Lebt in Singapur - Vorsicht Auswanderer! Münchner weiß, wie aus dem großen Traum ein Reinfall wird

Immer mehr Deutsche kehren ihrer Heimat den Rücken und suchen ihr Glück in der Ferne. Auch Singapur gewinnt an Beliebtheit. Marc Theiner, gebürtiger Münchner und Rechtsanwalt, hat den Schritt gewagt und ist ausgewandert.  Er sagt aber auch: Man braucht einen Plan, sonst wird aus dem Traum nichts.

Im Jahr 2022 wanderten fast 270.000 Deutsche aus. Besonders die Schweiz übt offenbar eine starke Anziehungskraft aus – wohl wegen der attraktiven Verdienstmöglichkeiten und dem hohen Lebensstandard. Andere Deutsche zieht es laut statistischem Bundesamt oft in die USA,.

Das Institut der deutschen Wirtschaft teilte dem MDR mit, dass es vor allem hochqualifizierte Arbeitskräfte sind, die den Schritt ins Ausland wagen. „Das Auswandern hat heute sehr viel mit Bildungs- und Erwerbskarrieren zu tun“, so ein Sprecher des Instituts.

Marc Theiner ist 26 Jahre alt, in München geboren und Rechtsanwalt. Er hat den Schritt ins Ausland gewagt: Anfang des Jahres ist er nach Singapur ausgewandert.

Schon immer zog es ihn in die Ferne, er lebte mit seiner Familie bereits in Miami, sagt er im Gespräch mit FOCUS Online. Früher suchte er vor allem nach persönlichen Abenteuern. Heute sucht Theiner nach beruflichen Herausforderungen.

Karrieresprungbrett Singapur

Der entscheidende Moment kam für ihn Anfang 2023, als sein deutscher Arbeitgeber ihn für ein Projekt nach Singapur schickte. Dort lernte der 26-Jährige das internationale Berufsumfeld kennen, arbeitet in einer deutschen Anwaltskanzlei mit Kollegen, die aus den verschiedensten Ländern kommen. Theiner erkannte schnell, dass sich Chancen boten, die er nutzen muss, um seine Karriere voranzubringen.

„Internationale Standorte wie New York, London und inzwischen auch Singapur sind ideal, um Erfahrungen zu sammeln und Netzwerke aufzubauen“, sagt Theiner. Die Arbeit in einer Kanzlei, die global agiert und mit Kunden weltweit zusammenarbeitet, war für ihn ein entscheidender Anreiz, so Theiner.  „München ist eine tolle Stadt, aber das berufliche Umfeld in Singapur hat mich überzeugt.“

Als Theiner im April 2023 nach seinem ersten Aufenthalt wieder in München landete, spürte er sofort den Unterschied: grauer Himmel, Nebel, schlechtes Wetter. Nach Monaten im sonnigen Singapur traf ihn die Rückkehr hart. „Wenn man erst einmal erlebt hat, wie es ist, in einem Land zu leben, wo das Wetter immer schön ist, fühlt sich die Rückkehr in den grauen Alltag wie ein Schock an“, sagt er.

Für hochqualifizierte Einwanderer stehen die Türen offen

Es zog ihn zurück in den asiatischen Stadtstaat. Auf den Inseln leben etwa 5,7 Millionen Menschen, von denen laut Berechnungen der Vereinten Nationen im Jahr 2020 rund 2,5 Millionen im Ausland geborene Einwanderer waren.

Der Auswanderungsprozess? Zum Glück war der bei dem Münchner relativ unkompliziert: „Mein Arbeitgeber hat sich um alles gekümmert. Nach drei Wochen hatte ich meine Arbeitserlaubnis“, sagt Theiner.

Er hat Glück. Es wird zunehmend schwieriger, Aufenthaltserlaubnisse für Singapur zu bekommen, die Grenzen werden streng überwacht. Eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, ist nahezu unmöglich.

Für gut ausgebildete Fachkräfte sind die Hürden jedoch etwas niedriger, erklärt Theiner. „Hochqualifizierte Europäer werden in Singapur geschätzt, weil sie oft über eine erstklassige Ausbildung verfügen, viel Arbeiten und somit einen wertvollen Beitrag für das Land leisten“, so Theiner weiter.

Lebensqualität und Steuervorteile: Singapurs Erfolgrezept für Expats

Ein großer Pluspunkt in Singapur sind in seinen Augen die niedrigen Steuern. „Je nach Gehalt bleibt viel mehr übrig als in Deutschland,“ sagt der Rechtsanwalt. Im Vergleich zu Deutschland, wo die Steuerbelastung bei etwa 40 Prozent liegt, liegt sie in Singapur deutlich unter dem OECD-Durchschnitt, zwischen null und 24 Prozent, wie Germany Trade and Invest berichtet.

„Vergleicht man potenzielle Standorte, ist das schon attraktiv“, betont Theiner. „Ich habe Freunde, die in Deutschland das Dreifache meines Bruttoeinkommens verdienen, aber netto weniger übrig haben als ich.“

Außerdem meint er: „Für einen Münchner sind die Lebenshaltungskosten und Mietpreise hier nicht überraschend hoch.“ Dennoch können die Wohnkosten je nach Gehalt eine Belastung darstellen. Ein Ein-Zimmer-Apartment kostet in Singapur im Durchschnitt rund 2000 Euro pro Monat.

Im Gegenzug bietet Singapur jedoch zahlreiche Annehmlichkeiten: Die meisten Wohnanlagen sind mit Pools, Sicherheitsdiensten und Fitnessstudios ausgestattet. Oftmals übernehmen Arbeitgeber die Kosten für die Unterbringung ihrer Mitarbeiter, wie es bei Theiner der Fall ist.

Vom Anwaltsbüro in den Beachclub: Work-Life Balance Singapur Art

Sein neues Leben in der tropischen Inselmetropole unterscheidet sich grundlegend von dem in Deutschland, sagt Theiner. Das ganzjährig sommerliche Klima trägt zur positiven Stimmung bei. „Man fühlt sich produktiver“, sagt der 26-Jährige. Morgens geht er vor der Arbeit zum Yoga, und an den Wochenenden findet er Ausgleich zum Bürojob in Beachclubs oder beim Shoppen.

Zu der in seinen Augen hohen Lebensqualität in Singapur tragen neben Sonne und Meer vor allem Sicherheit und Sauberkeit bei. Auf den Straßen liegt kein Müll, die Stadt ist weltweit als „The Fine City“ bekannt – ein Spitzname, der sich auf die vielen Bußgelder bezieht, die hier verhängt werden. Für sogenanntes „Littering“, also das Verschmutzen der Straßen, können Strafen von bis zu 1000 US-Dollar fällig werden.

Auch die Kriminalität ist in Singapur nahezu am Nullpunkt. Die Polizei arbeitet sehr effizient, und der Stadtstaat wurde mehrfach als das sicherste Land der Welt eingestuft. Im Global Peace Index belegt Singapur den 6. Platz und gilt somit als besonders sicher, wie die „Welt“ berichtete.

Die Kriminalitätsraten gehören zu den niedrigsten weltweit, Gewaltverbrechen sind äußerst selten. Theiner fühlt sich in Singapur deutlich sicherer als in Deutschland. „In München bin ich nachts ungern am Hauptbahnhof unterwegs, aber hier kannst du um drei Uhr morgens durch die dunkelste Gasse gehen, und es passiert dir nichts“, berichtet er.

Der Kulturschock bleibt aus: Was Deutsche und Singapurer verbindet

Einen Kulturschock erlebte der Jurist bei seiner Ankunft in Singapur nicht. Trotz der Unterschiede lebt man sich schnell ein, berichtet er. „Die Singapurer sind von Natur aus etwas zurückhaltender und nicht so extrovertiert wie Europäer“, erklärt er.

Dafür ist der Gemeinschaftsgedanke stärker ausgeprägt, und der Umgang mit den Mitmenschen seiner Meinung nach respektvoller. „In Singapur würde niemand Müll herumliegen lassen, wie man es nach Grillpartys im Englischen Garten sieht,“ so Theiner.

In manchen Aspekten ähneln die Singapurer den Deutschen jedoch sehr. „Sie beschweren sich gerne und meckern über alles und jeden,“ sagt Theiner schmunzelnd. „Aber sie sind, wie die Deutschen, sehr korrekt, direkt und pünktlich, was ich sehr schätze.“

Ein Leben im Paradies, aber eines fehlt: Das deutsche Brot

Ist Singapur also der perfekte Ort zum Leben? „Perfekt ist nichts, es gibt überall Vor- und Nachteile“, meint Theiner. Auf die Nachfrage, welche Nachteile gemeint sind, weiß er nichts zu antworten - außer, dass er den europäischen Sommer manchmal vermisst: „Mit einem Glas Rosé an einem Sommerabend auf einer Terrasse zu sitzen, das ist etwas Europäisches, das gibt es hier so nicht.“

Noch mehr als die Sommerabende vermisst er jedoch richtig gutes, deutsches Brot. Deutsche Produkte sind in Singapur zwar weit verbreitet und Theiner kauft regelmäßig im Schweizer Supermarkt ein, aber das deutsche Brot aus der Hofpfisterei vermisst er.

Ansonsten gibt es wenig, was ihm aus seinem alten Leben in Deutschland fehlt. „Man bekommt hier wirklich alles“, erklärt er. „Ich gehe samstags auch gerne mal zum Weißwurst-Frühstück in den Paulaner Biergarten hier in Singapur.“

Warnung an alle Auswanderer: Man braucht einen Plan!

Obwohl der Stadtstaat mittlerweile sein Zuhause ist und er sich eine Zukunft in dem asiatischen Land vorstellen kann, bleibt Deutschland seine Heimat. So bedauert Theiner, dass die Nachrichten in Deutschland oft negativ gefärbt sind und viele Menschen sehr kritisch auf den Zustand des eigenen Landes blicken.

Denn trotz den vermeintlichen Probleme, so der Auswanderer, gehöre Deutschland, was Politik und Wirtschaft betrifft, immer noch zu den besten und freisten Ländern der Welt. Das wird besonders deutlich, wenn man die Situation in den Nachbarländern Singapurs betrachtet, wo Korruption und politische Unruhen an der Tagesordnung sind.

„Da wird einem bewusst, dass in Deutschland vieles richtig gemacht wird, und dass Deutschland und die Deutschen im Ausland, auch hier in Singapur, einen hohen Stellenwert haben“, sagt er.

Jedem, der über das Auswandern nachdenkt, rät er, es einfach zu probieren – vor allem, wenn man noch jung ist. „Man hat nichts zu verlieren, wenn man es versucht, aber ein Plan ist wichtig“, betont Theiner. Er sagt aber auch: „Nur auszuwandern, weil man unglücklich ist, bringt vielleicht nicht das Glück, das man sucht.“