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Wie Luca Tonis stolzer Ex-Klub Richtung Abgrund taumelt

Luca Toni feierte einst bei der US Palermo seinen Durchbruch

Lange lag die Entscheidung wie ein schwarzer Schatten über der US Palermo und dennoch waren die Trauer und das Entsetzen nach der offiziellen Bestätigung groß.

"Sie haben einen Traum für mich zerstört. Ich lebe in einem Drama. So etwas wünsche ich niemand", fasste Verteidiger Antonio Mazzotta die Gefühle nach dem offiziellen Urteil des italienischen Verbandes FICG in einem Interview mit der Gazetta dello Sport zusammen.

Wegen administrativer Vergehen, darunter Bilanzfälschungen in den Spielzeiten 2014/15 bis 2016/17 wurde der Klub aus der sizilianischen Hauptstadt von der zweitklassigen Serie B zwangsversetzt in die viertklassige Serie D und das, obwohl man nur zwei Monate zuvor noch von der Rückkehr in die Serie A geträumt hatte.

Dabei ist die jetzige Entscheidung der FICG (Federazione Italiana Giuoco Calcio) nur das das unrühmliche Ende eines wochenlangen Verfahrens, in dessen Verlauf der Verein zwischen vier Ligen schwebte.

Palermo wird zum Spielball des Verbands

Seinen Lauf nahm das Unheil, als Palermo wegen "einer Reihe von Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung durch einige frühere Manager" zwei Tage nach Saisonende 43 Punkte abgezogen wurden. Statt auf Platz drei, der zur Teilnahme an den Aufstiegs-Playoffs berechtigt hätte, fand man sich plötzlich auf dem letzten Tabellenplatz wieder.

Damit wollte man sich natürlich nicht abfinden und legte Protest gegen die Entscheidung ein. Ende Mai wurde das Urteil daraufhin auch zunächst revidiert und statt 43 Punkten lediglich 20 Zähler abgezogen, was immerhin zum Klassenerhalt gereicht hätte.

Doch wer glaubte, die Posse wäre damit bereits beendet, der täuschte sich. Denn kurz darauf wurde das Urteil erneut gekippt, der Zwangsabstieg in die Serie C schien, zum Entsetzen der "Rosaneri", der Rosa-Schwarzen, besiegelt. Erneut wollte US diese Entscheidung nicht kampflos akzeptieren und erhob Einspruch gegen das Urteil.

Daraufhin kippte der FIGC zwar seine Entscheidung erneut, allerdings zum noch größeren Entsetzen bei den Sizilianern. Denn statt weiter in der zweiten Liga bleiben zu dürfen, verschärfte der Verband die Strafe noch einmal und schickte den früheren Erstligisten nun sogar in die Viertklassigkeit.

Toni, Dybala und Cavani gelingt Durchbruch in Palermo

Es ist der wohl traurige Tiefpunkt für den Verein, der zwischen 2004 und 2017, mit einem Jahr Unterbrechung, stets in der Serie A vertreten war und dabei regelmäßig im Konzert der großen mitmischte – auch aufgrund vieler späterer Top-Stars, die im Stadio Renzo Barbera ihren Durchbruch feierten.

Den Anfang machte in diesem Jahrtausend ein Mann, der später auch in der Bundesliga für Furore sorgte und auch wegen seines Torjubels große Bekanntheit erlangte: Bis heute unvergessen ist, wie Luca Toni nach seinen Toren für den FC Bayern mit seiner Hand symbolisch am Ohr schraubte.

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Bereits Jahre zuvor schraubte "Il Bomber" für Palermo, in der Saison 2003/04 schoss er den Klub mit 30 Saison-Toren nach 32 Jahren zurück in die erste Liga, wo er im Jahr darauf noch einmal 20 Treffer nachlegte.

Später trugen auch Spieler wie Fabio Grosso, der Deutschlands Sommer-Märchen mit seinem Tor zum 1:0 in der Verlängerung des WM-Halbfinals 2006 jäh beendete, Paulo Dybala, Edinson Cavani, Javier Pastore und die ehemaligen Wolfsburger Simon Kjaer, Andrea Barzagli und Cristian Zaccardo das rosa Trikot.

Erinnerungen an dunkelste Zeit der Klub-Geschichte

Bei vielen Tifosi dürfte der Zwangsabstieg nun Erinnerungen an die dunkelste Zeit des Klubs hervorrufen, als der damalige Zweitligist 1986 aufgrund einer fehlenden finanziellen Entschuldungspolitik aus der italienischen Fußballföderation ausgeschlossen wurde und nach der Neugründung zwei Jahre später in der damals viertklassigen Serie C2 an den Start gehen musste.

Zwar gelang bereits im Jahr darauf der Aufstieg in die Serie C und 1991 die Rückkehr in die Serie B, wirklich etablieren konnte sich Palermo in einer Klasse allerdings über Jahre hinweg nicht mehr, regelmäßig pendelte der Klub zwischen zweiter und dritter Liga.

Erst Toni läutete die bis heute erfolgreichste Ära der "Rosaneri" ein, während der sich US mehrfach für den UEFA-Cup bzw. später die Europa League qualifizierte und 2011, zum dritten Mal in der Vereinsgeschichte, sogar bis ins Finale des italienischen Pokals einzog.

Klub 2018 für symbolischen Preis verkauft

Der Niedergang des einst so stolzen Klubs zeichnete sich jedoch bereits in den vergangenen Jahren langsam ab. Nachdem 2016 der Abstieg gerade noch so vermieden wurde, ging es im Jahr darauf in die Serie B. Dort verpasste Palermo 2018 der Wiederaufstieg nur knapp, umso größer war daher die Sehnsucht, in der abgelaufenen Saison wieder ins italienische Oberhaus zurückzukehren.

Doch schon während der Spielzeit wurde deutlich, dass sich die Rosa-Schwarzen in erheblichen Schwierigkeiten befinden. Für den symbolischen Preis von gerade einmal zehn Euro verkaufte der langjährige Eigentümer Maurizio Zamparini den Verein an eine Londoner Firma.

Allerdings wollte er das "lediglich im Interesse Palermos" getan haben und nicht aufgrund der fast 23 Millionen Euro Schulden, die den Klub belasten. "Mit einem Kloß im Hals" habe er daher seinen Abgang unterschrieben, sagte er damals.

Gang vor Obersten Gerichtshof als letzter Strohhalm

Etwas mehr als ein halbes Jahr später steht die Unione Sportiva nun erneut vor einer ungewissen Zukunft. Der neue Eigentümer will den Klub offenbar so schnell wie möglich wieder loswerden. Laut der Gazzetta dello Sport können Interessenten ihre Anträge vom 20. bis zum 23. Juli einreichen.

"Für uns ist es fundamental, dass die Stadt aus einer zu langen und zu dunklen Phase herauskommt", hatte Palermos Bürgermeister Leoluca Orlando angesichts der jüngsten Entwicklungen erst kürzlich erklärt.

Einen letzten Strohhalm hat Palermo aber eventuell noch. Es ist wahrscheinlich, dass der Verein Einspruch beim Obersten Fußball-Gerichtshof einlegen wird. Sollte jedoch auch dieser abgelehnt werden, dürfte der Traum von der Serie A für Jahre ausgeträumt sein.