Vier Festnahmen wegen möglichen Anschlags auf Synagoge in Hagen

Polizeifahrzeuge vor der Synagoge in Hagen am Donnerstagmorgen (Bild: Markus Kümper/Sauerlandreporter/dpa)
Polizeifahrzeuge vor der Synagoge in Hagen am Donnerstagmorgen (Bild: Markus Kümper/Sauerlandreporter/dpa)

Auf die Synagoge im nordrhein-westfälischen Hagen sollte am jüdischen Feiertag Jom Kippur möglicherweise ein islamistisch motivierter Anschlag verübt werden.

Mit Durchsuchungen und Festnahmen gehe die Polizei einem sehr ernst zunehmenden und konkreten Hinweis nach, dass es während des Versöhnungsfestes zu einem Angriff auf das jüdische Gotteshaus hätte kommen können, sagte der Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag bei einer Polizeiveranstaltung in Köln. "Konkret heißt übrigens: klare Tatzeit, Tatort und Täter waren benannt", erläuterte der Minister. Der Hinweis ließ auf eine "islamistisch motivierte Bedrohungslage" schließen.

Ein 16-jähriger Hagener mit syrischer Staatsbürgerschaft, der vorläufig festgenommen wurde, steht nach Darstellung der Behörden im Fokus der Ermittler. Bei den Durchsuchungen haben die Ermittler bislang keine Bombenbauteile entdeckt. Es seien aber elektronische Medien wie Handys und Speichermedien sichergestellt worden, die nun ausgewertet werden müssten, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf.

Auch in und um die Synagoge Hagen waren bei der Absuche, bei der auch Sprengstoffspürhunde im Einsatz waren, keine gefährlichen Gegenstände entdeckt worden. Die Behörde ermittelt wegen des Vorwurfs der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Unklar sei noch, ob gegen den verdächtigen 16-Jährigen ein Haftbefehl beantragt wird. Seine Vernehmung dauere noch an.

Bei den weiteren drei Festgenommenen handele es sich um Vater und Brüder des 16-Jährigen. Sei seien nicht als Verdächtige festgenommen worden, sondern nach Polizeirecht, sagte der Sprecher. Auch sie sollten noch vernommen werden. Auch Sicherheitskreisen hieß es, der 16-Jährige habe Kontakt zu einem bekannten Islamisten im Ausland unterhalten und sich mit der Frage beschäftigt, wie man eine Bombe baut.

Die sogenannte Besondere Aufbauorganisation (BAO) werde aufrecht erhalten. Sie war zur Abwehr eines etwaigen unmittelbar bevorstehenden Anschlags auf die Synagoge gebildet worden. Der Einsatz laufe noch. Möglicherweise werde es auch noch weitere Durchsuchungen geben. Schwer bewaffnete Polizisten hatten den Zugang zu der Synagoge im Zentrum der Stadt am späten Mittwochnachmittag abgesperrt und das Gotteshaus stundenlang geschützt. Ein für den Mittwochabend geplanter Gottesdienst zu Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, wurde abgesagt.

Politiker reagieren mit Entsetzen

Politiker zeigten sich eine Woche vor der Bundestagswahl entsetzt von dem möglichen Angriff auf eine jüdische Einrichtung. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erklärte bei einem Wahlkampftermin im niedersächsischen Hittfeld, man sei jetzt dabei, "aufzudecken, wie ernst dieser Anschlag war". Erhöhte Sensibilität sei gegenüber allen Extremisten erforderlich. "In Halle waren es die Rechtsradikalen, die einen Anschlag verübt haben. Anderswo sind es Islamisten. Am dritten Ort haben wir Linksextremisten", sagte der Kanzlerkandidat der Union. Alle Extreme müssten bekämpft werden. Laschet sprach sich auch für Abschiebungen von Terroristen aus.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz schrieb auf Twitter: "Es schmerzt, dass Jüdinnen und Juden in Hagen einer solchen Bedrohungslage ausgesetzt sind und Jom Kippur nicht gemeinsam feiern können. Es ist unsere Pflicht, alles zu ihrem Schutz zu tun und bei Gefahr sofort einzuschreiten." Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, äußerte sich alarmiert. Die Bedrohung sei vielschichtig und komme "von verschiedenen Seiten", sagte er am Donnerstag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

An Jom Kippur vor zwei Jahren hatte ein bewaffneter Rechtsextremist in Halle in Sachsen-Anhalt versucht, gewaltsam in die dortige Synagoge einzudringen. Als die Tür standhielt, erschoss er in der Nähe zwei Menschen und verletzte auf der Flucht zwei weitere.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht sprach von einer "sehr ernsten Bedrohungslage". Der Vorfall wecke entsetzliche Erinnerungen an den Anschlag auf die Synagoge in Halle, sagte die SPD-Politikerin nach einer Mitteilung ihres Ministeriums.

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