NRW verhängt regionalen Lockdown - massive Reihentests

Über 1550 Arbeiter des Fleischverarbeiters Tönnies haben sich mit dem Coronavirus infiziert. Die NRW-Regierung zieht die Notbremse. Regierungschef Armin Laschet verkündet einen regionalen Lockdown und massive Tests in der Bevölkerung.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet sprach in Düsseldorf. (Bild: dpa)
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet sprach in Düsseldorf. (Bild: dpa)

Nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies schränken die NRW-Behörden das öffentliche Leben im Kreis Gütersloh massiv ein.

Erstmals in Deutschland werde ein gesamter Kreis wegen des Corona-Infektionsgeschehens wieder auf die Schutzmaßnahmen zurückgeführt, die noch vor einigen Wochen gegolten hätten, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Dienstag in Düsseldorf. Im Kreis Gütersloh handele es sich um das bisher “größte Infektionsgeschehen” in NRW und in Deutschland.

Grund für den Schritt ist der Corona-Massenausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies. Beim Schlachtbetrieb des Marktführers im westfälischen Rheda-Wiedenbrück hatten sich mehr als 1550 Beschäftigte nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Der Lockdown gelte zunächst für eine Woche. Bis zum 30. Juni werde man dann mehr Klarheit haben, inwieweit sich das Virus womöglich auch bei Menschen, die nicht bei Tönnies arbeiten, ausgebreitet habe, sagte Laschet. Bisher gebe es hier nur 24 nachgewiesene Infektionen. Die Behörden werden die Tests in der Bevölkerung zudem massiv ausweiten, betonte der Regierungschef.

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Laschet bemängelt Kooperation von Tönnies

Rund 7000 Mitarbeiter stehen mitsamt ihren Familien seit einigen Tagen unter Quarantäne. Die Einhaltung der Quarantäne-Maßnahmen gestaltet sich aber schwierig. Die nordrhein-westfälische Landesregierung habe drei Einsatzhundertschaften der Polizei in den Kreis Gütersloh geschickt, sagte Laschet. Die Polizisten sollten die Quarantäne der Mitarbeiter von Tönnies kontrollieren. Die Polizei werde die mobilen Testteams begleiten. Zur Not müssten die Behörden auch mit Zwang die Anordnungen durchsetzen. Es werde auch zusätzliche humanitäre Maßnahmen zur Unterstützung der Betroffenen geben.

Schulen und Kitas im Landkreis Gütersloh mit rund 370 000 Einwohnern waren bereits geschlossen worden. Für die größte deutsche Fleischfabrik war zudem ein vorübergehender Produktionsstopp verhängt worden. Auch im Kreis Warendorf werde es Einschränkungen geben.

Tönnies warf der CDU-Politiker derweil mangelnde Kooperation vor. Deshalb hätten die Behörden letztlich die Herausgabe der Daten der Werkarbeiter “verfügt.” Dass das Unternehmen den Datenschutz angeführt habe, sei kein Argument. Aus Infektionsschutzgründen wäre Tönnies gesetzlich verpflichtet gewesen, die Daten der Beschäftigten zu übermitteln, sagte Laschet.

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Anwohner reagieren entsetzt und wütend

Die Anwohner im Kreis Gütersloh haben derweil entsetzt und wütend auf den erneuerten Lockdown reagiert. Gegenüber der dpa machten mehrere Bürger ihrem Ärger freie Luft: “Wir hatten schon so viel Ärger durch den ersten Lockdown und jetzt soll das Ganze von vorne losgehen.”

Pfarrer Stefan Salzmann fasste zusammen: “Ich nehme viel Hilflosigkeit und Unzufriedenheit wahr.” Es gebe auch “eine große Wut, dass dieses System Tönnies so lange hat weitergehen können”, so der evangelische Pfarrer. Seine Gemeinde sei besorgt, weil es in Teilen der Bevölkerung schon eine erhitzte Stimmung gegen die Werksarbeiter gebe.

Anwalt Kai Drees sorgt sich auch um seinen Sommerurlaub: “Wir haben schon im Frühjahr den Urlaub umbuchen müssen, weil wir eigentlich fliegen wollten”, so der 52-Jährige. “Jetzt soll es mit dem Auto nach Norderney gehen, aber wir haben von Leuten gehört, die nicht mehr dorthin fahren durften, weil sie aus dem Kreis Gütersloh kommen.” Das verunsichere seine Familie und ihn.

Laschet bat darum, die Bürger aus dem Kreis Gütersloh nicht zu stigmatisieren. Mehrere Urlauber waren Berichten zufolge bereits um die Rückreise nach Gütersloh gebeten worden. Dies sei nicht notwendig, betonte Laschet, der zudem die Ausreise aus dem Kreis nicht verbot.

Text von Yahoo Deutschland und dpa.

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