Nach den Landtagswahlen - Keine AfD-Brandmauer? Herr Merz, lesen Sie mal Ihren eigenen Satz

Friedrich Merz (CDU) will eine Wahlkampfveranstaltung in Brandenburg an der Havel besuchen.<span class="copyright">Michael Kappeler/dpa</span>
Friedrich Merz (CDU) will eine Wahlkampfveranstaltung in Brandenburg an der Havel besuchen.Michael Kappeler/dpa

Friedrich Merz hat die Zusammenarbeit mit der AfD zum politisches Tabu erklärt. Doch die Realität sieht anders aus. Dafür gibt es drei Gründe.

Die CDU gehört zu den Wahlsiegern in Thüringen und Sachsen. Doch das Triumph-Gefühl will sich nicht einstellen, denn die Partei hat sich in ihre Brandmauerstrategie verfangen. Mit der AfD, mit der sie regieren könnte, will sie auf gar keinen Fall etwas zu tun haben und zieht eben diese Brandmauer hoch.

Und diejenigen, die mit ihr regieren würden, wie das ebenfalls   triumphierende BSW der linken Ikone Sahra Wagenknecht, passen inhaltlich nicht zu den Christdemokraten. In der Ost-CDU wissen sie: Niemand hat sie gewählt, damit sie sich von Sahra Wagenknecht und ihrem Mann Oskar Lafontaine den Kurs diktieren lassen. Damit aber steckt die Partei in der Zwickmühle.

Die „Brandmauer“ und ein wichtiger Satz von Merz

Wie sehr sie sich windet, belegen die Äußerungen ihres Vorsitzenden und möglichen Kanzlerkandidaten Friedrich Merz. Der hatte vor knapp drei Jahren, als es darum gegangen war, den CDU-Vorsitz zu erringen, klipp und klar in einem Interview mit dem „Spiegel“ gesagt: „Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben. Die Landesverbände, vor allem im Osten, bekommen von uns eine glasklare Ansage: Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an.“

Daran will sich Merz heute nach den Erdrutsch-Wahlen in zwei ostdeutschen Bundesländern nicht mehr recht erinnern. „Das Wort ‘Brandmauer’ hat nie zu unserem Sprachgebrauch gehört. Das ist uns immer von außen aufgenötigt worden“, sagte er jetzt der Deutschen Presseagentur. „Ich brauche mich“, fügte er hinzu, „nicht von einem Begriff zu distanzieren, den ich selber nicht eingebracht habe.“ Hintergrund dieser Kehrtwende war die Empfehlung von Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, vom Begriff der „Brandmauer“ gegenüber der AfD Abstand zu nehmen.

Der Unvereinbarkeitsbeschluss gegen links weicht auf

Für den Schlingerkurs gibt es drei Gründe. Der erste ist ein historischer: Im Dezember 2018 hatte die damalige Merkel-CDU einen Parteitagsbeschluss herbeigeführt, wonach sie weder mit der Linkspartei noch mit der AfD kooperieren würde. Dieser „Unvereinbarkeitsbeschluss" ist der Ursprung der Brandmauer.

Nur weicht sie ihn nach links jetzt auf, weil sich die CDU in Thüringen ein Zusammengehen mit dem BSW vorstellen kann. Das BSW aber ist unter anderem eine Nachfolge-Partei von der DDR-SED, der daraus hervorgegangenen PDS und der Linken. Zudem müsste eine solche Regierung von CDU, BSW und möglicherweise SPD von den vorhandenen Linken offiziell toleriert werden, weil ihr die eigene Mehrheit fehlte. Damit wird klar: Der Unvereinbarkeitsbeschluss gegen links weicht auf, warum soll der gegen rechts also weiter halten?

Der zweite Grund ist ein praktischer. Denn in Stadträten und Kreistagen ist die Zusammenarbeit mit der AfD kein Tabu. Beispielsweise in Sachsen. Dort hat der Politikwissenschaftler Steven Hummel zwischen 2019 und 2022 20 Fälle von Zusammenarbeit zwischen der AfD und demokratischen Parteien auf kommunaler Ebene recherchiert . Bis auf in zwei Fällen war immer die CDU mit beteiligt. Der CDU-Landrat aus Bautzen Udo Witschas machte von sich reden, weil er mit allen Parteien zusammenarbeiten will, da sie demokratisch gewählt seien.

Neuwahlen in Thüringen?

Das dürfe nach einer demokratischen Wahl nicht verboten sein. Witschas führt die Wahlergebnisse unter anderem darauf zurück, dass sich die Menschen im Osten nicht von oben vorschreiben lassen wollten, wer als gut und wer als böse bewertet werde, „weil sie über Jahrzehnte durch eine Diktatur unterdrückt wurden, Meinungen ihnen nicht gestattet wurden. Und jetzt nach über 30 Jahren der politischen Wende nehmen die Menschen zumindest Ähnliches wahr“.

Bereits am Sonntagabend hatte der Oberbürgermeister von Annaberg-Buchholz, Rolf Schmidt (Freie Wähler), mit Blick auf die Verhältnisse im neuen Stadtrat gesagt, „dass es auf normaler Ebene irgendwie weitergeht". Von „Brandmauern“ halte er nichts. In den vergangenen fünf Jahren hätten sieben Fraktionen im Rathaus bei den entscheidenden Abstimmungen zusammengearbeitet und Einigkeit gezeigt. „Ich verbinde damit die Hoffnung, dass das auch weiterhin möglich sein wird."

Und schließlich gibt es einen dritten machtpolitischen Grund: In Thüringen ist die Situation so verfahren, dass keine Koalition, die nicht unüberbrückbare Meinungsunterschiede unter ein Dach zwänge, eine Mehrheit bekommen kann.