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Kuba und das venezolanische Schreckgespenst

Der verstorbene “beste Freund Kubas”, Hugo Chávez, ist im Straßenbild ähnlich präsent wie Che Guevara (Bild: Moritz Piehler)
Der verstorbene “beste Freund Kubas”, Hugo Chávez, ist im Straßenbild ähnlich präsent wie Che Guevara (Bild: Moritz Piehler)

Kuba, letzter Überlebender des Kalten Krieges, vollzieht eine längst überfällige langsame Öffnung. Doch die gesamte Aufmerksamkeit liegt auch auf der einstigen Castro-Insel vor allem auf den Geschehnissen in Venezuela.

Ein Bericht aus Havanna von Moritz Piehler

Noch immer brausen die amerikanischen Oldtimer an Havannas Uferpromenade Malecón entlang und den Besucher grüßen bereits auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt großflächige Propagandasprüche der sozialistischen Regierung. Doch auch die kann sich nicht ewig der Moderne verschließen.

Man spürt die Aufbruchstimmung auf der kleinen Karibikinsel, die solange symbolträchtig dem großen Nachbarn USA Widerstand leistete. Jährlich wachsen die Touristenzahlen, seit kurzem gibt es öffentliche WLAN-Hotspots an Plätzen und Straßenecken, an denen sich vor allem die jungen Kubaner tummeln und mit der Welt in Kontakt treten.

Die Zeit der Uniformen ist vorbei

Der neue Präsident, an den sich die Kubaner erst langsam gewöhnen müssen nach fast 60 Jahren Herrschaft der Castro-Brüder, gibt sich aufgeschlossen und hemdsärmelig. Gerade ist Miguel Díaz-Canel zum zweiten Mal auf großer Runde durch die Provinzen Kubas unterwegs.

Zum Auftakt traf er sich in Santiago de Cuba mit Studierenden, Fabrikarbeitern und Ärzten, die Volksnähe hat er sich von Fidel abgeschaut. Das Outfit jedoch distanziert ihn klar von den olivgrünen Uniformen der Revolution. In kurzen Ärmeln und mit seiner Frau an der Hand spazierte er durch die Fußgängerzone Santiagos.

Der neue Präsident Miguel Díaz-Canel demonstriert gern hemdsärmelige Bürgernähe (Bild: AFP/Fernando Medina/Pool)
Der neue Präsident Miguel Díaz-Canel demonstriert gern hemdsärmelige Bürgernähe (Bild: AFP/Fernando Medina/Pool)

Auch ihm ist klar, ohne einen Umbruch wird es nicht gehen. Und ihm dürfte auch bewusst sein, wie groß die Abhängigkeit vom wichtigsten Öl-Lieferanten Venezuela ist. Im Straßenbild ist der verstorbene venezolanische Präsident Hugo Chávez fast so präsent wie Che Guevara, die Dankbarkeit ist nach wie vor sehr groß.

Fast täglich schaffen es die Nachrichten von dort auf die Titelseite der staatlichen Zeitung “Granma”, die Sprache erinnert an vergangene Propaganda-Zeiten, wenn von imperialistischer Invasion die Rede ist. Doch das trifft durchaus auf beide Seiten zu, denn die Hardliner-Politik der Trump-Regierung in Bezug auf Venezuela erinnert durchaus ebenso an die Zeiten der sogenannten “Big Stick”-Politik, als die USA Lateinamerika als ihren Hinterhof betrachteten.

Gegen jede zeitgeschichtliche Wendung hatten das Regime der beiden Castro-Brüder und mit ihnen die einfallsreichen Kubaner bisher stets irgendwie ein Mittel parat. Die neueste Entwicklung wird vielleicht zur schwersten Probe.

Inzwischen ist deutlich mehr Privatwirtschaft erlaubt als bisher. Fast 13 Prozent der Bevölkerung arbeiten mittlerweile als eine Art Ich-AG. Vor allem im Bereich Tourismus, der zuvor gänzlich vom Militär als einzige echte Devisenquelle kontrolliert wurde, ergeben sich dank einer vorsichtigen Öffnung mehr Möglichkeiten. Die waren bisher aber oft nur halb legal und kaum geregelt.

Verfassungsänderung ohne elementare Änderungen

Das soll nun die Verfassungsänderung regeln, über die Ende Februar abgestimmt wurde und die mit großer Mehrheit per Bürgerentscheid angenommen wurde. Faktisch passt das Regime damit allerdings nur den politischen Rahmen an längst bestehende Tatsachen an. Elementare Veränderungen wie das Erlauben einer Oppositionspartei oder die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen sind nicht enthalten.

Auch das ein Grund, warum es eine kleine, auch von Exilkubanern aus den USA unterstützte Gegenbewegung gab, die dazu aufrief, mit Nein oder ungültig zu stimmen. Der dazugehörige Hashtag #Yonovoto war schnell gesperrt und wer tatsächlich mit Nein stimmte, musste sich auf staatlichen Besuch mit unangenehmen Fragen einstellen.

Juán, der Mitte zwanzig ist und als Touristenguide in einer westlichen Provinz arbeitet, hat ebenfalls mit Nein gestimmt und erzählt, dass neben den Wahlurnen Kinder gestanden hätten, die genau registriert hätten, wer wie abstimmt. Es gehört nämlich auch zur kubanischen Realität, dass die Opposition unterdrückt wird und nach wie vor zahlreiche politische Gefangene im Gefängnis sitzen.

Ein “Nein” war beim Verfassungsreferendum nicht wirklich eine Option (Bild: Moritz Piehler)
Ein “Nein” war beim Verfassungsreferendum nicht wirklich eine Option (Bild: Moritz Piehler)

Außerdem beginnt in der Praxis erst Ende März die legislative Phase der Gesetzentwürfe und die Kubaner wissen vermutlich, wovon sie reden, wenn sie sich zuflüstern, dass es auch noch fünf Jahre bis zur Umsetzung dauern könnte. Ob das Land noch solange durchhalten kann?

Nach kurzfristiger Öffnung unter US-Präsident Obama hat sein Nachfolger Donald Trump, nie um eine billige Machtgeste verlegen, die Zügel wieder straff angezogen. Und Kuba leidet unter der Jahrzehnte langen Wirtschaftsblockade um so mehr, als eben der starke Verbündete der Vergangenheit fehlt.

Die Angst vor der nächsten Krise

Diese Lücke füllte Venezuela – bisher. Doch das Land steckt selbst in einer tiefen Krise, so dass nun sogar eine US-Intervention nicht völlig ausgeschlossen scheint. Die Kubaner haben Angst, dass sie dann die nächsten sein könnten.

“Es wird wieder wie in den Neunzigern,” fürchtet auch der 65-jährige Architekt Alberto. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war die Insel nahezu ohne Energieversorgung. Es fuhren kaum noch Autos, alles stieg auf Fahrräder und Eselskarren um und Strom gab es nur selten. Bis das sozialistische Venezuela und sein Präsident Hugo Chávez kamen und ihren Öl-Reichtum mit dem karibischen und ideologischen Nachbarn teilten.

Alberto hat seinen Beruf aufgegeben und bewirtschaftet die Farm seiner Eltern zwei Stunden außerhalb von Havanna. “Die Misswirtschaft der Regierung hatte sie fast zu Grunde gerichtet,” erzählt er. “Wir werden es sehen, bisher haben wir es noch immer irgendwie geschafft,” sagt er mit einem Achselzucken. Doch es hört sich nicht mehr ganz so überzeugt an, wie noch vor einigen Jahren.