„Sie leidet massiv“ - Pommes in Gefahr: Die Deutschen müssen die Kartoffel neu denken
Das Lieblingsgemüse der Deutschen ist in Gefahr: Der Klimawandel setzt der Kartoffel zu. Dürre, Hitze und Überflutungen gefährden die Pflanze und die Ernte der Landwirte. Um sich dem Klimawandel anzupassen, muss die Kartoffel neu gedacht werden.
Die Kartoffel ist deutsches Kulturgut: Um ihren Siegeszug in Europa ranken sich Legenden , Könige wie Friedrich II. sollen ihren Anbau forciert haben , um ihre Macht zu sichern. Die Pflanze ist sogar so beliebt geworden, dass sie als Persiflage für besonders nervige Deutsche herhalten muss. Von den Tellern ist sie jedenfalls nicht mehr wegzudenken: Knapp elf Millionen Tonnen Knollen wurden laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2021 geerntet, über die Hälfte davon wird ausschließlich zu Pommes Frites verarbeitet. Deutschland ist also das Land der Kartoffeln. Doch der Klimawandel gefährdet ihre Zukunft.
Bilanz nach Dürre-Sommer 2022: So geht es der Kartoffel
Die Landwirtschaft und der Klimawandel sind eng miteinander verzahnt. Dem Umweltbundesamt (UBA) zufolge gelten Emissionen aus dem landwirtschaftlichen Sektor nicht nur als Treiber des Klimawandel, die Landwirte selbst gehören auch zu den Leidtragenden: Wetterextreme und sich verändernde Bedingungen sorgen für geringere Ernten bis hin zu Ernteausfällen . Spürbar wurde das bereits im vergangenen Sommer, der von teils verheerenden Dürren geprägt war: Die Ernte ging, verglichen mit 2021, um bis zu neun Prozent zurück, teilte das BMEL im Herbst mit . „Die Kartoffel leidet also unter dem Klimawandel – teils sogar massiv“, erklärt Markus Teige, Pflanzenbiologe der Universität Wien.
Ein wichtiger Faktor sei Trockenheit : „Ohne Bewässerung kann kein Landwirt heute mehr Kartoffeln anbauen“, so Teige. „Sonst kann man vertragliche Liefermengen nicht mehr einhalten.“ Das sei nicht nur in der österreichischen Heimat des Biologen spürbar, sondern auch in anderen Regionen wie Niedersachsen.
Warme Nächte , wie sie laut UBA seit Jahren zunehmend auftreten, gefährden die Pflanzen und ihren Ertrag, da sie die Bildung der Knollen unterdrücken würden: „Selbst, wenn die Pflanzen oberirdisch gut aussehen, bilden sie dann nur wenige Knollen und haben einen schwachen Ertrag“, beschreibt der Wiener Biologe den Wärmestress. Da reiche es schon, wenn es zum Zeitpunkt der Blüte nur ein paar Nächte über 25 Grad gibt.
Zusätzlichen Stress erfahren die Pflanzen, wenn auf lange Trockenheit viel Regen folgt. Dann überfluten die Felder und die Kartoffelpflanzen leiden darunter massiv. „Wenn ein Acker zwei Tage unter Wasser steht, reicht das schon, um die gesamte Ernte zu ruinieren“, erklärt der Experte der Universität Wien.
Pflanzen werden außerdem anfälliger gegenüber Pathogenen . Das heißt, vor allem Schädlinge wie Kartoffelkäfer oder bestimmte Viren, die jetzt aus wärmeren Gebieten zu uns gelangen .
Kartoffeln ohne künstliche Bewässerung – ist das überhaupt rentabel?
Mit diesen Stressfaktoren ist auch Olaf Feuerborn vertraut. Er ist der Präsident des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt und leitet den Themenbereich “Kartoffeln” beim Deutschen Bauernverband (DBV). Vor allem die Frage nach der Bewässerung bereit ihm und anderen Landwirten Kopfzerbrechen.
Prinzipiell funktioniere der Anbau auch ohne zusätzliche Bewässerung. Doch das wiederum könnte für viele Bauern ein Nullsummen-Spiel werden. „Wenn ich die Kartoffel anbaue, ohne dass ich sie beregne, ist die Frage, ob sich das dann überhaupt rechnet. „Das Pflanzgut, die Pflege und der Arbeitsaufwand auf der Fläche kosten mehr Geld.“ Schlussendlich können Landwirte mit der Beregnung höhere Erträge, eine bessere Qualität bei der Ernte und ihren Kostenaufwand bezahlen, so Feuerborn.
Die Frage nach der Bewässerung wird zur Gretchenfrage
Wie ausweglos die Situation sein kann, wenn Wasser kostbares Gut wird, haben viele Menschen bereits im Dürre-Sommer 2022 bemerkt. Für Landwirte hieß das vor allem: Ernteausfälle .
Wer jetzt eine hitzeempfindliche, wasserintensive Pflanze wie die Kartoffel anbaut, muss sich etwas einfallen lassen, um weiterhin Gewinn einzufahren. So auch Landwirt Feuerborn, dessen Felder in Köthen im Landkreis Anhalt-Bitterfeld liegen: „Wir haben die Anbaufläche um die Hälfte reduziert und bauen dort an, wo es auch ausreichend Wasser gibt, um die Felder zu beregnen, damit das Ganze noch wirtschaftlich ist und die Pflanzen vernünftige Qualität haben.“
Bereits heute müssen Landwirte sich gut überlegen, welche Sorten sich für den Anbau rentieren. Der wichtigste Faktor: Darf man überhaupt zusätzlich bewässern? Die Grundwasserpegel sind in den vergangenen 20 Jahren zurückgegangen und werden in Zukunft weiter sinken. Schon jetzt verzeichnet der Dürre-Monitor des Helmholtz-Zentrums eine „außergewöhnliche Dürre“ in Teilen des Landes. Für die Landwirte ergibt sich hier also ein Dilemma: Ohne Bewässerung gibt es weniger Ertrag – aber mit sinkenden Wasserpegeln schrumpfen auch die Möglichkeiten für Bewässerung.
Konsequenzen: Standortwechsel, höhere Preise
Doch Landwirte müssen sich in Zukunft nicht nur damit auseinandersetzen, wie sie Kartoffeln bewässern können. Auch wo Kartoffeln angebaut werden, wird sich verändern. „Die Anbaugebiete werden sich verschieben, und zwar dahin, wo man die Gunstregion noch hat. Also wo man mit ausreichend Wasser noch guten Ertrag erzielen kann, ohne teuer beregnen zu müssen“, erklärt Feuerborn.
Bewässerung, Standortwechsel, andere Sorten: All das müssen sich die Bauern irgendwie zurückholen: „Das wird sich auf den Preis niederschlagen. Das Niveau, das wir jetzt haben, ist das, mit dem wir in Zukunft rechnen müssen. Darunter wird es nicht mehr gehen.“
Auf dem Weg zur „multiresistenten“ Kartoffel
Verdrängt wird die Kartoffel wohl nicht, anpassen muss sich die Pflanze aber schon. An der Universität Wien koordiniert Markus Teige das Forschungsprojekt „Accelerated Development of multiple-stress tolerant Potato“, kurz: ADAPT . Sein Ziel: Eine Kartoffelpflanze züchten, die mehrere Stressfaktoren aushalten kann, allen voran Trockenheit und Hitze. Dafür kooperieren mehrere Forschungsinstitute, Regierungsorganisationen sowie Zucht- und Technologieunternehmen miteinander.
Unter mehr als 50 Sorten müssen die Forschenden nun die Pflanzen finden, die am besten mit Hitze- und Trockenstress, aber auch Überflutungen umgehen können. Um diese Faktoren bestimmen zu können, werden in Feldversuchen an verschiedenen europäischen Standorten und im Labor phänotypische Untersuchungen gemacht. „Wir können genaue Komponenten finden, auf die wir dann genetisch schauen können“, erklärt Teige. „Das ist ja der Effekt der Züchtung, man will die entscheidenden Gene finden, die den Unterschied in stresstoleranten Sorten machen.“
Züchtung neuer Sorten dauert bis zu zehn Jahre
Das Ziel von ADAPT ist einerseits die Züchtung zu vereinfachen und auf der anderen Seite, schneller stressresistente Kartoffelsorten zu finden. Das ist dringend nötig, denn aktuell dauert die erfolgreiche Züchtung einer neuen Sorte mindestens zehn Jahre. Mit Marker-unterstützter Züchtung könnten die Züchter diesen Prozess entscheidend beschleunigen. Die DNA-basierte Untersuchung erlaubt es nämlich, unmittelbar zu entscheiden ob eine neue Sorte vielversprechend ist und ob diese die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. „Damit kann man die Züchtungszeit mindestens halbieren“, so Teige. So ließe sich eine Kartoffelsorte finden, die mehr Dürre-Tage als herkömmliche Sorten aushält und sogar noch ausreichend Knollen für die Ernte bildet.
Die genauen Marker sind allerdings noch nicht bekannt. Um dafür möglichst viele Daten zu sammeln, führen das ADAPT-Team und dessen Partner in Europa eine Reihe an Versuchen durch. Im Süden der niederländischen Nordseeküste wurde herausgefunden, dass der Boden sehr sandig ist. Das heißt: “Wenn es nicht regnet, trocknet er schnell aus. Und dort haben wir die Möglichkeit, Ertrag bei Bewässern und Nicht-Bewässern direkt zu vergleichen“, so Teige. Durch solche Feldversuche können die Forschenden beobachten, wie gut neue Züchtungen an ihrem jeweiligen Standort unter Stressbedingungen wachsen und wie hoch der Ertrag an Kartoffeln ist.
Die Feldversuche laufen noch bis zum Sommer 2024, anschließend müssen die riesigen Datenmengen ausgewertet werden. Erst dann können Modelle entwickelt werden, um Gene zu bestimmen, die in neue Kartoffelsorten eingekreuzt werden.
Fazit: Landwirtschaft kann sich dem Klimawandel nicht alleine stellen
Die Bewältigung des Klimawandels geht nicht nur mit weniger Emissionen, sondern vor allem mit Anpassung einher. Doch die eine Lösung wird es nicht geben. Stattdessen muss die Bewässerung optimiert werden. Gleichzeitig werden wir erst stressresistente Pflanzen züchten und diese dann ausgeklügelt anbauen. Landwirtschaft, Forschung und Unternehmen also an einem Strang ziehen müssen, um gemeinsam die Kartoffel als Kulturpflanze zu erhalten.