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Kritik an LNG-Plänen vor Rügen: Nach Protesten werden jetzt Alternativen geprüft

Bundesregierung präferiert Hafen Mukran als Alternative zu Sellin

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wird aktualisiert, sobald es neue Entwicklungen gibt

Das LNG-Spezialschiff
Das LNG-Spezialschiff "Neptune" (Bild: Getty)

Als die Bundesregierung ankündigte, vor dem Badeort Sellin auf Rügen ein Terminal für Flüssigerdgas bauen zu lassen, leisteten Anwohner, Umweltverbände und die Landesregierung Widerstand - offenbar mit Erfolg: Die Bundesregierung rückt vom umstrittenen Flüssigerdgas-Terminal vor Sellin ab. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Großprojekt und der aktuelle Stand.

Warum setzt die Bundesregierung auf LNG-Terminals?

Mit Hilfe schwimmender LNG-Terminals in Nord- und Ostsee will die Bundesregierung den Ausfall russischer Gaslieferungen im Zuge des Ukrainekriegs kompensieren.

Das erste Terminal war bei Wilhelmshaven (Niedersachsen) in Betrieb gegangen, ein weiteres, privat finanziertes bei Lubmin in Vorpommern. Das LNG-Terminal Deutsche Ostsee im Hafen Lubmin ist seit Januar 2023 in Betrieb. Jedes Jahr sollen darüber bis zu 5,2 Milliarden Kubikmeter Gas in das deutsche Gasfernleitungsnetz eingespeist werden. Träger ist der Konzern Deutsche ReGas mit Sitz in Lubmin.

Spezialschiff
Spezialschiff "Neptune" bei der Eröffnung des LNG-Terminals 'Deutsche Ostsee' in Lubmin. (REUTERS/Annegret Hilse)

LNG-Terminals: Was sollte vor Sellin gebaut werden?

Das vom Bund geplante LNG-Terminal sollte ursprünglich rund 5 Kilometer vom Badeort Sellin entstehen und laut ursprünglicher Planung Mitte oder Ende 2023 in Betrieb gehen. Umgesetzt wird das Vorhaben vom Energiekonzern RWE. Nach bisherigen Plänen sollten in der Ostsee vor Sellin zwei schwimmende Flüssigerdgas-Terminals installiert werden. Das mit Tankschiffen angelieferte Flüssigerdgas sollte dort wieder in Gas umgewandelt und per Pipeline durch den Greifswalder Bodden nach Lubmin auf dem Festland transportiert werden.

Lubmin war früher Anlandepunkt für russisches Erdgas aus der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 und ist deshalb bereits an das europäische Verteilnetz angebunden.

Gegen die Pläne gab es jedoch wachsenden Widerstand von Anwohnern, Umweltverbänden, Politikern und mittlerweile auch der Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig (SPD).

Auch eine aktuelle bundesweite Umfrage stärkte die Gegner des geplanten Terminals vor Rügen: Laut der Befragung des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Gemeinde Binz lehnt demnach knapp die Hälfte der Bundesbürger den Bau solcher Anlagen an Rügens Küste ab.

Angesichts des großen Widerstands rückte nun auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vom umstrittenen Flüssigerdgas-Terminal vor Rügens Küste ab. Nun wird nach Alternativstandorten gesucht.

Verortung des umstrittenen LNG-Projekts vor Rügen (Grafik: A. Brühl, Redaktion: J. Schneider, dpa)
Verortung des umstrittenen LNG-Projekts vor Rügen (Grafik: A. Brühl, Redaktion: J. Schneider, dpa)

LNG-Terminals: Welche Alternativstandorte kommen in Frage?

Wie der Schweriner Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) gegenüber der "Ostsee Zeitung" (OZ) bestätigte, werden nun mehrere Alternativen zu dem umstrittenen Standort geprüft, und zwar vor und auf Rügen, aber auch vor und in Rostock.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur präferiert das Bundeswirtschaftsministerium dabei vor allem den Standort Hafen Mukran als Alternative zu Sellin. Eine Entscheidung solle zeitnah getroffen werden.

Der Fährhafen auf Rügen gilt auch als Wunschlösung der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns.

Was spricht für den Standort Mukran?

Für den Standort Mukran spricht laut "Ostsee Zeitung", dass es sich dabei bereits um ein Gewerbegebiet handelt, es nur wenige Anwohner gibt und die Schiffe im Hafen liegen würden. Die LNG-Tanker aus Übersee könnten dort direkt im Hafen entladen werden, zunächst an einem schwimmenden Terminal, später an einem stationären Bau an Land.

„Dann müssten wir eine Pipeline durch die Ostsee nach Lubmin bauen“, sagt Wirtschaftsminister Meyer der "OZ". Diese überschreite mit einer Länge von rund 50 Kilometern zwar das, was bisher als maximal mögliche Länge galt, um nicht unter die Aarhus-Konvention zu fallen: Diese regelt, wie Bürger und Nachbarstaaten bei Projekten mit mutmaßlich erheblichen Umweltauswirkungen beteiligt werden müssen. „Aus unserer Sicht ist das aber kein Problem, würde den ganzen Prozess lediglich vier bis sechs Wochen verlangsamen“, zitiert die "OZ" Meyer.

Mehr zum Thema: Habeck rückt von umstrittenem Standort Sellin ab

Sorgen um Umwelt und Tourismus: Was sind die Hauptkritik-Punkte an den LNG-Terminals?

Kein Bedarf: Ob das Terminal für die Gasversorgung benötigt wird, gilt als umstritten. Die Umweltverbände Bund, Naturschutzbund (Nabu) und WWF etwa sehen keinen Bedarf für weitere LNG-Terminals in der Ostsee vor Mecklenburg-Vorpommerns Küste. Deutschland habe bereits 2022 Flüssigerdgas (LNG) über Frankreich, die Niederlande und Belgien importiert und könne das auch zukünftig fortsetzen, teilten die in einer Ostseeallianz MV zusammengeschlossenen Verbände mit.

Die Deutsche Umwelthilfe hat grundsätzliche Bedenken gegen die Anlage, weil sie Flüssiggas-Transporte wegen der Enge in der Ostsee für ein Sicherheitsrisiko hält und legte nach eigenen Angaben Widerspruch beim zuständigen Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern ein.

Mehr zum Thema: Deutsche Umwelthilfe geht gegen LNG-Pläne bei Rügen vor

Zerstörung der Meeresumwelt: Das geplante Flüssiggas-Terminal vor Rügen soll mitten in einem Meeresschutzgebiet entstehen. Das würde laut Nabu Teile des Meeresbodens zerstören und den bereits belasteten Greifswalder Bodden, seine Lebensräume und dort heimische Arten gefährden.

Umweltverbände monieren, dass der Bau und langjährige Betrieb des Megaprojektes empfindliche und zu schützende Lebensräume zerstören und bedrohte Meeressäugetiere, Rastvögel und Zugvögel bedrohen. Meeressäuger würden dadurch einer Dauerbelastung ausgesetzt und auch Fischwanderrouten und das bedeutendste Heringslaichgebiet der westlichen Ostsee im Greifswalder Bodden gerieten laut Nabu in Gefahr.

Lärmbelästigung und Vibration: Bürger der Gemeinde Kröslin, insbesondere des Ortsteils Spandowerhagen, hatten eine Petition gestartet, in der sie die "permanenten Geräusche, die vom Betreiben des LNG-Schiffes „Neptune“ ausgehen", beklagen. Der anhaltende Lärm und sogar Vibrationen drängen laut den Anwohnern "24 Stunden lang, auch bei geschlossenen Fenstern" in ihre Wohnräume.

Wie der NDR berichtet, hatte das Umweltministerium des Landes im Januar Schallmessungen in Auftrag gegeben, die ergeben hätten, dass der zulässige Lärmpegel tatsächlich um 4 Dezibel überschritten wird. Die Deutsche ReGas hat daraufhin in einem Statement angekündigt, nach Lösungen zu suchen, um die Geräusche einzudämmen.

Abschreckung von Touristen: Rügen lebt vom Tourismus: Von einem Flüssiggasterminal quasi in Sichtweite des beliebten Badeortes Sellin sah sich folglich auch die Tourismusbranche bedroht. „Wer kommt noch nach Rügen, um auf eine Industrieanlage zu gucken?“, äußert sich die Sprecherin der Bürgerinitiative „Lebenswertes Rügen“ Stefanie Dobelstein gegenüber der "Taz".

Mit Material von dpa

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