„Müssen alle Register ziehen“ - 1000 Euro Prämie für Bürgergeld-Empfänger? Jetzt spricht der Erfinder der Idee
Wie kommt man auf so eine Idee? Der geplante 1000-Euro-Bonus der Ampel-Regierung für ehemalige Langzeitarbeitslose, die wieder einen Job aufgenommen haben, sorgt für Spott und Kritik. Jetzt wehrt sich der Erfinder der Prämie – und erklärt den Gedankengang dahinter.
Im Video: Für ein Jahr arbeiten: Ampel plant 1000-Euro-Prämie für Bürgergeld-Empfänger
Aus Faulenzer-Bonus und als „Arsch-hoch-Prämie“ wurde sie bereits verspottet – die 1000-Euro-Prämie der Bundesregierung für ehemalige Langzeitarbeitslose, die ein Jahr durchgängig in einem Job arbeiten, sorgt bereits vor dem geplanten Start im Januar für Diskussionen.
Selbst die SPD ist dagegen
Medienberichten zufolge soll nicht einmal Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ein Fan der Idee sein. Sie sei jedoch als Zugeständnis an Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ins Gesamtpaket der Ampel zu Änderungen beim Bürgergeld aufgenommen worden. Das Paket sieht unter anderem härtere Sanktionen vor und erweitert den Rahmen dessen, was für Stütze-Empfänger rechtlich als „zumutbar“ gilt.
SPD, FDP und auch Teile der Grünen wollen die sogenannte „Anschubfinanzierung“ aber nach dem öffentlichen Aufschrei wieder stoppen, notfalls im Bundestag. „Als Fachpolitiker der SPD teilen wir die Bedenken, die das Arbeitsministerium immer vorgetragen hat“, sagte Martin Rosemann, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, der „Bild“-Zeitung.
„Gerecht ist, was wirkt“
Jetzt hält aber der Erfinder der Prämie dagegen: Enzo Weber, Wirtschaftsprofessor an der Universität Regensburg und Forschungsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Das IAB ist eine Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit und forscht in ihrem Auftrag zum Arbeitsmarkt und zur Arbeitsförderung.
Weber selbst gehört zu den bekanntesten Arbeitsmarktforschern Deutschlands. Wie begründet er die 1000-Euro-Prämie? „Gerecht ist, was wirkt“, sagte Weber am Sonntag der „Bild“-Zeitung. „Für das Ziel ,Raus aus der Langzeitarbeitslosigkeit‘ müssen wir alle Register ziehen.“ Dazu gehörten eben auch finanzielle Anreize. Für jeden Langzeitarbeitslosen, der wieder in den Arbeitsmarkt integriert werde, spare der Staat 25.000 Euro pro Jahr – die Prämie könne sich für den Staat also rechnen, argumentiert Weber.
Einflussreicher Aufsatz
Seine Idee legte der Forscher bereits Ende Juni in einem Debattenbeitrag für das IAB dar, Titel: „Eine Anschubhilfe im Bürgergeld könnte die Erwerbsanreize erheblich stärken.“ Das grundlegende Problem sei, schreibt Weber in dem Beitrag, dass es noch zu wenige kurzfristige Anreize gebe, um Arbeit aufzunehmen. Denn wer wieder beginnt zu arbeiten, bekommt gleichzeitig einen großen Teil der Sozialleistungen gestrichen.
Weber plädiert daher dafür, den sogenannten Selbstbehalt anzuheben. Allerdings wisse man aus Studien und Simulationen, dass dieser nicht zu hoch steigen dürfe, weil Arbeitgeber sonst die Löhne im Niedriglohnsektor drücken und die Kosten für den Sozialstaat explodieren. Die sogenannte Anschubhilfe könne daher zusätzlich wirken und setze den Hebel „gezielt“ an, schreibt der Forscher: Es würde vermieden, „dass diejenigen, deren Verdienst etwas über der Anspruchsgrenze liegt, ihre Erwerbstätigkeit einschränken, weil sie dann Leistungen beziehen könnten.“
Erfinder hält 1000-Euro-Prämie nur für zweitbeste Idee
Aber auch Weber lässt in dem Papier durchblicken, dass er die Prämienzahlung nur für die zweitbeste Idee hält. Am besten sei es, den Selbstbehalt anzuheben, beispielsweise auf 50 Prozent in der Grundsicherung oberhalb der Minijob-Grenze. Außerdem, argumentiert der Forscher, „ließen sich die Varianten über den Selbstbehalt eher als systematische Verbesserung von Negativanreizen kommunizieren und organisieren, während Prämien eher wie Extraleistungen wirken könnten.“ Die Debatten um die 1000-Euro-Prämie sah Weber wohl schon kommen.