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Länder sollen Corona-Schwellen regional festlegen können

Die Belegung der Krankenhäuser mit Corona-Patienten spielt künftig eine noch wichtigere Rolle.
Die Belegung der Krankenhäuser mit Corona-Patienten spielt künftig eine noch wichtigere Rolle.

Immer mehr Menschen sind geimpft - wann wird die Corona-Lage trotzdem so brenzlig, dass neue Auflagen nötig werden? Die Bundesregierung hat einen Vorschlag vorgelegt, jetzt soll der Bundestag entscheiden.

Die Länder sollen künftig weitgehend vor Ort festlegen können, ab wann wegen zu vieler Corona-Patienten in den Kliniken strengere Alltagsbeschränkungen greifen. Das sieht ein Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für neue Kriterien zur Bewertung der Corona-Lage vor, den das Kabinett am Dienstag auf den Weg gebracht hat.

"Wesentlicher Maßstab" für zu ergreifende Maßnahmen soll insbesondere die Zahl aufgenommener Corona-Patienten in den Kliniken je 100.000 Einwohner in sieben Tagen sein. Berücksichtigt werden sollen aber auch "weitere Indikatoren". Der Bundestag berät nun über die Neuregelung und soll sie wohl nächste Woche beschließen.

"Inzidenz verliert an Aussagekraft"

Spahn sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Je weniger Menschen wegen Covid im Krankenhaus behandelt werden müssen, desto mehr Freiheit ist möglich.» An diesem Leitsatz sollten die Länder künftig ihre Pandemiepolitik ausrichten. "Bei hoher Impfquote wird die Inzidenz nicht überflüssig, aber sie verliert an Aussagekraft." Hintergrund ist, dass die bisher als zentraler Indikator genutzte Zahl der Neuinfektionen (Inzidenz) angesichts des Impffortschritts nicht mehr so stark und direkt auf die Klinikbelastung durchschlägt.

Bisher sind im Infektionsschutzgesetz feste, einheitliche Werte genannt, ab welcher Sieben-Tage-Inzidenz die Länder oder Behörden vor Ort einschreiten sollen: ab 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen zum Beispiel mit "umfassenden Schutzmaßnahmen". Die vom Kabinett beschlossenen Pläne sind eine Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen von Union und SPD - das weitere Verfahren mit möglichen Änderungen liegt nun also in der Hand des Parlaments. Die Änderungen sollen an ein anderes geplantes Gesetz angehängt werden.

Laut dem Vorschlag, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sollen neben den Klinik-Einweisungen "weitere Indikatoren" bei der Bewertung des Infektionsgeschehens berücksichtigt werden. Genannt werden die - nach Altersgruppen differenzierte - Sieben-Tage-Inzidenz, verfügbare Intensivkapazitäten und die Zahl der Geimpften. Die Landesregierungen sollen dann «unter Berücksichtigung der jeweiligen stationären Versorgungskapazitäten» Schwellenwerte für alle aufgeführten Indikatoren festsetzen können. Ziel: "Eine drohende Überlastung der regionalen und überregionalen stationären Versorgung zu vermeiden".

Unterschiede auf regionaler Ebene

Dabei sollen Schutzmaßnahmen innerhalb eines Landes auch regional differenziert werden können, wie es im Vorschlag weiter heißt. Bei regionaler Betrachtung könnten auch mehrere Landkreise zu einem Versorgungsgebiet zusammengefasst werden. Als Entscheidungsgrundlage soll das Robert Koch-Institut (RKI) Daten zu den Indikatoren nach Altersgruppen differenziert und mindestens bezogen auf Länder und das Bundesgebiet online veröffentlichen. Die Länder sollen dann auch jeweils den Maßstab festlegen können, ob sie Zahlen auf 100.000 Einwohner, auf das Land oder die jeweilige Region beziehen wollen.

An regionalen Festlegungen für Eingriffsschwellen wurde Kritik laut. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte einheitliche Klinikeinweisungs-Raten. "Sonst droht ein Flickenteppich", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Eine eindeutige Verknüpfung von Inzidenz und Hospitalisierung ist notwendig und wird im Zuge der parlamentarischen Beratungen noch kommen." Wichtig sei auch, die Inzidenz für Geimpfte und Ungeimpfte getrennt auszuweisen. "Erst dann lässt sich sagen, wie groß die Gefahr für Ungeimpfte ist."

Länder passen Corona-Verordnungen an

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz nannte die Pläne "eine Luftnummer", denn es fehle eine Leitzahl. "Es darf nicht sein, dass die Belastung für das medizinisch-pflegerische Personal in jedem Bundesland unterschiedlich bewertet wird", sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa.

In den Ländern gibt es teils ebenfalls Pläne für Neuregelungen. In Bayern soll eine neue Krankenhaus-Ampel auf Gelb schalten, wenn landesweit binnen sieben Tagen mehr als 1200 Corona-Patienten neu in Krankenhäuser kommen. Dann will die Staatsregierung weitergehende Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen beschließen. Auf Rot soll die Ampel bei mehr als 600 Corona-Patienten auf Intensivstationen in Bayern schalten. Dann sollen die Maßnahmen weiter verschärft werden.

In Berlin soll eine bereits 2020 eingeführte Corona-Warnampel leicht verändert werden, wie Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) nach einem Senatsbeschluss mitteilte. Als neuer Indikator wird eingeführt, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner nach einer Corona-Infektion innerhalb von einer Woche ins Krankenhaus eingewiesen wurden. Ist ein Wert von 4 erreicht, zeigt das Ampelsignal Gelb, bei 8 dann Rot. Dazu gibt es als weitere Indikatoren die Bettenauslastung mit Corona-Patienten auf Intensivstationen und die Sieben-Tage-Inzidenz.

Video: Impfen in der Berliner S-Bahn