Löw genervt von Diskussionen um Taktik und Titel

Bundestrainer reagiert auf Bierhoff-Äußerung zu WM-Sieg

Als er zum wiederholten Male zum "spanischen System" befragt wurde, reichte es Joachim Löw. "Dass bereits geschrieben wurde, Löw will die Stürmer abschaffen, ist doch schwachsinnig", sagte der Bundestrainer vor dem WM-Qualifikationsspiel am Dienstag in Nürnberg gegen Kasachstan. Die ständigen Diskussionen um die Taktik gehen dem 53-Jährigen inzwischen auf die Nerven. Deshalb sah er sich vor dem zweiten Duell gegen die Kasachen auch mit Blick auf die WM 2014 in Brasilien zu einer deutlichen Ansage gezwungen.

"Wir müssen in Deutschland ein bisschen Demut zeigen. Wir sind ja noch gar nicht qualifiziert. Und es ist ein bisschen vermessen, davon zu reden, was in anderthalb Jahren sein wird." Viel wichtiger sei "das Jetzt. Wir müssen uns jetzt qualifizieren und müssen uns jetzt als Mannschaft entwickeln."

Dass sich Löw vor der Partie gegen die Kasachen, bei der drei weitere Punkte auf dem Weg an den Zuckerhut fest eingeplant sind, überhaupt so ausführlich zur WM äußern musste, hatte er jedoch seinem Teammanager zu verdanken. Oliver Bierhoff hatte am Sonntag mit der These überrascht, dass ein Titelgewinn in Brasilien eigentlich "ein Ding der Unmöglichkeit" sei.

Löw gab Bierhoff im Kern auch recht, ist aber dennoch guter Dinge für das Turnier. "Nach menschlichem Ermessen ist es wahnsinnig schwer, in Südamerika den Titel zu gewinnen, absolut. Aber wir werden alles tun, damit wir um den Titel mitspielen können", unterstrich er. Bierhoff habe gesagt, "eigentlich ist es schier unmöglich. Eigentlich. Aber eigentlich hat auch niemand erwartet, dass 2004 Griechenland Europameister wird."

Zweifel an der erfolgreichen Qualifikation hegt Löw angesichts der komfortablen Situation in der Gruppe C, die sich nach dem 0:0 der Schweden gegen Irland weiter verbessert hat, nicht mehr. Er sei "fest davon überzeugt, dass wir die Qualifikation schaffen. Dann fahren wir als Mitfavorit nach Brasilien, das wird so sein. Aber es gibt eine ganze Reihe von Mannschaften, die eine unglaublich gute Qualität haben."

Die wird auch der DFB-Auswahl zugesprochen. Um aber für den ersten großen Wurf seit dem EM-Triumph 1996 gewappnet zu sein, arbeitet Löw weiter mit Vehemenz an den Feinheiten. Dazu gehört auch eine Tatik ohne echten Angreifer, die Löw zuletzt in drei aufeinanderfolgenden Spielen probiert hatte.

Auch in Nürnberg werden die 43.500 Zuschauer wohl die spanische Variante mit Mario Götze in vorderster Front bewundern können. Diesmal aber notgedrungen, da der Einsatz von Mario Gomez wegen einer leichten Zerrung weiterhin fraglich ist.

Die Diskussionen über eine weitere Option im deutschen Spiel gehen laut Löw aber "komplett in die falsche Richtung. Natürlich brauchen wir weiter Spieler, die ganz vorne spielen". Irgendwann habe es schon geheißen, "Löw will die deutschen Tugenden abschaffen oder Löw will die Zweikämpfe abschaffen. Jetzt sind es die Stürmer", ergänzte er mit Ironie: "Man muss den Entwicklungen Rechnung tragen. Vielleicht gibt es bald die kleinen Innenverteidiger, um Messi zu bekämpfen."

Doch egal ob ohne Zweikämpfe oder Stürmer - die Vorstellungen von Löw für das erneute Duell gegen die Kasachen sind klar. "Ich erwarte, dass wir mit der gleichen Vehemenz wie in der ersten Halbzeit beim 3:0 in Kasachstan spielen, ein frühes Tor vorlegen, nachlegen, das Tempo hochhalten, um dem Gegner die Freude und Luft zu nehmen", forderte der Bundestrainer.

Einen Motivationsknick nach dem Abenteuertrip nach Astana erwartet er nicht. "Die Spieler haben sich von den Strapazen erholt. Wir werden konzentriert und seriös ins Spiel gehen. Es geht um drei Punkte, die wir unbedingt holen wollen", unterstrich Löw. Die Spieler müssten aber "noch lernen, die Konzentration hochzuhalten, wenn wir uns weiterentwickeln wollen".

Im Gegensatz zum ersten Duell gegen die Kasachen am vergangenen Freitag kündigte er "zwei, drei Änderungen" an. In der Innenverteidigung wird demnach wohl Jerome Boateng vor dem ebenfalls angeschlagenen Benedikt Höwedes den Vorzug erhalten. Zudem kehrt der zuletzt gelbgesperrte Marco Reus im linken offensiven Mittelfeld ins Team zurück. Bastian Schweinsteiger (gesperrt) wird vor der Abwehr von Ilkay Gündogan, dem Löw das Potenzial zur Weltklasse bescheinigte, ersetzt.

Ob Gomez und Höwedes zum Kader gehören, wird sich kurzfristig entscheiden. "Man muss bei beiden sehen, wie sie das Abschlusstraining überstehen und ob sie dann einsatzfähig sind", sagte Löw. Er werde auf jeden Fall "kein Risiko" eingehen.