz beitragen würden.
Eine Energiezelle ist eine dezentrale, autonome Funktionseinheit, in der lokal erzeugte Energie gespeichert und verteilt wird, um vor Ort den notwendigen Ausgleich zu gewährleisten. Diese Zellen sind mit benachbarten Zellen vernetzt, um ein gewisses „Atmen“ zu ermöglichen, da eine autarke Insel nicht zielführend und ineffizient ist.
Der zentrale Baustein einer solchen Zelle ist das Betriebssystem – ein sektorübergreifendes Energiemanagementsystem. Obwohl Lösungen bereits verfügbar sind, ist das Interesse bisher noch beschränkt, was häufig auf ein Silodenken und die bestehende sehr hohe Versorgungssicherheit und den falsch vorgegebenen Rahmenbedingungen zurückzuführen ist.
Mit Energiezellen könnten viele aktuelle Probleme rasch mit einem pragmatischen Ansatz gelöst werden: Jeder, der am Strommarkt teilnehmen möchte, muss eine definierte Anzahl von Stunden im Jahr gesichert einspeisen bzw. Strom bereitstellen können.
Das würde die Erneuerbaren-Energie-Anlagen automatisch zur Kooperation zwingen, sei es mit Speicherbetreibern oder mit konventionellen Kraftwerken. Dann kann man noch einen CO₂-Rahmen hinzufügen, und das Ganze regelt sich von selbst. Derzeit wird aber in allen Richtungen gefördert, was das Problem nur verschärft, weil jeder nur seinen Eigennutz sieht und verfolgt. Es sollten daher nur noch systemdienliche Anlagen gefördert werden.
Energiezellen bieten zudem mehrere Vorteile: Sie reduzieren die Abhängigkeit von zentralen Stromnetzen und erhöhen gleichzeitig die Versorgungssicherheit des Gesamtsystems. Zudem fördern sie die lokale Wirtschaft, indem sie Arbeitsplätze schaffen und die regionale Wertschöpfung steigern. Diese Aspekte stärken das Gemeinschaftsgefühl und erhöhen die Akzeptanz der Energiewende.
Ferner sollte auch die regionale Nahrungsmittelproduktion als Teil der Lebensenergie betrachtet und integriert werden. Ein Nachteil soll aber nicht verschwiegen werden: Ein solches System kann natürlich nicht so effizient betrieben werden wie das bisherige hochoptimierte zentralisierte System. Zumindest so lange kein Großschadensfall eintritt.
Zusammenfassung
Die Energiewende als auch die steigenden geopolitischen Spannungen mit ihren Nebenwirkungen bringen sowohl erhebliche Herausforderungen als auch Chancen für eine nachhaltige und sichere Energieversorgung mit sich. Der derzeit eingeschlagene Weg führt absehbar in eine Sackgasse.
Um die hohe Versorgungssicherheit und die Leistbarkeit von Strom aufrechtzuerhalten, ist dringend eine systemische Vorgehensweise erforderlich. Ein potenzielles Blackout stellt gegenwärtig eine ernsthafte Bedrohung für unsere Gesellschaft dar, die jedoch durch einfache Vorsorgemaßnahmen von jedem Einzelnen erheblich gemildert werden kann.
Das Konzept der Energiezellen könnte schnell zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Infrastrukturen und der Versorgungssicherheit beitragen. Inspiriert vom Ansatz der Start-ups – „Fail Fast“ – ermöglicht es, schnell zu scheitern und sich weiterzuentwickeln, ohne das Gesamtsystem zu gefährden. Die Umsetzung solcher Strukturen ist daher entscheidend, um die Energiewende voranzutreiben und gleichzeitig die damit verbundenen Risiken zu minimieren.