Leadership-Profi Kishor Sridhar - Sahra Wagenknechts BSW: Parteigründung wie ein Start-Up
Der wahrscheinliche Erfolg bei den Landtagswahlen aus dem Stand liegt daran, dass Sahra Wagenecht das BSW weniger wie eine Partei sondern wie ein Start-Up führt - mit allen Stärken und Schwächen, sagt Leadership-Experte Kishor Sridhar
Das BSW von Politstar Sahra Wagenknecht scheint der große Gewinner der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen zu werden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die einstige Vorzeigekommunistin der Linken, Sahra Wagenknecht, das BSW so konsequent wie ein Start-Up-Unternehmen aufzieht, dass Unternehmer und Gründer einiges von ihr lernen könnten.
Wähler- oder Kundenwünsche: Es geht immer um Emotionen
Viele Parteien scheinen, was die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Wähler angeht, ähnlich ahnungslos wie Unternehmen nach dem Flop eines neuen Produkts. Sahra Wagenknecht und ihr Team scheinen jedoch beherzigt zu haben, was gute Start-Ups ausmacht. Denn am Anfang eines jeden erfolgreichen Start-Ups, aber auch eines jeden Produktlaunches sollte immer die Frage stehen: Wer ist der Kunde, wie kann ich ihn erreichen, was sind seine Probleme und welches ist das ideale Produkt, um diese zu lösen?
Sahra Wagenknecht hat mit dem BSW eine Partei wie aus dem Marketingbaukasten zusammengestellt: Soziale Gerechtigkeit, um sozial Schwächere zu erreichen; Eindämmung der Einwanderung als eine der Hauptherausforderungen vieler Bürger; sowie der Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine, womit sie vermeintlich Frieden schaffen würde. Inwieweit diese Kernpositionen sinnvoll bzw. umsetzbar sind, sei dahingestellt.
Auch Elon Musks Versprechen des Hyperloops oder des autonom fahrenden Autos bis 2018 waren nicht realistisch. Doch er sprach damit Emotionen an, die seine Zielgruppe begeisterten. Genau das macht Sahra Wagenknecht: Sie spricht die Hauptbedürfnisse der Bürger eines Wählerklientels an, das sich noch heimatlos fühlt, und macht sich dabei wählbar für all jene, denen die unklare Abgrenzung der AfD zum Rechtsextremismus unheimlich ist. Dabei hilft ihr Talent, komplexe politische Probleme zu vereinfachen, ohne unseriös zu wirken. So kann sie ein breites Publikum ansprechen.
Ein Führungsteam wie das Managementteam eines Unternehmens
Ein Start-Up braucht ein Führungsteam, das sich engagiert der Sache verschrieben hat, sich jedoch der Gründerin unterordnet. Gerade hier legen wir in der Führungskräfteentwicklung in Unternehmen einen großen Augenmerk, denn ohne gute Führungsmannschaft wird die beste Idee nicht zu m Erfolg. Auch hier zeigt eine Betrachtung aus der Unternehmerperspektive, dass sie ein Managementteam ähnlich wie die Führungsriege eines erfolgreichen Unternehmens aufgebaut hat:
Chief Operations Officer - Klaus Ernst: Der Mann für das Operative. Als erfahrener Gewerkschafter bringt er nicht nur seine Erfahrung in der politischen Neugründung ein, sondern fungiert auch als Bindeglied zu traditionellen Arbeitermilieus.
Chief Relationship Officer - Amira Mohamed Ali: Sie hat sich durch ihre engagierte Sozialpolitik und ihre kontroverse Haltung zur Migrationspolitik profiliert. Selbst mit einem Migrationshintergrund kann sie migrationskritischen Bürgern aus dem Herzen sprechen, ohne selbst in den Verdacht zu geraten, ausländerfeindlich zu sein. Mit ihrer Breite an Erfahrung und Glaubwürdigkeit stärkt sie das Profil der Partei.
Chief Quality Officer - Fabio De Masi: Mit seinem umfassenden Wissen in Finanzfragen und seiner Rolle als hartnäckiger Aufklärer sorgt er für die notwendige intellektuelle Tiefe.
Chief Financial Officer – Ralph Suikat: Kein Start-Up kann ohne solide Finanzierung erfolgreich sein. Dafür hat Wagenknecht Ralph Suikat, den IT-Millionär mit ausgeprägtem sozialen Gewissen, gewonnen. Er bringt nicht nur seine Expertise im Bereich Finanzmanagement und Investitionen mit ein, sondern auch seine Kontakte. Durch seine Erfahrung in der Finanzwelt wird Suikat dafür sorgen, dass das BSW finanziell solide aufgestellt ist und nicht nur durch Spenden, sondern auch durch nachhaltige Investitionen unterstützt wird. Er macht die Partei auch bei Unternehmern wählbar.
Sahra Wagenknecht ist die strahlende Marke
Bei Start-Ups und erfolgreichen Unternehmen im Silicon Valley sind meist die Gründer selbst die Marke. Elon Musk ist größer als Tesla oder Twitter, Jeff Bezos größer als Amazon, und Jensen Huang von NVIDIA ist ebenfalls eine große Marke. Wenn es jedoch einmal nicht so gut läuft, kann es selbst diesen Gründern schnell an den Kragen gehen – wie einst Steve Jobs, der von seinem eigenen Unternehmen rausgeworfen wurde, oder bei der AfD, wo der Gründer Bernd Lucke schließlich die von ihm gegründete Partei verlassen musste.
Das BSW ist jedoch die erste Partei Deutschlands, die den Namen des Gründers bzw. der Gründerin im Namen trägt. Auch wenn Sahra Wagenknecht sagt, dass dies nicht ihre Idee gewesen sei und ihrem Team aus praktischen Gründen vorgeschlagen wurde, kann man getrost davon ausgehen, dass es ihr ganz genehm kommt. Denn das BSW ohne SW (Sahra Wagenknecht) würde in eine Identitätskrise geraten. Sie verbindet ihre Person also untrennbar mit der Partei: Sahra Wagenknecht ist die Marke.
Gründer Start-Ups: Die Gefahr des zu schnellen Wachstums
Gäbe es also eine „Höhle der Löwen“ der Parteien, hätte Sahra Wagenknecht wahrscheinlich die ganze Jury überzeugt. Doch auch bei der „Höhle der Löwen“ wird nicht jedes Investment ein Erfolg. Wer ein Start-Up gründet, muss manchmal hemdsärmlich und sehr stark im Nehmen sein. Das führt jedoch schnell zu einer gewissen Sturheit und Beratungsresistenz.
In der Change-Beratung habe ich viele zuvor erfolgreiche Unternehmen erlebt, die später, als sie größer wurden, sich nicht von der Übermacht des Gründers lösen konnten und so zu Krisenfällen wurden. Zudem sind Gründer oft stur – das braucht man auch, um erfolgreich zu sein. Sie neigen jedoch dazu, schnell ihre Teamfähigkeit zu verlieren. Sahra Wagenknecht hatte bereits bei den Linken den Ruf, nicht sonderlich teamfähig zu sein.
Ein weiteres Risiko, was ich bei der Begleitung von Unternehmen im Wachstum immer wieder erlebe ist, dass durch zu schnelle Expansion die personellen und organisatorischen Fähigkeiten überdehnt werden. Dies kann auch beim BSW schnell passieren, wenn der Erfolg einen mehr in die Verantwortung nimmt.
Change und Transformation sind permanente Prozesse und müssen behutsam entwickelt und gesteuert werden. Insofern hat Sahra Wagenknechts BSW viel von einem Start-Up, aber eben auch die möglichen Nachteile. Es wird sich zeigen, ob sie aus den Fehlern anderer Gründer lernt.