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Leistner: So war das wirklich mit meinem HSV-Aus

Leistner: So war das wirklich mit meinem HSV-Aus

Toni Leistner kam 2020 als Hoffnungsträger zum Hamburger SV und musste nur ein Jahr später schon wieder gehen. Der 31-Jährige habe in einer Instagram-Nachricht Kritik an Trainer Tim Walter geübt, hieß es. Doch dies stellte sich im Nachhinein als unwahr heraus. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)

Es kam dennoch zur Trennung. Im SPORT1-Interview spricht Leistner über die Trennung, seine Zeit bei den Rothosen, Walter - und seinen neuen Klub, den ausgerechnet ein Ex-Hamburger trainiert. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 2. Bundesliga)

SPORT1: Herr Leistner, wie geht es Ihnen nach Ihrer Suspendierung beim HSV?

Toni Leistner: Es hat sich alles beruhigt, mir geht es gut. Und ich habe einen neuen Verein gefunden. Ich habe Bock auf die neue Aufgabe bei VV St. Truiden (belgischer Erstligist, d. Red.) und ich freue mich total auf das, was kommt.

SPORT1: Ihr neuer Trainer Bernd Hollerbach ist ein Ex-HSVer...

Leistner: Stimmt. Da holt mich der HSV wieder ein. (lacht) Der Gedanke an die belgische Liga musste zwar erst noch ein wenig reifen, weil ich mich mit ihr nicht so viel auseinandergesetzt hatte. Aber nachdem ich mich informiert hatte über den Klub und die Liga, empfinde ich das als eine extrem coole Geschichte. Da spielen auch richtig gute Jungs.

SPORT1: Wie kam der Wechsel zustande?

Leistner: Bernd und ich haben einige Male telefoniert, weil er das Theater beim HSV mitbekommen hat. Er fragte mich, ob ich mir das vorstellen kann. Und nachdem ich alles in Hamburg geklärt hatte und er mich im zweiten Telefonat schon mehr überzeugt hatte, habe ich ihm schließlich zugesagt. (DATEN: Die Tabelle der 2. Bundesliga)

Wechsel zum HSV keine Sekunde bereut

SPORT1: Lassen Sie uns über Ihr HSV-Aus sprechen. Warum sind Sie im vergangenen Sommer eigentlich zu den Rothosen gewechselt?

Leistner: Die Verantwortlichen hatten damals eine Vision. Der Trainer hatte mich auch überzeugt. Es sah am Anfang nicht schlecht aus, bis ich mich dann verletzte. Ich stehe auch heute noch absolut zu der Entscheidung, dass ich beim HSV unterschrieben habe. Es hat trotz so manchem Ärger viel Spaß gemacht. Ich werde nie mit negativen Gedanken an den HSV zurückdenken. Natürlich hätte das Ende etwas besser sein können, das hätte man viel ruhiger klären müssen. Man trägt nicht jeden Tag die HSV-Raute auf der Brust. Das ist nicht jedem Spieler vergönnt.

SPORT1: Aber mit Verlaub, ist es bei der abfallenden Leistungskurve wirklich noch etwas Besonderes, für den HSV zu spielen?

Leistner: Ich finde schon. Das ist immer noch einer der größten Vereine in Deutschland. Man muss sich nur die ewige Bundesliga-Tabelle anschauen. Da steht der HSV noch weit vorne. Leider wird es von Jahr zu Jahr in der 2. Liga schwieriger, und die anderen Klubs krallen sich den HSV immer wieder gerne. Aber ich war stolz, das Trikot dieses Klubs getragen zu haben. Der HSV ist schon noch etwas anderes als Sandhausen.

Leistner nach HSV-Aus: „Brutal enttäuschend“

SPORT1: Zuletzt wurden Sie suspendiert. Sie sollen in einer Instagram-Nachricht Folgendes an einen Fan geschrieben haben: „Ich kann es noch gar nicht glauben! Aber so ist das, wenn der Verein sich einen Plan von einem Trainer aufschwatzen lässt und keinen eigenen verfolgt!“ Was ist wirklich vorgefallen?

Leistner: Eigentlich will ich darüber gar nicht mehr im Detail reden. Es gibt eine eidesstattliche Versicherung von der Person, die das geschrieben hat. Ich hatte immer betont, dass ich das nicht war. Damit ist diese Sache für mich erledigt. Die Verantwortlichen beim HSV haben mir geglaubt und mit mir faire Gespräche geführt. Die Beurlaubung kam nicht nur aufgrund dieses Instagram-Schwachsinns.

SPORT1: Sondern?

Leistner: Man wollte, dass ich mir einen neuen Verein suche.

SPORT1: Was werfen Sie Herrn Walter vor?

Leistner: Es war für mich brutal enttäuschend, dass ich keine Rolle mehr spielen durfte, obwohl man mir nach der vergangenen Saison noch sagte, dass ich in den Planungen ein wichtiger Spieler bin. Ich werfe Walter nichts vor, außer, dass er mir von vornherein hätte sagen können, dass er nicht mit mir plant. Das war kein guter Stil. Ich habe leider nicht in seine Philosophie reingepasst. Aber Walter hätte mit mir reden können.

SPORT1: Haben Sie Fehler gemacht?

Leistner: Na klar. Ich bin nicht fehlerlos. Gerade in den Spielen habe ich sicher auch mal den einen oder anderen Bock geschossen. Menschlich muss ich mir nichts vorwerfen lassen.

2. Bundesliga für jeden ein hartes Pflaster

SPORT1: Sie, Simon Terodde, Sven Ulreich und Klaus Gjasula waren die Eckpfeiler in der Truppe, mit denen der Aufstieg angepeilt wurde. Jetzt ist keiner mehr da. Zeigt das das Dilemma des HSV?

Leistner: Vielleicht. Da wurde natürlich auch eine gewisse Saison-Analyse betrieben. Es ist verdammt schwer, wenn ein Ziel wieder nicht klappt. Dann kann man den Bossen keinen Vorwurf machen, wenn Spieler wieder ausgetauscht werden. Aber natürlich sollte die Aufarbeitung der alten Saison nicht komplett konträr sein zur Analyse der neuen Spielzeit. Beim HSV ist das offenbar so.

SPORT1: Hat Herr Walter Ihnen eigentlich erklärt, warum er nicht mehr mit Ihnen geplant hat?

Leistner: Eigentlich nicht. Er hat nur einmal mit mir geredet, nachdem in einer Zeitung stand „Walter rasiert Leistner!“ Dafür hat sich Walter bei mir entschuldigt. Er sagte in diesem Gespräch auch zu mir, dass er zwischen dem Menschen Leistner und dem Fußballer unterscheidet. Und als Profi musste ich mich leider hinten anstellen. Sonst hat er nicht mit mir geredet.

SPORT1: Walter will einen radikalen Offensivfußball spielen lassen und hat eine klare Vorstellung davon, welche Fußballer ins Konzept passen und welche nicht. Sportlicher Erfolg bleibt aus. Wie kommt das?

Leistner: Das ist schwer zu beurteilen.

SPORT1: Sie haben dort gespielt.

Leistner: Die 2. Liga ist anspruchsvoller, als viele denken. Der eine oder andere sieht das anders. Die Leistungsdichte ist sehr eng, da fährt man nicht eben mal nach Sandhausen und fiedelt die 3:0 oder 4:0 weg. Natürlich gibt es auch Tage, an denen ein vermeintlich kleinerer Verein unter die Räder kommt. Aber normalerweise sind das immer enge Spiele.

Unruhige Zeiten beim Bundesliga-Dino

SPORT1: Wie kamen denn bestimmte Entscheidungen im Team an, dass Walter mit Methoden wie Straftraining arbeitet?

Leistner: Jeder Trainer hat so seine Art, wie er alles angeht. Und Walter hatte halt seine eigene Art. Ich denke, er hat das auch schon bei seinen früheren Klubs so gehandhabt und hat das dann beim HSV einfach fortgeführt.

SPORT1: Wie kam das bei Ihnen an?

Leistner: Komisch war das schon. Aber wir Spieler sind nun mal Angestellte des Vereins, und der Trainer hat die Entscheidungsmacht. Auch, was Strafen und deren Methoden betrifft.

SPORT1: Was ist eigentlich in der vergangenen Rückserie passiert? Es gab das Hickhack mit Daniel Thioune, da zeigten sich innerhalb des Teams Auflösungserscheinungen, oder?

Leistner: Auflösungserscheinungen? Das klingt hart. Klar, es gab einige Punkte, die man hätte ändern können oder sogar müssen. Aber die Truppe hatte sich nicht aufgelöst. Ich hatte nie das Gefühl, dass sich das Team aufgegeben hat. Ich glaube, der Trainer hatte die Mannschaft nicht mehr so erreicht, wie er es wollte. Doch es gab nie einen Hass gegen den Trainer.

SPORT1: Hat aber die sportliche Leitung nicht doch zu spät eingegriffen?

Leistner: Hinterher ist man immer schlauer. Es kann auch ein neuer Coach kommen und genau das Gegenteil bewirken. Den richtigen Zeitpunkt gibt es da nicht. Ein Trainer ist immer der Arsch. Und beim HSV waren die Trainer in den vergangenen Jahren oft die ärmsten Hunde. Eine Trainer-Entlassung ist heutzutage das Normalste im Fußball.

SPORT1: Warum kommt der HSV nicht zur Ruhe?

Leistner: Was soll ich da sagen? Dass Walter der falsche Trainer sein soll, finde ich etwas vorschnell. Es sind erst fünf Spieltage vorbei. Ich denke schon, dass Herr Walter eine Idee und einen Plan hat. Beides versucht er umzusetzen. Man muss auch sagen, dass der Kader zu Saisonbeginn relativ klein war. Jetzt sind einige Spieler dazu gekommen, und dann kann man am Ende eine Saison bewerten. Aber das liegt nicht in meinem Aufgabenbereich.

Kein böses Blut trotz enttäuschender Trennung

SPORT1: Wie war es im Sommer, gab es da eine gewisse Euphorie?

Leistner: Euphorie hatte ich im Urlaub. (lacht) Natürlich gab es Spieler, die hinten dran waren und unter dem neuen Trainer an eine zweite Chance glaubten. Und wahrscheinlich hat sich der Verein Walters Strategie untergeordnet. Aber das finde ich normal, wenn ein neuer Trainer kommt.

SPORT1: Wie hat sich zu Ihrer Zeit innerhalb des Klubs das Klima verändert?

Leistner: Ich hatte schon das Gefühl, dass es etwas ruhiger wurde. Gerade medial, weil weniger nach außen gedrungen ist. Aber das ist nun mal der HSV und das ist Hamburg, da lechzen die Leute nach mehr. Früher gab es so viele Europapokalspiele und inzwischen gibt es im vierten Jahr nur Zweitligafußball.

SPORT1: Sie wirken sehr aufgeräumt. Haben Sie nicht auch etwas Wut im Bauch nach diesem unschönen Aus?

Leistner: Ich bin schon sehr enttäuscht. Aber ich habe mit Jonas Boldt (HSV-Sportvorstand, d. Red.) respektvoll geredet. Wir haben uns vertraut. Diese Nummer mit der Instagram-Nachricht war nicht gut. Aber das habe ich von Anfang an nicht geglaubt und auch er nicht. Schließlich wurde das sauber über die Bühne gebracht.

SPORT1: Aber man wollte Sie nicht mehr. Was müssen Sie sich vorwerfen lassen?

Leistner: Ich weiß, was ich mir nicht vorwerfen lassen muss. Nämlich, dass ich nicht alles gegeben habe oder im Training keinen Elan gezeigt habe, so hat es Walter einmal gesagt. Der Anspruch eines jeden Spielers muss es sein immer zu spielen. Wenn das nicht der Fall ist, hat er im Profisport nichts zu suchen.

SPORT1: Finden Sie gerade an Ihrem Beispiel, dass Social Media eine Gefahr ist?

Leistner: Social Media ist nicht nur für Fußballer eine Gefahr. Das ist generell so. Social Media kann Leben zerstören. Was einmal da zu sehen ist, bleibt auch dort. Ganz egal, ob es ein Schmuddel-Filmchen ist oder eine Nachricht wie in meinem Fall.

SPORT1: Wären Sie gerne beim HSV geblieben?

Leistner: Auf jeden Fall. Von den Fans wurde ich immer supportet - auch oft beim Training. Ich hätte schon gerne mal erlebt wie es ist vor 50.000 Zuschauern im Volksparkstadion zu spielen.

SPORT1: Was wünschen Sie dem HSV?

Leistner: Dass der Verein zur Ruhe kommt und so schnell wie möglich aufsteigt. Das wird schwer genug. Man kann im Fußball nichts planen, gerade beim HSV nicht.