Leiter der Gedenkstätte Buchenwald - „Erschreckend“ und gefährlich: Historiker warnt Ampel davor, die AfD zu kopieren
Buchenwald-Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner kritisiert die Ampel-Parteien scharf, weil sie die „migrationsfeindliche und im Kern rassistische Rhetorik der AfD übernommen haben“. Er warnt davor, „Parolen und Programm“ der Rechtsextremen salonfähig zu machen.
Der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Jens-Christian Wagner, hat in ungewöhnlich scharfer Form den Asyl- und Migrationskurs der Ampelregierung kritisiert.
„Um es ganz deutlich zu sagen: Es ist erschreckend, wie weit demokratische Parteien, darunter auch die Ampel-Koalition in Berlin, die migrationsfeindliche und im Kern rassistische Rhetorik der AfD übernommen haben“ sagte der Historiker bei einer Gedenkveranstaltung an das sowjetische Speziallager in Buchenwald am Samstag.
Vor Überlebenden, Politikern und anderen Gästen zeigte sich Wagner besorgt über den Wahlausgang in Thüringen. Mit der AfD sei eine Partei stärkste Fraktion im Landtag geworden, deren Programmatik und Rhetorik die Menschenwürde angreife und die vielfältige Gesellschaft durch einen autoritären, völkischen Staat ersetzen wolle, sagte Wagner laut „Ostthüringer Zeitung“ (OTZ).
Migration fast nur unter Stichwort Kriminalität diskutiert
Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora kritisierte, das Thema Flucht und Migration werde fast ausschließlich unter dem Stichwort Kriminalität diskutiert. Letztlich hätten viele Menschen bei den Wahlen in Thüringen und Sachsen mit der AfD das Original gewählt, die mit der Kriminalisierung von Migrantinnen und Migranten Angst und Unsicherheit verbreite.
Die Übernahme dieser Rhetorik durch demokratische Parteien bezeichnete Wagner als zutiefst verstörend.
„Es herrscht geradezu ein Überbietungswettbewerb in Abschiebungs- und Abschottungsrhetorik, statt Lösungen für reale Probleme anzubieten“, so Wagner. Beispielhaft nannte er die Sicherung der Renten, den Pflegenotstand, bezahlbare Mieten, funktionierende Gesundheitsversorgung, Bildung, die zunehmende Schere zwischen Arm und Reich und den Sanierungsstau in der Infrastruktur.
Hinzu komme das Problem der weltweiten Erosion zivilisatorischer, demokratischer und humanitärer Werte und des zunehmenden Rechtsextremismus. „Den bekämpft man nicht, indem man Parolen und Programm der Rechtsextremen und Antidemokraten übernimmt“, erklärte Wagner laut OTZ.
Historiker warnte vor Erstarken der AfD bei Landtagswahl
Die Geschichte des Speziallagers Buchenwald zeige, „welches Leid nicht nur für die direkt Betroffenen, sondern auch für ihre Angehörigen und Freunde damit verbunden ist, wenn rechtsstaatliche Grundsätze und die Würde des Menschen missachtet werden“, mahnte Wagner.
Das sowjetische Speziallager war im August 1945 auf dem Gelände des erst wenige Wochen zuvor befreiten Konzentrationslagers der NS-Zeit eingerichtet worden. Von 28.000 Insassen starben rund 7000.
In das KZ Buchenwald bei Weimar und seine mehr als 130 Außenlager hatten die Nationalsozialisten seit dem Sommer 1937 mehr als eine Viertelmillion Menschen aus 50 Ländern verschleppt. 56.000 Menschen wurden ermordet oder starben an Hunger, Krankheiten, durch Zwangsarbeit oder medizinische Experimente.
Am 11. April 1945 erreichten US-Truppen das Lager, die SS-Kommandeure und Wachleute hatten sich bereits abgesetzt und bewaffnete Häftlinge des illegalen Lagerwiderstands die Kontrolle übernommen. 21.000 Häftlinge erlebten die Befreiung, Zehntausende waren noch kurz vorher von der SS auf sogenannte Todesmärsche getrieben worden.
Todesdrohungen gegen Gedenkstätten-Leiter Wagner
Bereits vor der Landtagswahl in Thüringen hatte Wagner vor dem Erstarken der AfD und einem Rechtsruck gewarnt. Unter anderem verschickte er Briefe an etwa 350.000 Thüringer im Alter von über 65 Jahren, in dem er für die Wahl demokratischer Parteien und ihrer Kandidaten warb. Daraufhin wurde er angefeindet und bedroht.
Unter anderem war Wagners Konterfei auf eine Todesmarschstele geklebt worden. Die Stele erinnert an die Opfer der Todesmärsche aus den Lagern des KZ-Komplexes Mittelbau-Dora. Eine Frau hatte ihm per E-Mail den Tod gewünscht.